Schwerpunktaktion „nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten“ 2018

Hai Linh Trieu, Jürgen Hahn, Christine Pfäffle (RP Tübingen)

 

Strawberry Macaroon, Zitronenrolle, Yuzu Lemon Meringue, Toffee cream – hier handelt es sich nicht um klangvolle Kreationen aus der Süßwarenfabrik, sondern um Geschmacksrichtungen von Liquids für E-Zigaretten. Die E-Zigarette erfreut sich auch im Ländle einer immer größeren Beliebtheit. Besonders Jugendliche werden von solchen Geschmacksrichtungen angezogen. Grund genug für das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Sigmaringen, um in einer gemeinsamen Aktion der Tabaküberwachung und der Marktüberwachung des Landes, Liquids auf Einhaltung der chemikalien- und tabakrechtlichen Vorgaben zu untersuchen.

 

Entwicklung der E-Zigarette

Seit der Erfindung der E-Zigarette in den frühen 2000ern hat sie eine rasante Entwicklung durchlaufen, sowohl was den technischen Fortschritt betrifft als auch in Bezug auf die Verbraucherzahlen [1]. Dies spiegelt sich auch in den Umsatzzahlen wider. Der Branchenverband Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) prognostiziert für 2019 einen Zuwachs von mindestens 25 % auf rund 500 Mio. Euro [2].

 

E-Zigaretten simulieren das Rauchen mit technischen Mitteln, ohne dabei Tabak zu verbrennen. Stattdessen wird eine meist nikotinhaltige Flüssigkeit (Liquid) verdampft und wie beim Rauchen inhaliert. Benutzer von E-Zigaretten sprechen deshalb auch nicht vom Rauchen, sondern vom Dampfen. Hauptbestandteile der Liquids sind im Wesentlichen 1,2-Propandiol, Glycerin, Nikotin sowie verschiedene Duft- und Aromastoffe (zum Beispiel Vanille, Haselnuss, Waldbeere). Die Geräte bestehen aus einer Stromquelle (Akkumulator), einer Verdampfungskammer und einer auswechselbaren Kartusche mit dem Liquid (s. Abb. 1). Das Liquid gelangt durch Kapillarkräfte bzw. durch das Saugen am Mundstück in die Verdampfungskammer. Durch Aktivierung der Heizquelle erfolgt das Vernebeln des Liquids. Das Aerosol (vernebeltes Liquid) wird über die Auslassöffnung inhaliert.

 

Abbildung 1: Funktion der E-Zigarette


 

E-Zigaretten der ersten Generation sollten das Aussehen von konventionellen Tabakzigaretten imitieren. Aufgrund der niedrigen Akkuleistung reichten die Aerosolmenge und damit die Menge an verfügbarem Nikotin nicht aus, um die für Raucher von herkömmlichen Zigaretten gewohnte Nikotinaufnahme zu erreichen. Aktuelle Modelle haben sich weit vom schlanken Design der ersten Generation entfernt. Der Trend geht zu großen tankähnlichen Geräten, um leistungsstarke Akkus verbauen zu können. Mit sog. Mods kann der Verbraucher Bauteile wie Akkuträger und damit die Spannung und die Leistung so variieren, dass die Dampfmenge erhöht wird. Dadurch hat sich auch das Dampfverhalten der Konsumenten geändert. Bei Modellen der ersten Generation handelt es sich um „Lippe-Mund-Lunge“ – Züge, die ein Volumen von ca. 60 ml haben. Bei Geräten der vierten Generation hingegen ziehen die Verbraucher von „Lippe zu Lunge“ mit einem Zugvolumen von über 500 ml. Diese technische Entwicklung ermöglicht eine vergleichbar hohe Nikotinaufnahme wie bei der konventionellen Zigarette über eine längere Dampfzeit, was entscheidend zum Erfolg der E-Zigarette beigetragen hat.

 

E-Zigaretten der ersten Generation(links)und der aktuellen generation (rechts)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 2: E-Zigarette der ersten Generation (links) und der aktuellen Generation (rechts)


Schwerpunktaktion Liquids 2018

Das Regierungspräsidium Tübingen hat die Schwerpunktaktion zusammen mit dem Tabaklabor im CVUA Sigmaringen geplant und koordiniert. Am Regierungspräsidium Tübingen waren die Marktüberwachung, die Stabstelle Ernährungssicherheit (SES) sowie das für die Tabaküberwachung zuständige Fachreferat beteiligt. Die Probenahme haben die unteren Tabaküberwachungsbehörden durchgeführt bzw. die SES als sog. Testkauf im Internet bestellt.

 

Das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) und die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV), die im Mai 2016 in Kraft traten und erstmalig E-Zigaretten und nikotinhaltige Liquids im Tabakrecht erfassen, stellen Anforderungen an Verpackung, Zusammensetzung und Kennzeichnung. Mit der Anpassung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) im Mai 2017 haben nikotinhaltige Liquids mit einem Nikotingehalt von ≥ 0,25 Gewichtsprozent die Anforderungen an die chemikalienrechtliche Einstufung, Kennzeichnung und gegebenenfalls Verpackung sowie der Werbung gemäß der CLP-Verordnung zu erfüllen. Das

Merkblatt - Auszüge rechtlicher Vorgaben für E-Zigaretten und nikotinhaltige Nachfüllflüssigkeiten

stellt die wichtigsten Anforderungen für Unternehmen dar.

 

In der Schwerpunktaktion sollte überprüft werden, ob die Hersteller und Anbieter inzwischen die Vorgaben sowohl des Tabak- als auch des Chemikalienrechts umgesetzt haben.

 

Insgesamt 51 unterschiedliche nikotinhaltige Liquids wurden sowohl aus dem Einzelhandel (41) als auch dem Onlinehandel (10) entnommen. Die Proben stammten von 32 verschiedenen Herstellern - sieben davon in Baden-Württemberg niedergelassen. Die Auswahl und Entnahme der Einzelhandelsproben erfolgte durch die unteren Tabaküberwachungsbehörden. Die SES bestellte nach Internetrecherchen gezielt Proben mit einem hohen Nikotingehalt (≥ 12 mg/ml) bei Onlineshops; diese waren zu 90 Prozent außerhalb Baden-Württembergs ansässig.
Im Anschluss bestimmte das Tabaklabor des CVUA Sigmaringen den Nikotingehalt der Liquids mittels Gaschromatographie mit Flammenionisationsdetektion (GC-FID) und untersuchte sie auf Einhaltung der tabakrechtlichen Vorgaben.
Unter Berücksichtigung dieser Messergebnisse überprüfte die Marktüberwachung im Regierungspräsidium Tübingen die Vorgaben der CLP-Verordnung zur korrekten chemikalienrechtlichen Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung sowie - soweit vorhanden - der Werbung im Internet.

Ergebnisse des CVUA Sigmaringen

Von den 51 Proben wurden 29 tabakrechtlich beanstandet, was einer Beanstandungsquote von rund 57 % entspricht. Proben aus dem Internethandel hatten mit 70 % eine etwas höhere Beanstandungsquote als Einzelhandelsproben mit 54 % (s. Abb. 3). Erfreulicherweise wurde in keiner der Proben der gesetzlich vorgeschriebene Nikotinhöchstgehalt von 20 mg/ml überschritten. Die Beanstandungen betrafen lediglich die Kennzeichnung.

 

 











 

 

Abb. 3: Verteilung der Proben auf Einzel- und Internethandel (links) und Beanstandungsquoten bezogen auf Gesamtprobenzahl, Internethandel- und Einzelhandelsproben (rechts)


Liquids dürfen nur mit einem Beipackzettel in den Verkehr gebracht werden, der u.a. Gebrauchsanleitungen und Warnhinweise für bestimmte Verbrauchergruppen enthalten soll. 20 Proben wurden aufgrund eines fehlenden Beipackzettels oder fehlender Angaben auf dem Beipackzettel beanstandet. Außerdem müssen Außenverpackungen und Packungen von Liquids den gesundheitsbezogenen Warnhinweis „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht.“ tragen. Der Warnhinweis muss auf den zwei größten Flächen der Außenverpackung bzw. Packung angebracht werden. Von diesen Flächen muss er 30 % einnehmen. Insgesamt 23 Proben wurden beanstandet, weil kein Warnhinweis angebracht war oder der Warnhinweis nicht diese Vorgaben erfüllte. Bei 17 Proben wurden Verstöße festgestellt, da die Kennzeichnung unzureichende Pflichtangaben enthielt. Abb. 4 zeigt die Verteilung der Beanstandungsgründe.

 

 

    Abb. 4: Verteilung der Beanstandungsgründe bezogen auf die Probenzahl


Ergebnisse der Marktüberwachung des Regierungspräsidiums Tübingen

Zur Überprüfung der chemikalienrechtlichen Einstufung und der daraus resultierenden Kennzeichnungs- und Verpackungsvorgaben wurde der im Labor festgestellte Nikotingehalt zu Grunde gelegt. So sind nikotinhaltige Liquids ab einem Nikotinanteil von ≥ 0,25 Gewichtsprozent mit einer chemikalienrechtlichen Kennzeichnung zu versehen (weitere zur Einstufung beitragende Inhaltsstoffe müssen gegebenenfalls zusätzlich berücksichtig werden). Für die Bereiche von 0,25 bis 1,66 Gewichtsprozent und den Konzentrationsbereich ab 1,67 Gewichtsprozent liegen dabei unterschiedliche Kennzeichnungsanforderungen vor. In Tabelle 1 sind beispielhaft einige der erforderlichen Kennzeichnungselemente bezogen auf den jeweiligen Nikotingehalt aufgeführt.

 

    Tabelle 1: Einige relevante Kennzeichnungselemente in Abhängigkeit des Nikotingehalts


       

Abbildung 5 verdeutlicht die Verteilung der festgestellten Verstöße auf die vier Prüfschwerpunkte (Einstufung, Kennzeichnung, Verpackung sowie Werbung im Internet). Die meisten Beanstandungen wurden dabei im Bereich der chemikalienrechtlichen Kennzeichnung ermittelt (45 Verstöße), gefolgt von den Bereichen Werbung im Internet (24 Verstöße), Einstufung (zehn Verstöße) und Verpackung (zwei Verstöße).

Unter Verstöße bezüglich der Einstufung waren Fälle zu subsummieren, bei denen die ermittelte Nikotinkonzentration nicht zur vom Wirtschaftsakteur durchgeführten Zuordnung der Gefahr passte. Wurden in den Grenzbereichen (s. Tabelle 1) höhere Nikotingehalte als die angegebenen Konzentrationen ermittelt, wirkte sich dies auch auf die Einstufung und damit auch auf die chemikalienrechtliche Kennzeichnung aus, da in solchen Fällen Gefahrenpiktogramme fehlten oder falsch gewählt wurden.

 

Im Prüfbereich „Werbung im Internet“ führte eine nicht vorhandene, unvollständige und/oder falsch platzierte Werbung in 24 Fällen zur Feststellung eines Verstoßes.
 

               

                Abb. 5: Verteilung der festgestellten Verstöße


Während bei den Proben aus dem Präsenzhandel 31 von 41 Proben (76 Prozent) Mängel aufwiesen, lag die Beanstandungsquote für alle zehn Proben aus dem Onlinehandel bei 100 Prozent. Bei jeder der Proben aus dem Onlinehandel waren sowohl die Kennzeichnung als auch die Werbung im Internet zu beanstanden.

Fazit

Auch nach mehr als zwei Jahren seit der Einführung des TabakerzG und der TabakerzV lässt die Kennzeichnung von Liquids – auch nach dem Chemikalienrecht - zu wünschen übrig. Positiv ist anzumerken, dass der Nikotinhöchstgehalt von 20 mg/ml in den untersuchten Proben nicht überschritten wurde. Trotzdem gibt es für die Hersteller noch Handlungsbedarf. Aufgrund dessen und der steigenden Beliebtheit der E-Zigarette wird die gemeinsame Schwerpunktaktion auch in 2019 fortgesetzt.

 

Quellenangaben

     

    Drogen und Suchtbericht Oktober 2018

    Bündnis für Tabakfreien Genuss

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.07.2019