Methanol: Wie sicher sind unsere Getränke?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Gerhard Braun, Katrin Zur

 

Foto: ein Glas mit Weinbrand. Bildquelle: Pixelio.de.Das CVUA Stuttgart hat im Jahr 2009 Methanol in den Fokus seiner Untersuchungen genommen und zahlreiche Getränkearten überprüft. Anfang des Jahres geriet mit Methanol gepanschter Wodka in die Schlagzeilen: Hiernach kamen 3 Türkeiurlauber wegen des weit überhöhten Methanolgehaltes der konsumierten Spirituosen zu Tode. Das CVUA Stuttgart hat verschiedene Spirituosen untersucht, die Untersuchung aber auch auf Säfte, Wasser und Wein ausgedehnt.

Wie die Ergebnisse zeigen, weisen die einzelnen Getränkearten sehr unterschiedliche Methanolgehalte auf, wobei auch in verschiedenen alkoholfreien Getränken gewisse Mengen an Methanol festzustellen waren.

 

 

Alkohol = Ethanol + Methanol

Beim Thema Alkohol in Lebensmitteln denkt der Verbraucher im allgemeinen an alkoholische Getränke wie Bier, Wein oder Spirituosen und setzt daher den Begriff Alkohol gleich mit dem bei der Gärung entstehenden Stoff Ethylalkohol (Ethanol). Allerdings umfasst die Gruppe der Alkohole eine Vielzahl von chemischen Verbindungen, von denen einige auch in der Natur - und damit auch in Lebensmitteln - vorkommen.

Erhebliche Bedeutung kommt dabei dem Methylalkohol (Methanol) zu. Es handelt sich ebenso wie bei Ethanol um eine farblose, klare, leicht brennbare Flüssigkeit. Methanol kommt im Pflanzenreich - wenn auch in geringen Mengen - weit verbreitet vor, sowohl frei als Alkohol, wie auch verestert, d.h. gebunden im Stützgewebe (Lignin, Pektin) oder in Pflanzenfarbstoffen. Außerdem kann Methanol neben Ethanol in geringen Mengen bei der alkoholischen Gärung entstehen.

 

Wie wirkt Methanol?

Methanol wird im Körper anders als Ethanol abgebaut und weist daher eine deutlich höhere Toxizität (Giftigkeit) auf. Die für den Menschen eigentlichen toxischen Umwandlungsprodukte des Methanols sind Formaldehyd und Ameisensäure.

 

Untersuchungsergebnisse

Das CVUA Stuttgart hat 360 Getränke auf ihren Methanolgehalt untersucht. Dabei ergaben sich die folgenden Untersuchungsergebnisse:

 

Getränkeart Anzahl untersuchter Proben Minimalwert [mg/L] Maximalwert [mg/L] Mittelwert [mg/L]
Fruchtsaft, Fruchtnektar 125 < 2 196 41
Alkoholfreie Erfrischungsgetränke 31 < 2 89 6,3
Mineralwasser 13 < 2 < 2 < 2
Wein 53 26 179 81
Weinhaltige Getränke 34 11 109 33
Likörweine 46 43 220 107
Spirituosen 54 32 4769 2171

 

Fruchtsaft und Methanol: Wie passt das?

Frische Früchte enthalten keine nennenswerten Mengen an Alkohol - weder Ethanol noch Methanol. Geringe Alkoholgehalte können allerdings bei der Verarbeitung der Früchte entstehen, so auch bei der Saftbereitung.

Die Zellwände pflanzlicher Gewebe - also auch von Obst und Gemüse - bestehen aus Cellulose, Hemicellulose oder Pektin. Diese Stützsubstanzen geben u.a. den Früchten ihre Struktur und Festigkeit. So enthalten Äpfel 0,5 % bis 1,6 % Pektin, Birnen etwas weniger (0,2 % bis 1,2 %), Johannisbeeren dagegen mehr (meist über 1,5 %). Da Pektin chemisch gesehen u.a. aus Methylestergruppen besteht, können nach dem Pressen der Früchte durch natürliche biochemische Vorgänge Spuren von Methanol abgespalten werden. Dazu reichen die fruchteigenen Enzyme, sogenannte Pektinesterasen, aus.

 

Darüber hinaus werden bei der modernen Fruchtsafttechnologie oft diese pektolytischen Enzyme zugegeben. Damit wird die sogenannte Maische vor dem Pressen behandelt, um die Ausbeute zu erhöhen bzw. um die Pressbarkeit zu verbessern. Eine Maischebehandlung ist bei bestimmten Fruchtarten wie Kirschen oder Johannisbeeren üblich, ebenso bei Äpfeln, die aus der Vorratshaltung stammen und deshalb eine schlechtere Pressbarkeit aufweisen. Die verwendeten Enzyme werden aus Schimmelpilzkulturen gewonnen; ihre Verwendung im Lebensmittel muss derzeit nicht kenntlich gemacht werden. Eine weitere Enzymbehandlung wird ggf. nach der Saftbereitung bei klaren Säften durchgeführt. Damit wird erreicht, dass klare Säfte auch tatsächlich klar und „blank“ ins Glas des Verbrauchers gelangen.

 

Wie die Untersuchungen im CVUA Stuttgart ergaben, weisen Fruchtsäfte und Fruchtnektare je nach Art der verwendeten Früchte sehr unterschiedliche Methanolgehalte auf:

 

Grafik: Methanolgehalte von Fruchtsäften.

 

Geringere Methanolgehalte bei Streuobstsäften

Interessant erscheinen dabei die großen Unterschiede bei den Apfelsäften, die sicherlich im Zusammenhang mit einer eventuell durchgeführten Maischebehandlung zu sehen sind. So muss Lagerobst auf Grund seiner deutlich schlechteren Pressbarkeit mit Enzymen vorbehandelt werden, während Mostäpfel aus Streuobstanbau, die frisch gekeltert werden, diese Enzymbehandlung i.a. nicht nötig haben. So ergaben die Untersuchungen im CVUA Stuttgart, dass baden-württembergische Apfelsäfte aus dem Streuobstanbau deutlich geringere Methanolgehalte aufwiesen als andere Apfelsäfte. Der ermittelte Maximalwert betrug bei den Streuobstsäften 59 mg/L im Vergleich zu 196 mg/L bei den anderen Apfelsäften. Die durchschnittlichen Gehalte lagen für die Streuobstsäfte bei 18 mg/L, für die sonstigen Apfelsäfte dagegen bei 40 mg/L.

Auch einige äußerst geringe Methanolgehalte von unter 10 mg/L waren vorwiegend bei den Streuobstsäften zu beobachten.

 

Methanol in Erfrischungsgetränken: allenfalls indirekt zugesetzt

Aus ganz anderen Gründen können Spuren von Methanol in Erfrischungsgetränken vorkommen:

In diesen Erzeugnissen ist der Zusatz von Konservierungsstoffen erlaubt, z.B. Sorbinsäure, Benzoesäure, ebenso der desinfizierend wirkende Stoff Dimethyldicarbonat (DMDC). Manche Hersteller verwenden diese Zusatzstoffe, insbesondere bei Abfüllung in PET-Flaschen oder Getränkeverpackungen, welche im Gegensatz zu Glasflaschen nicht durch hohe Temperaturen keimfrei gemacht werden können.

DMDC zerfällt in wässrigen Lösungen innerhalb kürzester Zeit in Kohlendioxid und Methanol. Da DMDC im Getränk nicht mehr als solches nachweisbar ist, muss die Verwendung dieses Zusatzstoffes für den Verbraucher nicht kenntlich gemacht werden. Die zulässige Höchstmenge von 250 mg DMDC pro Liter ergibt rechnerisch einen Methanolgehalt von 120 mg/L im Getränk. Wie die Untersuchungen zeigen, machte lediglich ein Hersteller von dieser Möglichkeit Gebrauch: so wies dieses Getränk einen Methanolgehalt von 89 mg/L auf, während die anderen Erfrischungsgetränke i.a. Gehalte unter 10 mg/L hatten.

 

Mineralwasser: Methanol-frei!

Ähnlich wie bei den Erfrischungsgetränken wäre auch bei natürlichem Mineralwasser oder Quellwasser ein DMDC-Zusatz denkbar. In diesen Produkten ist jedoch eine Desinfektion bzw. Konservierung nicht zulässig. Da Mineral- und Quellwasser von Natur aus äußerst arm an organischen Stoffen sind, ist eine Desinfektion auch nicht erforderlich. Die Untersuchung von 13 Proben bestätigte diese Vermutung: In keiner der Proben war das Zerfallsprodukt Methanol enthalten.

 

Methanol im Wein: Wie kommt’s rein?

Das in Wein vorliegende Methanol stammt zum geringsten Teil aus dem Stoffwechselprozess der Hefe. Ähnlich wie beim Fruchtsaft entseht es weitgehend während des enzymatischen Abbaus des fruchteigenen Pektins. Wenn der Wein auf der Maische stehengelassen wird, kann der Methanolgehalt weiter ansteigen. Diese Tatsache erklärt den höheren Methanolgehalte von Rotweinen, die auf der Maische vergoren wurden. Ebenso bewirkt das „Ziehenlassen“ der Maische bei weißen Bukettsorten eine Methanolerhöhung.

Die im Rahmen dieses Projektes festgestellten Methanolgehalte lagen zwischen 26 und 179 mg/L. Rotweine wiesen mit durchschnittlich 93 mg/L höhere Gehalte auf, als Weißweine mit durchschnittlich 64 mg/L. Diese Befunde geben einen treffenden Überblick über den natürlichen Methanolgehalt in Wein.

 

Sangria, weinhaltige Cocktails & Co

Besonders im Sommer wird auch gern einmal ein Weincocktail oder eine Sangria genossen. Wir haben auch den Methanolgehalt dieser Erzeugnisse genauer unter die Lupe genommen.

Diese alkoholischen Getränke enthalten neben Wein andere Zutaten wie z.B. Aromen, Zucker und Wasser. Aromatisierte weinhaltige Getränke wie Sangria und Maiwein unterscheiden sich im Wesentlichen durch den Mindestanteil von 50 % Wein von den aromatisierten weinhaltigen Cocktails, die einen geringeren Weinanteil aufweisen.

Bei diesen Getränken stammt der Methanolgehalt so gut wie ganz aus dem Wein. Die Befunde spiegeln daher hauptsächlich den Weingehalt dieser Erzeugnisse wider. Die aromatisierten weinhaltigen Cocktails weisen mit durchschnittlich 22 mg/L einen Methanolgehalt auf, der ist nur etwa einem Viertel des durchschnittlichen Methanolgehaltes in Wein (81 mg/L) entspricht. Die untersuchten aromatisierten weinhaltigen Getränke enthalten im Gegensatz dazu mit durchschnittlich 49 mg/L etwas mehr als die Hälfte des mittleren Methanolgehaltes von Wein.

 

Grafik: Methanolgehalte von Wein und aromatisierten weinhaltigen Cocktails und Getränken.

 

Sherry, Portwein & Co

Bei Sherry und Portwein handelt es sich um Likörweine. Likörweine, die im Volksmund auch als Süßweine oder Dessertweine bezeichnet werden, sind mit mindestens 15 % vol besonders alkoholstarke Erzeugnisse des Weinbaus.

 

Sherry-Weine werden in der Umgebung der spanischen Stadt Jerez hergestellt. Dabei wird der Sherry nach abgeschlossener Gärung des Traubenmostes im sogenannten Solerasystem 2 bis 5 Jahre ausgebaut und erhält dabei sein typisches Aroma. Wie auch andere Likörweine wird Sherry unter Zusatz von Alkohol in Form von Weindestillat hergestellt. Diese „Aufspritung“ findet in diesem Fall nach abgeschlossener Gärung statt, wenn der im Traubenmost befindliche Zucker aufgebraucht ist.

Im Rahmen des Projektes wurden 22 Sherry-Likörweine untersucht, deren Alkoholgehalt zwischen 15 und 17 % vol liegt. Der Methanolgehalt von durchschnittlich 57 mg/L ist somit wahrscheinlich in erster Linie auf den Methanolgehalt des zur Herstellung verwendeten Weines zurückzuführen.

Bei der Herstellung des portugiesischen Erzeugnisses Portwein wird der noch gärende, süße Traubenmost mit hochprozentigem Alkohol versetzt. Auf diese Weise wird ein Likörwein gewonnen, der 19 –22 % vol Alkohol aufweist und immer noch süß ist.

 

Bei der Herstellung von Portwein wird vergleichsweise viel Alkohol bei der Aufspritung zugesetzt. Als Alkoholquelle wird in der Regel Weindestillat verwendet. Dieses enthält herstellungsbedingt erhöhte Mengen an Methanol, so dass die in Portwein festgestellten Methanolgehalte von bis zu 220 mg/L hauptsächlich auf die Verwendung des zur Aufspritung verwendeten Weindestillates zurückzuführen sind.

 

Spirituosen: Die Methanolspitzenreiter

Während es für Wein, weinhaltige Getränke und Likörwein keine gesetzlichen Höchstmengen für Methanol gibt, sind diese für den Bereich der Spirituosen gesetzlich geregelt. So darf z.B. Wodka nicht mehr als 10 mg Methanol pro 100 ml reinen Alkohol haben. Das entspricht bei einem Wodka mit 40 % vol Alkohol einem Methanolgehalt von 40 mg/L. In den letzen Jahren lag am CVUA Stuttgart kein Wodka vor, dessen Methanolgehalt auffällig erhöht war.

 

Im Gegensatz zu Wodka kann ein Obstbrand wie z.B. Williamsbirnenbrand bis zu 1350 mg Methanol pro 100 ml reinen Alkohol enthalten. Das entspricht bei einem Erzeugnis mit 40 % vol Alkohol 5400 mg/L. Ohne Ethanol sind solche Mengen Methanol kritisch zu sehen. Da in Obstbränden jedoch reichlich Ethanol enthalten ist, sind diese Mengen unbedenklich. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass bei gleichzeitiger Aufnahme von Ethanol das Methanol nicht zu den eigentlich toxisch wirkenden Substanzen Ameisensäure und Formaldehyd umgewandelt wird. Das dafür verantwortliche Enzym ist bei der Aufnahme von Spirituosen in erster Linie mit dem Abbau von Ethanol ausgelastet.

Auch bei Obstbränden stammt das Methanol aus dem enzymatischen Pektinabbau in den Zellwänden der verwendeten Früchte. Obstbrände werden nach vollendeter Gärung destilliert, wobei neben Ethanol u.a. auch Methanol im Destillat angereichert wird. Daher sind bei Obstbränden die Gehalte an Methanol deutlich höher als in den anderen untersuchten Produktgruppen.

Im Rahmen des Projektes wurden in erster Linie solche Obstbrände untersucht, die üblicherweise einen hohen Gehalt an Methanol aufweisen. Bei allen untersuchten Obstbrandproben lagen die Methanolgehalte unter den gesetzlich festgelegten Grenzwerten.

 

  Mittelwert
[mg/100ml r.A.*]
Maximum
[mg/100ml r.A.*]
gesetzliche Höchstmenge
[mg/100ml r.A.*]
Kirschbrand 411 494 1000
Mirabellenbrand 700 914 1200
Zwetschgen- bzw. Pflaumenbrand 819 1013 1200
Quittenbrand 679 1188 1350
Williamsbirnenbrand 968 1082 1350
andere Obstbrände
(z.B. aus Äpfeln und/oder Birnen)
462 827 1000

* r. A. : reiner Alkohol; bei Spirituosen wird der Methanolgehalt üblicherweise auf den Gehalt an Ethanol bezogen

 

Methanol pur ist giftig - Lebensmittel mit Methanol ebenfalls?

Mit den im CVUA Stuttgart ermittelten Methanolgehalten in Getränken lässt sich abschätzen, dass die Methanolaufnahme durch diese Lebensmittel einige hundert Milligramm pro Tag betragen kann. Für eine gesundheitliche Bewertung muss berücksichtigt werden, dass der menschliche Körper laut Literaturangaben selbst Methanol im Stoffwechsel bildet und zwar in der Größenordnung von 300 bis 600 Milligramm pro Person und Tag. Neben dieser sogenannten endogenen Bildung von Methanol ist bekannt, dass durch die Aufnahme von gebundenem Methanol (z.B. durch den Verzehr von pektinhaltigen Lebensmitteln) und dessen „Freisetzung“ im Stoffwechsel weiteres Methanol in den Blutkreislauf gelangt. In allen drei Fällen liegen die Gehalte jedoch deutlich unter den in der Literatur beschriebenen Werten von 2000 bis 4000 mg, ab denen bei einem gesunden Erwachsenen mit einer Gesundheitsschädigung zu rechnen ist.

 

Resumée: Entwarnung

Toxikologisch sind die vom CVUA Stuttgart ermittelten Gehalte in den untersuchten Getränken kaum relevant. Diese Lebensmittel sind in Bezug auf Methanol als sicher und somit als verkehrsfähig zu beurteilen.

Gleichwohl ist aus gesundheitlicher Sicht anzustreben, technologisch vermeidbare Gehalte, insbesondere bei Getränken, welche von Kindern konsumiert werden, zu minimieren. Dazu kann ein Verzicht auf DMDC ebenso beitragen wie der vernünftige, sparsame Einsatz von Enzympräparaten bei der Fruchtsaftherstellung sowie die sorgfältige Abtrennung von Vorlauf bei Spirituosen.

 

Bildernachweis

Weinbrand, Fotografin: Betty, Pixelio.de, Image-ID=267534

 

Artikel erstmals erschienen am 15.12.2009