Bekleidung im Fokus – wie sicher sind die verwendeten Farbstoffe?

Magdalena Köhler, Anna Kaufmann, Roland Perz

 

Jeder trägt tagtäglich und auch nachts Kleidung. Bei sommerlichen Temperaturen oder bei sportlichen Aktivitäten kommt es zu vermehrter Schweißbildung und somit auch zu einem noch intensiveren Kontakt der Kleidung mit der Haut. Deswegen stehen bei der Untersuchung von Bekleidung häufig Farbstoffe im Fokus. Denn farbige Kleidung soll nicht nur schön sein, sondern die eingesetzten Farbstoffe sollten nicht auf die Haut übergehen, verbotene Farbstoffe dürfen nicht und Farbstoffe, die zwar noch nicht reglementiert sind, jedoch ein sensibilisierendes Potenzial haben, sollten nicht verwendet werden. Unsere Untersuchungen zeigen, dass bei fast allen Proben (99 %) die gesetzlichen Regelungen eingehalten werden. Besorgniserregend ist nur der stetige Befund an 1,4-Phenylendiamin.

 

Untersucht wurden im Jahr 2018 bisher Faschingskostüme, Sportunterwäsche, Schlafsäcke und Trachten (u.a. Dirndl und Volksfestblusen). Die Grafik veranschaulicht die Untersuchungsergebnisse:

 

Grafik: ein Diagramm veranschaulicht Untersuchungsergebnisse.

 

Hier sticht die Gruppe der Faschingskostüme ins Auge, die durchweg auffällig waren, insbesondere deswegen, weil der Stoff Phenylendiamin (s. Infokasten) nachgewiesen wurde. 1,4-Phenylendiamin als Reinstoff ist eingestuft als akut toxisch (giftig beim Einatmen, Verschlucken, Hautkontakt). Außerdem ist ein hautsensibilisierendes Potential beschrieben, wobei auch allergische Sofortreaktionen hervorgerufen werden können [1, 2, 3].

 

Wieso können Farbstoffe gefährlich sein?

Azofarbstoffe

Farbmittel mit Azofarbstoffen stellen die wichtigste Gruppe zum Färben von Bekleidungstextilien dar. Etwa zwei Drittel der heute verwendeten Textilfarbmittel gehören zu dieser Substanzklasse. Im Stoffwechsel und auch auf der Haut können sie durch Bakterien zu den sogenannten aromatischen Aminen gespalten werden, aus denen sie aufgebaut sind. Etliche bei der Spaltung freigesetzte Amine sind krebserzeugend. Neben den löslichen Azofarbstoffen gibt es schwer lösliche Azopigmente, die unter bestimmten Bedingungen ebenfalls in krebserzeugende Amine gespalten werden können [4]. Die so freigesetzten aromatischen Amine (wie z.B. 1,4-Phenylendiamin) können in der Regel erheblich leichter die Hautbarriere passieren und in den Körper gelangen.

 

Infokasten

Wie entsteht 1,4-Phenylendiamin?

Grafische Darstellung der Azospaltung.

Aus Dispersionsorange 3 entsteht durch Spaltung der Azogruppe 1,4- Phenylendiamin und 4-Nitroanilin.

 

Dispersionsfarbstoffe

Dispersionsfarbstoffe sind wasserunlösliche, fettliebende (lipophile) Substanzen, deren Färbeprinzip darin besteht, dass sie in den Kunstfasern gelöst werden. Aufgrund ihrer Lipophilie und der kleinen Molekülgröße werden sie zum Teil über die Haut aufgenommen, so dass gesundheitliche Risiken nicht ausgeschlossen werden können. Viele Dispersionsfarbstoffe sind als sensibilisierend eingestuft, d.h. durch diese Stoffe kann eine Kontaktallergie hervorgerufen werden [5].

 

Wie wird untersucht?

Azofarbstoffe

Bei Kunstfasern (z.B. Polyester) wird der Farbstoff vorab mit einem Lösemittel aus der Faser extrahiert und anschließend einer Spaltungsrektion bei pH 6 unterworfen. Dadurch entstehen die freien Amine ähnlich wie bei der Farbstoffspaltung durch die Mikroflora auf der Haut. Bei Naturfasern (z.B. Baumwolle) ist keine vorherige Extraktion nötig. Hier wird mit der Probe direkt die Spaltungsreaktion mit Freisetzung der aromatischen Amine durchgeführt. Nach weiteren Aufarbeitungsschritten wird der Lösungsmittel-Extrakt mittels LC-MS/MS (Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektrometrie) analysiert.

 

Dispersionsfarbstoffe

Die zerkleinerte Probe wird in einem geschlossenen Gefäß mit Methanol im Ultraschallbad extrahiert. Der Extrakt wird filtriert und kann danach ohne zusätzliche Aufreinigung mittels Hochleistungsflüssigchromatographie mit Diodenarraydetektion (HPLC-DAD) vermessen werden. Die Absicherung des Befundes erfolgt mittels LC-MS/MS.

 

Gesetzliche Regelungen

Azofarbstoffe

In Deutschland ist die Verwendung bestimmter Stoffe zur Herstellung von Bedarfsgegenständen aus Textilien in der europäischen Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO) sowie in nationalen gesetzlichen Regelungen (Bedarfsgegenständeverordnung, Chemikalienverbotsverordnung) geregelt. Darin wird festgelegt, dass Azofarbstoffe, die in eines der insgesamt 14 dort gelisteten krebserzeugenden Amine gespalten werden können, in Produkten aus Leder oder Textilien mit direktem und längerem Haut- oder Schleimhautkontakt nicht verwendet werden dürfen. Für den Nachweis eines Gehaltes dieser Amine ist ein Grenzwert von 30 mg je Kilogramm Textil festgelegt.

 

Dispersionsfarbstoffe

Für Dispersionsfarbstoffe bestehen bislang keine rechtlichen Reglementierungen auf nationaler oder EU-Ebene. Nach der aktualisierten Stellungnahme Nr. 041/2012 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 6. Juli 2012 sollten diese Farbstoffe aufgrund ihres sensibilisierenden Potenzials nicht mehr verwendet werden (siehe Tabelle) [5]:

 

Tabelle der reglementierten Dispersionsfarbstoffe
Dispersionsblau 1
Dispersionsblau 35
Dispersionsblau 106
Dispersionsblau 124
Dispersionsgelb 3
Dispersionsorange 3
Dispersionsorange 37/76
Dispersionsrot 1

 

Unsere Untersuchungsergebnisse

Seit 2015 werden am CVUA Stuttgart Textilien auf primäre aromatische Amine aus Azofarbstoffen untersucht. Bei ca. 900 untersuchten Proben konnten erfreulicherweise nur bei einer sehr geringen Anzahl an Proben (< 1 %) verbotene primäre aromatische Amine mit einem Gehalt über 30 mg/kg nachgewiesen werden. Viel größer ist die Anzahl der Proben, bei denen das primäre aromatische Amin 1,4-Phenylendamin nachgewiesen wurde (ca. 100 Proben). Dieses Amin ist jedoch rechtlich bisher nicht reglementiert. Dispersionsfarbstoffe konnten nicht nachgewiesen werden.

Im Fokus lagen im Jahr 2018 Faschingskostüme, Sportunterwäsche, Trachten (u.a. Dirndl und Volksfestblusen) und Schlafsäcke. Bei den Faschingskostümen wurde 1,4-Phenylendiamin bei 12 von 12 Proben gefunden, bei Sportunterwäsche (insgesamt 13 Proben) hingegen nur in einem Fall. In diesen Fällen wird empfohlen, dass der Hersteller oder verantwortliche Inverkehrbringer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht dafür sorgt, dass gesundheitlich relevante Stoffe bei der Herstellung derartiger Erzeugnisse nicht verwendet werden bzw. nicht enthalten sind.

 

Fazit

Gesundheitliche Risiken durch Farbstoffe in Bekleidungstextilien sind nur bei mangelhaft gefärbten Produkten gegeben [5]. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die rechtlichen Regelungen von fast allen Proben eingehalten werden. Jedoch finden wir bei Saisonware sehr oft 1,4-Phenylendiamin, welches u.a. ein hautsensibilisierendes Potential besitzt.

 

Quellen

[1] BGIA: GESTIS-Stoffdatenbank - Gefahrstoffinformationssystem der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

[2] Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS): Opinion on p-Phenylenediamine, COLIPA n° A7, SCCS/1443/11, Revision of 18 September 2012.

[3] DFG: MAK- und BAT-Werte-Liste 2015, Abschnitt IV, WILEY-VCH Verlag, Weinheim

[4] Freisetzung aromatischer Amine aus Azofarbstoffen in Textilien durch Hautbakterien, BgVV, 2002

[5 Einführung in die Problematik der Bekleidungstextilien, Aktualisierte Stellungnahme Nr. 041/2012 des BfR vom 6. Juli 2012

 

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 22.11.2018