Die neue Variante des Virus der Hämorrhagischen Kaninchenseuche (RHDV-2) – Erstnachweis nun auch in Baden-Württemberg

Kleintierzuchtverbände, Kaninchenzüchter und –halter sind besorgt

Dr. Birgit Blazey, Dr. Valerij Akimkin

 

Wie bereits am 20.03.2015 auf unserer Homepage berichtet sind aktuell mehrere Kaninchen aus zwei Landkreisen in Baden-Württemberg (Esslingen und Ludwigsburg) an der sogenannten Hämorrhagischen Krankheit der Kaninchen (RHD = Rabbit Haemorrhagic Disease oder auch "Chinaseuche" genannt) verendet. Hier handelt es sich um eine durch Caliciviren verursachte Krankheit der Haus- und Wildkaninchen. Von den vier betroffenen Kaninchenhaltern/-züchtern hatten zwei ihre Tiere aktuell gegen RHD geimpft. Die weiterführenden Untersuchungen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) bestätigen den Verdacht, dass es sich um den neuen Typ RHDV-2 handelt.

Hämorrhagische Kaninchenseuche, Chinaseuche, RHD

Das RHDV wurde 1984 erstmals in China nachgewiesen und über Angorakaninchen nach Deutschland eingeschleppt. RHDV gehören zu den Caliciviren, die sich im Elektronenmikroskop als kugelförmige Viruspartikel mit einer Größe von 30-40 nm darstellen (Abb. 1).

 

Abb 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme, Caliciviren, RHD, Vergrößerung 300.000x.

Abb 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme, Caliciviren, RHD, Vergrößerung 300.000x.

 

Im Gegensatz zu Haus- und Wildkaninchen sind Feldhasen unempfänglich für dieses Calicicvirus. Feldhasen können allerdings an einer Infektion mit einem dem RHDV verwandten Calicivirus erkranken, welches das sogenannte European Brown Hare Syndrom (EBHS) hervorruft. Das EBHS-Virus ist nicht auf Kaninchen übertragbar.

 

Der Eintrag des Virus in einen Bestand erfolgt vor allem durch Sekrete und Exkrete oder indirekt über Insekten, Futter, Gerätschaften, Personen, u.v.m. Eine Prophylaxe ist über Hygiene nur eingeschränkt möglich. Das Virus ist sehr widerstandsfähig in der Umwelt.

 

Infizierte Kaninchen sterben meist sehr schnell (perakut), ohne zuvor Krankheitszeichen zu zeigen. Gestern noch fit und unauffällig und morgens plötzlich tot, sind häufige Vorberichte. Fressunlust, Apathie, erschwerte oder beschleunigte Atmung, mit Blut vor dem Mäulchen sowie teilweise Fieber können auftreten. Subakute und chronische Verlaufsformen sind auch beschrieben, diese Fälle werden aber selten zur Sektion eingesandt.

 

Bei der pathomorphologischen Untersuchung (Sektion) sind in der Regel typische Veränderungen wie eine geschwollene, brüchige, rotbraune bis ockerfarbene Leber zu erkennen. Auch die Milz ist hochgradig geschwollen. Blutungen zeigen sich vor allem in der Niere, der Luftröhrenschleimhaut und der Lunge.

 

Die feingewebliche, histologische Untersuchung lässt massive Leberzellnekrosen (Leberschaden) erkennen (Abb. 2). Hierdurch kommt es zu Störungen der Bildung von Gerinnungsfaktoren und somit zu einer ausgeprägten intravasalen (innerhalb der Blutgefäße) Gerinnung mit der Bildung von Mikrothromben vor allem in den Filterorganen der Niere (Glomerula) und auch den Lungensepten. Blutungen und Absterben lymphatischer Zellen der Milz sind ebenfalls typisch.

 

Abb. 2A (links): Kaninchenleber, gesund, HE, Vergrößerung 200x. Abb. 2B (rechts): Kaninchenleber mit massiven Leberzelluntergängen und Blutungen, RHD, HE, Vergrößerung 200x.

Abb. 2A (links): Kaninchenleber, gesund, HE, Vergrößerung 200x.

Abb. 2B (rechts): Kaninchenleber mit massiven Leberzelluntergängen und Blutungen, RHD, HE, Vergrößerung 200x.

 

Mit Hilfe der Sektions- und Histologiebefunde kann die Diagnose RHD mit sehr großer Sicherheit gestellt werden. Zur Bestätigung der Diagnose wird ein sog. Hämagglutinationstest durchgeführt, der den Nachweis des RHD-Virus ermöglicht. Allerdings reagierte bei einem Teil der aktuell verendeten Kaninchen dieser Test nicht, obwohl die Tiere typische Sektionsbefunde aufwiesen. Die anschließend durchgeführte elektronenmikroskopische Untersuchung bestätigte dennoch letztendlich die Diagnose RHD durch den Nachweis von Caliciviren.

 

Laut Vorbericht war ein Teil der Tiere gegen RHD geimpft!

 

Im April 2010 war in Nord-West-Frankreich eine neue Variante des RHDV (RHDV-2) aufgetreten, die eine ca. 80%ige Verwandtschaft zu dem klassischen Subtypen RHDV oder der Variante RHDVa ausweist. Auch Italien (2011) und Spanien sind bereits betroffen. Die neue, dritte Virusvariante soll weniger virulent sein und die Krankheit einen etwas verzögerten Verlauf zeigen. Zudem erkranken auch Jungtiere unter 30 Tagen und laut CVUA OWL sogar Feldhasen (sardischer Hase, Lepus capensis mediterraneus). Dieser neue Virustyp hat auch in Deutschland bereits im Jahr 2013 in Nordrhein-Westfalen und 2014 in Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Thüringen zu zahlreichen Todesfällen bei Kaninchen geführt.

 

Der Umstand, dass die aktuell untersuchten Tiere trotz Impfung an RHD verendet sind, hat  uns zur Einleitung weiterer Untersuchungen veranlasst. Es wurde umgehend Probenmaterial ans Friedrich-Loeffler-Institut geschickt, um prüfen zu lassen, ob es sich hierbei um den neuen Virustyp RHDV-2 handelt.

 

Das FLI bestätigte sehr schnell die ersten Fälle des neuen Virustyps RHD-2 in Baden Württemberg. Somit verendeten Kaninchen aus je zwei Beständen der Landkreise Ludwigsburg und Esslingen an dem neuen RHDV2-Typ. In beiden Landkreisen hatte je ein Besitzer gegen RHDV geimpft, der andere im gleichen Landkreis nicht. Laut FLI führt die Immunisierung gegen klassische RHD Virustypen nach bisherigem Impfregime nur zu einem Teilschutz vor der Infektion mit dem neuen Stamm. Dennoch wird aufgrund der Verwandtschaft der Viren immerhin ein begrenzter Impfschutz bei Einsatz der bisher angewendeten Impfstoffe gegen das klassische RHDV erreicht.

 

Seit kurzem wird auch berichtet, dass in Deutschland ein bereits bewährter Impfstoff unter geändertem Impfregime auch gegen RHDV-2 eingesetzt werden kann. Dies ist der entsprechend aktualisierten Gebrauchsinformation des Impfstoffherstellers zu entnehmen. Darüber hinaus gibt es einen in Frankreich zugelassenen Impfstoff gegen RHDV-2. Dieser Impfstoff kann mit Ausnahmegenehmigung des MLR in Baden-Württemberg angewendet werden.

 

Wichtig ist es vor allem, keine Impflücken auftreten lassen (rechtzeitige Nachimpfung, Impfungen von Zuchttieren ggf. alle 6 Monate, Bestände zweimalig grundimmunisieren sowie ggf. früher, d.h. ab der 4. Lebenswoche, wobei das mögliche Vorhandensein passiver maternaler Antikörper beachtet werden muss).

 

 Zu diesem Thema bereits erschienen:

Kaninchenseuche RHD hat Hochsaison (2009)

Neuer Fall der hämorrhagischen Kaninchenseuche (2010)

 

Bildernachweis

Licht- und elektronenmikroskopische Aufnahmen: CVUA Stuttgart.

 

Quellen

 

Artikel erstmals erschienen am 26.03.2015