Farbige Servietten: Nicht immer für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet!

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Gabriele Steiner

 

Untersuchungen am CVUA Stuttgart zeigen, dass bunte Servietten häufig beim Kontakt mit Lebensmitteln abfärben. Auch sind im Papier zum Teil primäre aromatische Amine (PAA) nachweisbar, eine Stoffgruppe, die als gesundheitlich sehr problematisch gilt.

Servietten: Erzeugnisse mit langer Geschichte

Schmuckelement.Die Serviette hat schon eine lange Geschichte. Sie wurde im 16. Jahrhundert in adeligen Kreisen eingeführt und diente zumindest in dieser Zeit in erster Linie dazu, während des Essens die Kleider zu schützen und sich den Mund bzw. die Finger abzuwischen. Inzwischen hat sich der Einsatz von Servietten doch sehr gewandelt. Auch die Materialien sind vielfältiger geworden und insbesondere für den Einmalgebrauch haben Servietten aus Papier den klassischen Textilservietten den Rang abgelaufen. Gefärbte oder farbig bedruckte Servietten gehören inzwischen zum Essen wie das Salz in die Suppe. Nach „Knigge“ praktiziert man gute Tischmanieren dann, wenn Servietten nur dazu verwendet werden, um die Lippen abzutupfen, bevor man zum Weinglas greift, um am Rand des Glases keine Fett- oder Essensreste zu hinterlassen (www.knigge.de). Der Serviettenalltag sieht dagegen bedeutend vielfältiger aus: Denn neben dem Abtupfen der Lippen steht auch der Lebensmittelkontakt auf der Tagesordnung. Denn nach der allgemeinen Verkehrsauffassung ist davon auszugehen, dass Servietten z.B. als Deko-Unterlage beim Servieren bzw. zum Einwickeln von Lebensmitteln verwendet werden. Und dies sowohl Zuhause als auch im gewerblichen Bereich, z.B. in Bäckereien.

 

Welche Anforderungen gelten?

Das Material der Servietten muss sich für diese verschiedenen Verwendungszwecke eignen. Sowohl beim Abtupfen der Lippen als auch beim direkten Lebensmittelkontakt muss die Serviette in Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung sicher sein. Grundsätzlich gilt, dass keine Stoffe von der Serviette auf das Lebensmittel übergehen dürfen, die eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung bewirken oder eine Veränderung der organoleptischen Eigenschaften des Lebensmittels, z.B. durch Abfärben, herbeiführen. Zwar sind diese generellen Anforderungen in der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 - der sogenannten Rahmenverordnung für Lebensmittelbedarfsgegenstände - für alle EU-Mitgliedstaaten schon lange festgelegt. Doch sind - zumindest für bestimmte Materialien, wie z.B. Papier - noch keine spezifischen stofflichen Anforderungen in einer für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Rechtsvorschrift festgelegt. Für die Beurteilung derartiger Materialien werden daher die Empfehlungen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) herangezogen. Diese sind zwar keine Rechtsnormen, sie geben aber den derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik wider und beschreiben für die entsprechenden Materialien die Anforderungen zur Einhaltung der Regelungen der o.a. EG-Verordnung.

 

Servietten auf dem Prüfstand!

Gefärbte Servietten fallen immer wieder dadurch auf, dass diese bei Gebrauch abfärben. Daher wird getestet, ob dies auch in Kontakt mit Lebensmitteln geschieht. Außerdem wird bei der Testung von Servietten in der Regel auf das Vorhandensein von primären aromatischen Aminen (PAA) geprüft, weil es sich hier um gesundheitlich äußerst problematische, weil krebserregende Stoffe handelt, die nach den Vorgaben der BfR-Empfehlung nicht in Papier nachweisbar sein dürfen.

 

Wie sehen die Testergebnisse aus?

Farblässigkeit: ja oder nein?

Diagramm.In 2010 und 2011 wurden bisher insgesamt 41 Serviettenproben auf ihre Farblässigkeit untersucht. Erfreulich war, dass die Farben aller Proben gegenüber wässrigen Prüflebensmitteln (auch bei Verwendung von laugenhaltiger Lösung) ausblutecht waren. Etwas problematischer wird es aber dann, wenn mit Öl getestet wird, das als Prüfsimulanz für fetthaltige Lebensmitteln verwendet wird. Hier waren insgesamt 9 Serviettenproben auffällig: Zwei dieser Proben färbten schon nach 10 Minuten Kontaktzeit ab. Die anderen 8 Proben bluteten dagegen erst bei länger andauerndem Kontakt (24 h bzw. 4 h) aus. Bemerkenswert war allerdings, dass sich hier eine Verkürzung der Kontaktzeit von 24 h auf 4 h nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Mit anderen Worten: auch bei einer kürzeren Kontaktzeit als 24 h waren diese Servietten nicht ausblut- bzw. farbecht und entsprachen somit nicht den rechtlichen Anforderungen.

 

PAA-Alarm in Servietten?

Die dekorative Farbigkeit von Servietten wird u.a. auch durch den Einsatz sogenannter Azofarbstoffe erzielt, die eine besondere Farbbrillanz aufweisen. Der Nachteil derartiger Farbstoffe liegt darin, dass diese leicht zersetzt werden und dabei evtl. primäre aromatische Amine (PAA) abspalten oder letztere als Rückstand bei der Pigmentproduktion enthalten können. PAA können im fertigen Papier aus Farbstoffen aber auch aus anderen Hilfsstoffen (z.B. Leimstoffe), die bei der Herstellung verwendet werden, entstehen. Und schließlich wird auch die Verwendung von Papierrecyclaten als eine mögliche Quelle für die Kontamination mit PAA angenommen. Insofern sind die möglichen Eintragswege vielfältig.

 

In 2010 und 2011 wurden bisher insgesamt 26 Serviettenproben auf die Abgabe von PAA untersucht. Dabei wurde mittels eines photometrischen Verfahrens die Summe der PAA im Kaltwasserextrakt der Serviettenproben ermittelt.

Die Ergebnisse zeigen, dass nur bei 12 % der Proben die PAA-Abgabe kleiner als 2 µg pro Liter Kaltwasserextrakt war und damit unterhalb der Nachweisgrenze der Testmethode lag. Bei 50 % der untersuchten Serviettenproben lag die Summe der PAA zwischen 2 und 10 µg pro Liter und bei 38 % zum Teil weit über 10 µg pro Liter Wasserextrakt. Die erhaltenen Testbefunde und insbesondere die ermittelten PAA-Abgaben von größer 10 µg pro Liter Wasserextrakt wurden als Anhaltspunkt gewertet, dass mittels einer spezifischen Methode nach gesundheitlich problematischen PAA gefahndet werden muss. Die Überwachungsbehörde hat daher die Hersteller dieser Erzeugnisse aufgefordert, das Herstellungsverfahren unter die Lupe zu nehmen, um das Vorhandensein krebserregender PAA grundsätzlich auszuschließen. Geeignete und spezifische Untersuchungen wurden als Beleg für das erfolgreiche Qualitätsmanagement des Herstellers gefordert.

 

Diagramm.

 

Unsere Untersuchungen zeigen Wirkung!

Zumindest hat ein Hersteller von Servietten, die über eine Großhandelskette in 2010 vertrieben worden waren und bei denen eine PAA-Abgabe von größer als 20 µg pro Liter Wasserextrakt festgestellt wurde, reagiert. Die Serviettenproben aus der für das Frühjahr 2011 bestimmten Aktionsware waren unauffällig. Dies belegt, dass die Herstellung PAA-freier, farbiger Servietten technisch möglich ist.

 

Weitere Informationen

Schmuckelement.Warum wird auf primäre aromatische Amine (PAA) untersucht?

Bei PAA handelt es um eine Stoffgruppe mit großer gesundheitlicher Relevanz. Denn zu dieser Stoffgruppe gehören auch Verbindungen, die schon in kleinen Mengen als krebserregend gelten. Daher ist die Anforderung an Papiere/Pappen/Kartons mit Lebensmittelkontakt und natürlich auch an Servietten, dass derartige Verbindungen im Wasserextrakt dieser Erzeugnisse nach den Anforderungen der Empfehlung XXXVI des BfR nicht nachweisbar sein dürfen. Die Nachweisgrenze ist bisher offiziell nicht festgelegt, daher wird zur Beurteilung der Testbefunde die hauseigene Nachweisgrenze herangezogen.

 

Ausbluttest: Wie wird geprüft?

Die Prüfung soll entsprechend DIN EN 646 durchgeführt werden. Dieses Testverfahren wurde wiederum 1 : 1 in die Amtliche Sammlung der Untersuchungsverfahren nach § 64 LFGB aufgenommen. Allerdings wurden bei dieser Umsetzung auch die Ungereimtheiten der DIN EN 646 übernommen. Demnach ist die Testung mit einem alkalischen Prüflebensmittel, das z.B. Laugengebäck simuliert, nicht mehr vorgesehen. Die für Serviette genannte Testzeit von nur 10 Minuten liefert nur für die Anwendung „Mund abtupfen“ eine Aussage und lässt keinerlei Beurteilung zu, ob Servietten auch dem länger andauerndem Kontakt mit Lebensmitteln standhalten und auch unter diesen Bedingungen keine Farbe abgeben.

 

Aufgrund dieser teils unpraktikablen Prüfvorschriften weicht das CVUA Stuttgart von den Vorgaben der DIN EN 646 und damit von der entsprechenden § 64-Methode ab und passt die Testbedingungen an reale Bedingungen an: Bei der Durchführung des Ausbluttestes wird daher die Kontaktdauer auf bis zu einen Tag erhöht. Zudem wird weiterhin die Prüfflüssigkeit Natriumcarbonat-Lösung verwendet, die ein alkalisches Lebensmittel wie z.B. die Laugenbrezel, die inzwischen nicht nur im süddeutschen Raum sondern in der ganzen Welt angeboten wird.

 

Bilder:

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 22.06.2011