Alle Jahre wieder – Acrylamid in Lebkuchen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Rüdiger Weißhaar

 

Wie schon in den Vorjahren, wurden auch in der Vorweihnachtszeit 2015 am CVUA Stuttgart Lebkuchen wieder auf Acrylamid untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung von 34 Stichproben: Es gibt weiterhin große Schwankungen im Acrylamidgehalt. Die meisten Proben wiesen erfreulich niedrige Gehalte auf, der EU-Richtwert für Acrylamid wurde allerdings bei vier Lebkuchenproben überschritten.

 

Lebkuchen stehen schon seit Jahren weit oben auf der Hitliste der Acrylamid verdächtigen Lebensmittel. Sie enthalten reichliche Mengen an reduzierenden Zuckern (z.B. Glucose und Fructose aus Honig) und werden oft bei recht hohen Temperaturen gebacken, um den gewünschten Bräunungsgrad und das typische Aroma zu erhalten.


Ein wichtiger Grund für die hohen Gehalte an Acrylamid lag in der Vergangenheit auch in der Verwendung von Ammoniumsalzen (Hirschhornsalz, ABC-Trieb) als Backtriebmittel. Seitdem Industrie und das Bäckerhandwerk auf diese Stoffe weitgehend verzichten, findet man nur noch selten extrem hohe Acrylamidgehalte im Weihnachtsgebäck. Dies belegen auch die neuesten Untersuchungen des CVUA Stuttgart.


In der aktuellen Weihnachtssaison wurden insgesamt 34 Proben Lebkuchen und lebkuchenähnliche Erzeugnisse auf Acrylamid untersucht. In vier Lebkuchenproben wurde der aktuelle EU-Richtwert für Acrylamid, er liegt derzeit bei 1000 µg/kg, überschritten. Nur in jeder dritten Probe waren überhaupt messbare Gehalte an Ac-rylamid vorhanden. In allen anderen lag der Acrylamidgehalt unter der Bestimmungsgrenze, die je nach Probe zwischen 30 und 100 µg/kg beträgt.

 

Sechs der untersuchten Lebkuchen wiesen Gehalte über 500 µg/kg auf, d.h. über 50 % des Richtwertes. Alle diese Produkte sind Spezialitäten aus traditioneller handwerklicher Fertigung. Wenn man bedenkt, dass in dieser Produktgruppe noch vor einigen Jahren Acrylamidgehalte über 5000 µg/kg auftraten, sieht man, dass auch hier deutliche Fortschritte erreicht worden sind. In den letzten Jahren werden zudem auch vermehrt die weicheren, feuchteren Lebkuchensorten angeboten, die herstellungs- und rezepturbedingt deutlich niedrigere Acrylamidgehalte aufweisen, als trockenere, relativ harte Erzeugnisse.


Der höchste Gehalt an Acrylamid wurde in einer Probe Honiglebkuchen aus handwerklicher Fertigung festgestellt, er betrug 2960 µg/kg.


Beständig niedrig lagen die Gehalte dagegen bei gefüllten Erzeugnissen, da diese in der Regel besonders schonend gebacken werden.


Die Untersuchungen bleiben nicht ohne Konsequenzen. Zwar werden hohe Acrylamidgehalte nicht als Rechtsverstoß geahndet. Die betroffenen Herstellerbetriebe werden aber von der Lebensmittelüberwachung über die hohen Gehalte informiert und gleichzeitig kompetent beraten, wie in Zukunft die Belastung mit Acrylamid deutlich gesenkt werden kann.


Auch in der privaten Weihnachtsbäckerei kann man eine übermäßige Bildung von Acrylamid vermeiden, wenn man einige einfache Regeln einhält:


Tipps zur Vermeidung von Acrylamid beim Backen von Lebkuchen.

 

Infokasten

Acrylamid

Acrylamid bildet sich beim Erhitzen aus der Aminosäure Asparagin und reduzierenden Zuckern, wie Glucose oder Fructose, insbesondere an der (wasserarmen) Oberfläche von frittierten, gebackenen oder gerösteten Lebensmitteln wie Pommes frites, Kaffee oder trockenen Backwaren.

 

Auch über 10 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln ist man sich über die toxikologische Bewertung dieser Kontaminationen immer noch nicht einig: Einerseits gilt Acrylamid nach wie vor als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" andererseits haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten feststellen können.

 

Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt das "ALARA"-Prinzip (as low as reasonably achievable): Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist. Zu diesem Zweck gibt es in Deutschland seit 2002 das Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen "Signalwerten". Signalwerte sind keine rechtlich verbindlichen Höchstwerte, sondern Orientierungswerte, bei deren Überschreitung Lebensmittelüberwachung und Lebensmittelproduzenten gemeinsam nach den Ursachen und nach Strategien zur künftigen Verminderung der Acrylamidgehalte suchen. Im Januar 2011 wurden mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Untersuchung des Acrylamidgehalts von Lebensmitteln auf europäischer Ebene Richtwerte ("Indicative values") für viele Lebensmittelgruppen eingeführt, für die vorher in Deutschland nationale Signalwerte galten. Im November 2013 wurde die Liste der Richtwerte noch einmal erweitert, so dass inzwischen für alle relevanten Lebensmittelgruppen EU-Richtwerte vorhanden sind.

 

Weiterführende Informationen zum Thema Acrylamid finden sie hier.

 

Artikel erstmals erschienen am 11.12.2015