Gemüsechips aus dem Backofen – Wie lässt sich ein hoher Acrylamid-Gehalt vermeiden?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Carmen Breitling-Utzmann, Svenja Hankele

 

Die Untersuchungen des CVUA Stuttgart im Jahr 2017 zum beliebten Snack „Gemüsechips“ haben gezeigt, dass diese ebenso viel Salz und Fett enthalten, wie herkömmliche Kartoffelchips. Aber nicht nur das wurde festgestellt, auch die unerwünschte, herstellungsbedingte Kontaminante Acrylamid wurde in z. T. beträchtlichen Gehalten gefunden. Wie sieht es diesbezüglich nun bei Gemüsechips aus, die man leicht selbst im Backofen herstellen kann?

 

Gemüsechips aus dem Handel – Viel Fett, Salz und Acrylamid

Die bei Verbrauchern zunehmend beliebten Gemüsechips werden durch Frittieren oder Backen von dünnen Gemüsescheiben wie Rote Beete, Pastinaken, Süßkartoffeln oder Karotten hergestellt. Durch die Bezeichnung „Gemüse“ erwecken diese Produkte bei vielen Verbrauchern einen gesünderen Eindruck als die herkömmlichen Kartoffelchips, wie eine Umfrage von Stiftung Warentest ergeben hat [1]. Gemüsechips stehen aber den üblichen Kartoffelchips in Sachen Fett-, Salz- und Kaloriengehalt keineswegs nach und stellen somit mitnichten die gesündere Alternative zu Kartoffelchips dar, wie die Untersuchungen des CVUA Stuttgart im Jahr 2017 gezeigt hatten [2].

Auch wurde in den untersuchten Produkten die unerwünschte Prozesskontaminante Acrylamid des Öfteren in Mengen gefunden, die den neuen Richtwert für Kartoffelchips gemäß der Verordnung (EU) 2017/2158 (siehe Infokasten) deutlich überschreiten. Unsere bisherigen Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass die Bildung von Acrylamid während der Herstellung auch von der verwendeten Gemüsesorte abhängt.

 

Gemüsechips aus dem Backofen

Wie sieht es mit Gemüsechips aus, die im heimischen Backofen zubereitet werden? Entstehen hier auch größere Mengen an Acrylamid?

Rezepte zur Herstellung dieser knusprigen Produkte sind in vielen Zeitschriften und natürlich in riesiger Anzahl im Internet zu finden. Des Weiteren werden sie auch als Rezepttipp beim Gemüsehändler auf dem Wochenmarkt angepriesen. Wir haben etliche Rezepte hinsichtlich der empfohlenen Herstellungsbedingungen durchforstet. Dabei fiel auf, dass das Gros der Backanleitungen entweder eine längere Backzeit von ca. 50 min bei 140 °C Umluft bzw. eine kürzere Erhitzungsdauer von ca. 20 min bei 180 °C empfiehlt. Unsere Untersuchungen sollen zeigen, ob unter diesen Bedingungen auch schon bedenklich hohe Acrylamid-Gehalte entstehen.

 

Abb. 1: verschiedene Rezeptbeispiele zur Herstellung von Gemüsechips.

Abb. 1: verschiedene Rezeptbeispiele zur Herstellung von Gemüsechips.

 

Durchführung der Backversuche

Um die Acrylamid-Bildung in verschiedenen Gemüsesorten zu untersuchen, wurden rohe Süßkartoffeln, Karotten und Rote Beete mittels einer handelsüblichen Küchenmaschine in 1 bis 3 mm dicke Scheiben geschnitten und diese mit etwas Speiseöl und Salz versetzt. Die so vorbereiteten Gemüsescheiben wurden bei 140 °C Umluft 50 min lang gebacken. Für die Überprüfung des Einflusses von Temperatur und Backzeit wurden diese entsprechend variiert: 130 °C, 140 °C, 150 °C bzw. 40 min, 50 min und 60 min, sowie 20 min bei 180 °C. Damit der beim Backen gebildete Wasserdampf entweichen kann und die Chips knusprig werden, wurde – wie in den Rezepten empfohlen – ein Kochlöffel zwischen die Ofentür geklemmt.
Nach dem Backen wurden die selbst hergestellten Gemüsechips hinsichtlich ihres Aussehens, Geruchs und Geschmacks sensorisch beurteilt. Anschließend wurden die Produkte zerkleinert, extrahiert und die enthaltene Menge an Acrylamid mit einer bestehenden LC/MS-MS-Methode bestimmt.

 

Abb. 2: Im Ofen 50 min bei 140 °C gebackene Rote Bete-, Süßkartoffel- und Karottenchips. Fotos: Svenja Hankele, CVUA Stuttgart.

Abb. 2: Im Ofen 50 min bei 140 °C gebackene Rote Bete-, Süßkartoffel- und Karottenchips. Fotos: Svenja Hankele, CVUA Stuttgart.

 

Für Gemüsechips selbst gibt es bislang keinen Richtwert für Acrylamid. Da diese aber wie Kartoffelchips verzehrt werden, wurde als Bewertungsgrundlage für die gemessenen Acrylamid-Gehalte der neue Richtwert für Kartoffelchips aus der VO (EU) 2017/2158 verwendet. Dieser ist mit maximal 750 µg/kg festgelegt.

 

Ergebnisse der Backversuche

Wie schon fast erwartet, ist die Acrylamid-Bildung in Gemüsechips analog zu den herkömmlichen Kartoffelchips abhängig von der Höhe der Temperatur und der Länge der Backzeit. Einen entscheidenden Einfluss hat jedoch die verwendete Gemüsesorte.

Während bei Rote Beete Chips der neue Acrylamid-Richtwert für Kartoffelchips von 750 µg/kg erst bei einer Temperatur von 150 °C und einer Backzeit von 50 min überschritten wurde (siehe Tabelle 1), erzeugten bei Süßkartoffeln und Karotten die in den meisten Rezepten empfohlenen Backbedingungen von 50 min bei 140 °C Acrylamid-Gehalte weit über dem Richtwert. Dies wird u. a. dadurch bedingt, dass in Süßkartoffeln und Karotten wesentlich mehr reduzierende Zucker enthalten sind, als in herkömmlichen Kartoffeln oder Roter Beete.
Die bei 180 °C gebackenen Gemüsechips wiesen alle deutlich zu hohe Acrylamid-Gehalte im Vergleich zum Richtwert auf.

 

Der sensorische Eindruck kann auch täuschen. So waren zwar die mit einer Temperatur von 140 °C und höher gebackenen Karotten- und Süßkartoffelchips, in denen sich sehr viel Acrylamid gebildet hatte, zumeist auch sensorisch auffällig. Diese schmeckten dann schlichtweg verbrannt. Allerdings wiesen auch unsere geschmacklichen Favoriten sowohl bei den Rote Beete Chips als auch bei den Karotten Chips Acrylamid-Gehalte deutlich oberhalb des Richtwerts von 750 µg/kg auf (siehe Tabelle 1).

 

Tabelle 1: gemessene Acrylamid-Gehalte in µg/kg bei verschiedenen Backzeiten und Temperaturen (Zahl); die Farbe der oberen Zellenhälfte gibt den sensorischen Eindruck wieder
Temperatur,
Dauer
Rote Bete
Süßkartoffel
Karotte
130 °C
40 min
Geschmack
lecker
geschmacklicher Favorit
lecker
Acrylamid µg/kg
28,7
287
572
130 °C
50 min
Geschmack
lecker
Röstaromen überwiegen
geschmacklicher Favorit
Acrylamid µg/kg
32,7
573
931
130 °C
60 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
lecker
Acrylamid µg/kg
74,9
908
1360
140 °C
40 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
lecker
Acrylamid µg/kg
76,4
3250
2950
140 °C
50 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
Röstaromen überwiegen
Acrylamid µg/kg
252,4
4810
4060
140 °C
60 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
ungenießbar
Acrylamid µg/kg
605
4760
4410
150 °C
40 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
ungenießbar
Acrylamid µg/kg
432
6590
5180
150 °C
50 min
Geschmack
lecker
ungenießbar
ungenießbar
Acrylamid µg/kg
1060
8660
4930
150 °C
60 min
Geschmack
geschmacklicher Favorit
ungenießbar
ungenießbar
Acrylamid µg/kg
1220
8290
4210
180 °C
20 min
Geschmack
ungenießbar
ungenießbar
ungenießbar
Acrylamid  µg/kg
938
14200
11100

 

Tabelle 2: Erläuterung der Farbcodierung der Acrylamidwerte in Tabelle 1
Acrylamid >  10 % unter 750 µg/kg
Acrylamid > 10 % über 750 µg/kg

 

Verbrauchertipp – Wie kann ich zu viel Acrylamid in Gemüsechips vermeiden?

Nach derzeitigem Stand der Untersuchungen lassen sich durch Beachtung einiger weniger Zubereitungstipps gute Gemüsechips mit wenig Acrylamid selbst herstellen:

  • Temperatur und Backzeit der Gemüsesorte anpassen!
  • Rote Beete vertragen etwas mehr: hier passt die Empfehlung von 50 min bei 140 °C.
  • Etwas mehr Vorsicht bei Karotten und Süßkartoffeln: hier sollte bei niedrigeren Temperaturen und Zeiten gebacken werden (ca. 130 °C, ca. 30 bis 40 min).
  • Am besten zunächst mit niedrigeren Temperaturen und Backzeiten starten und zwischen drin probieren, ob das Produkt schon knusprig ist.
  • 180 °C sind auch bei kurzer Backzeit deutlich zu heiß!
  • Finger weg von zu dunklen und allzu röstig schmeckenden Gemüsechips!

 

Der schon von Pommes frites und Kartoffelchips bekannte Grundsatz hat sich bestätigt:

VERGOLDEN STATT VERKOHLEN!

 

Infokasten

Acrylamid

Acrylamid bildet sich beim Erhitzen aus der Aminosäure Asparagin und reduzierenden Zuckern, wie Glucose oder Fructose, insbesondere an der (wasserarmen) Oberfläche von frittierten, gebackenen oder gerösteten Lebensmitteln wie Pommes frites, Kaffee, verschiedenen Backwaren und Kartoffelchips.

Auch 15 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln ist man sich über die toxikologische Bewertung dieser Kontaminationen immer noch nicht einig: Einerseits gilt Acrylamid als genotoxisch und "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen", andererseits haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten nachweisen können.

Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt das "ALARA"-Prinzip (as low as reasonably achievable): Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist.

Seit dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln im Jahr 2002 wurden seitens der Behörden als auch der Lebensmittelhersteller zahlreiche Anstrengungen unternommen, um den Acrylamid-Gehalt in zubereiteten Lebensmitteln zu verringern (z. B. Acrylamide ToolBox von FoodDrinkEurope).

Im November 2017 wurde schließlich die Verordnung (EU) 2017/2158 zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamid-Gehalts in Lebensmitteln veröffentlicht. Diese legt Richtwerte für bestimmte Lebensmittelgruppen fest, z. B. für Pommes frites, Kartoffelchips, Kaffee und Säuglingsnahrung. Darüber hinaus werden Lebensmittelunternehmer dazu verpflichtet, konkrete Minimierungsmaßnahmen anzuwenden, um „die niedrigsten nach vernünftigen Ermessen erreichbaren Acrylamid-Gehalte unterhalb der in Anhang IV aufgeführten Richtwerte zu erreichen

Weiterführende Informationen zum Thema Acrylamid finden sie auch hier.

 

Quellen

[1] „Gesund ist anders“, Stiftung Warentest Heft 9/2017, S. 10

[2] „Gemüsechips – die gesunde Alternative zu Kartoffelchips?“, Internetbeitrag des CVUA Stuttgart vom 21.08.2017

 

Artikel erstmals erschienen am 04.04.2018