Infrarotspektroskopie - ein Multi-Tool für die Mikrobiologie

Eine erfolgreiche Technik wird methodisch zur Aufklärung von Infektionsquellen weiter entwickelt

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

N. Mauder, J. Rau

 

Die Untersuchungseinrichtungen Baden-Württembergs halten beim Nachweis von pathogenen Mikroorganismen ihre Methoden auf dem neuesten Stand und entwickeln diese aktiv weiter. Dabei kommt die ganze Bandbreite unserer analytischen Techniken, von der klassischen kulturellen Methode über die Molekularbiologie bis zur Infrarotspektroskopie zum Einsatz. Neue Herausforderungen, wie die verstärkte Frage nach der Infektionsquelle, erfordern die Entwicklung neuer Methoden. Die Erkenntnisse aus unseren Forschungsarbeiten werden unmittelbar in die Routine integriert und an aktuellen Fällen erprobt.


Sowohl bei Gruppenerkrankungen des Menschen, die im Zusammenhang mit Lebensmitteln stehen, als auch bei Erkrankungen in Tierbeständen (Tierseuchen) hat die mikrobiologische Untersuchung von Proben zwei wichtige Ziele:


1) Die Identifizierung des Erregers bis auf Ebene der Art oder Unterart erfolgt bisher durch die erprobten Verfahren der Lebensmittel-Mikrobiologie bzw. der veterinärmedizinischen Diagnostik (z.B. bei Salmonella, Yersinia enterocolitica, Staphylococcus aureus). Diese konventionelle Differenzierung erfordert oft zahlreiche kulturelle, biochemische, serologische und inzwischen auch molekularbiologische Tests. Deren Auswertung benötigt dabei bis zu mehreren Tagen.


2) Die Aufklärung der Infektionsquelle erfordert dagegen eine deutlich feinere Untersuchung. Hierbei muss der Nachweis geführt werden, ob Isolate der gleichen Art, aber unterschiedlicher Herkunft (z.B. aus Lebensmittel und Patient oder aus Milch und Stalltupferprobe), miteinander in Zusammenhang stehen.

 

Am CVUA Stuttgart wurde für diese Aufgaben als neue Methode die Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR) erfolgreich eingeführt. Hierbei wird die Gesamtheit der biochemischen Zusammensetzung der Mikroorganismen (der Phänotyp) abgebildet. Durch Infrarot-Strahlung (Wärmestrahlung) werden Moleküle zu Bewegung (Schwingungen, Rotationen) angeregt. Bestimmte Bindungen in funktionellen chemischen Gruppen nehmen hierbei Strahlung bei definierten Wellenzahlen auf. Die Absorptionen der molekularen Bindungen in Molekülen wie Fetten, Proteinen oder Ribonukleinsäuren führen zu einem charakteristischen Gesamtspektrum, das den aktuellen Phänotyp der Zellen wiedergibt. Durch Standardisierung der Anzuchtbedingungen können für die Isolate reproduzierbare Spektren erzeugt werden, die - einem Fingerabdruck gleich - ein charakteristisches Muster für dieses Isolat wiedergeben.


Die Technik besticht durch ihren einfachen Arbeitsablauf und ihre große Geschwindigkeit. Diese Vorteile wurden am CVUA Stuttgart mit eigens entwickelten neuen Methoden für die Identifizierung der Bakterien-Arten erfolgreich genutzt. Die Leistungsfähigkeit der Methode zeigt sich auch in einer Reihe von aktuellen Veröffentlichungen (Rau et al., 2009; Kuhm et al., 2009, Spohr et al., 2010). Die FT-IR konnte daraufhin als praktikables und kostengünstiges Werkzeug in die Routine unserer Mikrobiologie integriert werden (Rau et al., 2010).

 

Unterstützt durch das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Ländlicher Raum (MLR) Baden-Württemberg konnte nun in einem aktuellen Forschungsprojekt der nächste Schritt gewagt werden. Nach der Identifizierung sollen nun Methoden insbesondere zur Feindifferenzierung von Mikroorganismen mittels FT-IR weiterentwickelt werden, die eine sehr schnelle Untersuchung auf Identität der bakteriellen Isolate ermöglichen. Dazu wurden IR-Spektren von Mikroorganismen aus aktuellen Ausbruchsgeschehen verglichen. Es wird dabei der epidemiologische Zusammenhang deutlich und ggf. auch die Aufklärung einer Infektionsquelle möglich.


Mit Hilfe der FT-IR konnte so ein Ausbruch einer als Pasteurellose bezeichneten Tierkrankheit nachverfolgt werden. Pasteurellen sind Verursacher mehrerer Tierkrankheiten. Einige besonders gefährliche Erregervarianten können bei Wild und Nutztieren schwere bis tödliche Erkrankungen verursachen und sehr schnell viele Tiere betreffen. Aus epidemiologischer Sicht ist es in solchen Fällen wichtig, die Verbreitung dieser Erregervariante nachzuvollziehen. Dazu muss diese Variante von anderen Pasteurellen möglichst schnell und zuverlässig unterschieden werden.


Die FT-IR konnte nun bei einem aktuellen Ausbruch einer Pasteurellose zeitnah zum Abgleich verschiedener Bakterienisolate eingesetzt werden, die von verschiedenen Tierarten stammten. Die Infrarotspektren verdeutlichen nach entsprechender mathematischer Aufarbeitung (unter anderem einer sogenannten Hauptkomponentenanalyse) die Zusammenhänge. In der Abbildung 1 sind die Spektren als Punkte in einem Koordinatensystem dargestellt. Hierbei liegen ähnliche Spektren entsprechend nah beieinander und bilden Punktwolken, die auch als Cluster bezeichnet werden. Im Idealfall entspricht ein solcher Cluster einem Bakterienstamm, der sich von anderen Clustern durch seine Dichte und Distanz abhebt.

 

 

Abbildung 1: Dreidimensionale Darstellung von Infrarotspektren nach Hauptkomponentenanalyse. Ähnliche Spektren liegen nahe beieinander und sind entsprechend des dazugehörigen Musters in der REP-PCR gefärbt. Die zum beschriebenen Fall gehörenden Datenpunkte sind in roter Farbe dargestellt. Dass gleiche Farben nahe beieinander liegen und zusammenhängende Cluster bilden weist auf die gute Übereinstimmung der beiden völlig unabhängigen Untersuchungsmethoden hin. Zudem ist eine feine Differenzierung zwischen Stämmen der gleichen Art möglich.

 

Zur Bestätigung der Ergebnisse der FT-IR wurde eine unabhängige Methode verwendet, die im Rahmen eines Projektes am CVUAS etabliert wurde: Die REP-PCR (Polymerasekettenreaktion von sich wiederholenden genetischen Elementen) ist eine molekularbiologische Methode, bei der aus dem Erbgut der Bakterien ein genetischer Fingerabdruck in Form eines Bandenmusters erzeugt wird. Unterschiedliche Muster bedeuten hier also unterschiedliche Stämme (oder Arten) von Bakterien (s. Abbildung 2).
 

 

Abbildung 2.

Abbildung 2: Agarosegel mit Produkten einer REP-PCR von verschiedenen Pasteurella Isolaten aus betroffenen Tierarten. Nicht unterscheidbare Muster haben gleiche Bezeichnungen (P01 bis P14) erhalten.

 

Die Zusammenführung beider Methoden hat gezeigt, dass die Ergebnisse der REP-PCR und der Infrarot-spektroskopie  widerspruchsfrei und stimmig zusammenpassen.
 

 

Auf diese Weise wurde sichtbar, dass im aktuellen Pasteurellose-Geschehen neben Wildtieren auch zeitgleich verschieden Nutztierarten betroffen waren. Diese Fälle konnten auch von anderen durch Pasteurella verursachten Erkrankungen im gleichen Gebiet eindeutig unterschieden werden.

 

So wurde gezeigt, dass die Infrarotspektroskopie nicht nur für die Identifikation von Mikroben, sondern auch für deren Identitätsnachweis ein passendes Werkzeug sein kann. Weitere Forschungen an aktuellen Fällen aus Verbraucherschutz und/oder Veterinärmedizin werden zeigen, ob die Technik bei anderen Bakterien ähnlich hilfreich ist.

 

Quellen

  • Rau, J., S. Horlacher, A. Kuhm (2010): Nacktscanner für Bakterien - Infrarotspektroskopie zur Identifizierung pathogener Mikroorganismen. DLR Spezial März: 17-19

     

  • Infrarotspektroskopie zum Nachweis von pathogenen Yersinia enterocolitica;
    Beitrag vom 22.09.2009; zum Artikel
    Kuhm, A., D. Sutter, R. Felleisen, J. Rau (2009): Identification of Yersinia enterocolitica on Species and Subspecies Level by Fourier Transform Infrared Spectroscopy. Appl. Environm. Microbiol. 75:  5809-5813

     

  • Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) beim Milchvieh - eine neue Herausforderung für die Eutergesundheit. Beitrag vom 29.07.2010; zum Artikel
    Spohr, M., J. Rau, A. Friedrich, G. Klittich, A. Fetsch, B. Guerra, J.A. Hammerl, B.-A. Tenhagen (2010):
    Methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) in three dairy herds in Southwest Germany; Zoon. Publ. Health (Published Online ahead of print, 11.07.2010)

     

  • Neue Wege zum Nachweis von pathogenen Bacillus cereus; Beitrag vom 19.01.2009; zum Artikel
    Rau, J., R. Perz, G. Klittich, M. Contzen (2009): Cereulidbildende präsumtive Bacillus cereus aus Lebensmitteln - Differenzierende Untersuchungen mittels kultureller Methoden, LC-MS/MS, PCR und Infrarotspektroskopie unter Berücksichtigung thermotoleranter Vertreter. Berl. Münch. Tierärztl. Wochenschr. 122: 25-36

     

  • Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt (2010): Informationen zur akuten Pasteurellose des Wildes und der Rinder (Hämorrhagische Septikämie). http://www.sachsen-anhalt.de/LPSA/index.php?id=pasteurella

 

Das Projekt Klärung epidemiologischer Zusammenhänge mittels FT-IR-Spektroskopie wird gefördert vom Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Ländlicher Raum (MLR) Baden-Württemberg Projektnr. 0329 E.

 

Bilder

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 04.03.2011