Chlorat-Rückstände in Karotten: eine Spur führt zur Nacherntebehandlung mit gechlortem Wasser

Dr. Ingrid Kaufmann-Horlacher, Dr. Diana Ströher-Kolberg, Cristin Wildgrube, Giovanna Cerchia

 

Schmuckelement.

 

Auf der Suche nach möglichen Ursachen für die in pflanzlichen Lebensmitteln gefundenen Chlorat-Rückstände hat sich ein möglicher Eintragspfad aufgezeigt. Bei der Untersuchung von Obst- und Gemüse auf Chlorat-Rückstände fielen uns im Zuge eines Monitoring-Programms zubereitete Mohrrüben eines Herstellers in den USA mit Chlorat-Rückständen bis zu 0,54 mg/kg auf. Der Hersteller gab in einer ersten Stellungnahme an, keine chlorhaltigen Pflanzenschutzmittel zu verwenden und verwies als mögliche Ursache für die Chlorat-Befunde auf das von ihm angewendete Hydro-Cooling-Verfahren, bei dem gechlortes Wasser verwendet wurde. Bei der Chlorierung von Wasser kann Chlorat als Nebenprodukt entstehen. Das mit gechlortem Wasser behandelte Lebensmittel kann so mit Chlorat kontaminiert werden.

 

„Hydrocooling“ mit chlorhaltigem Wasser

"Hydrocooling" ist ein Nachernteverfahren, mit dem frisch geerntetes und evtl. zubereitetes Gemüse/Obst mittels Eiswasser schnell auf Temperaturen unter 10 °C heruntergekühlt wird, um die Haltbarkeit zur verlängern und Feuchtigkeitsverluste zu minimieren.
Um die Belastung des Lebensmittels mit Mikroorganismen während und nach der Behandlung zu reduzieren, wird das Kühlwasser u.U. je nach Verfahren, Anwender oder Kühlgut auch mit Chlor bzw. Natrium- oder Calciumhypochlorit versetzt, wodurch pathogene Keime und Verderbniserreger abgetötet werden.


In den USA sind Nacherntebehandlungen mit gechlortem Wasser zulässig1). Ausgehend von allgemein zugänglichen Informationen zum Hydrocooling-Verfahren werden in diesen Anlagen bei Einsatz von Chlor bzw. Chlorverbindungen konstante Chlorkonzentrationen im Kühlwasser eingestellt. Nach Angaben des Herstellers aus den USA wurden die Chlorkonzentration und das Redoxpotential durch täglich mehrmalige Messungen überwacht. Die Chlorat-Konzentration im Hydrocooler-Wasser wurde offensichtlich nicht gemessen.  

 

Bei der Behandlung von Wasser mit Chlor und bei Verwendung von Chlorbleichlauge (Natrium- bzw. Calciumhypochlorit-Lösung) kann Chlorat als Nebenprodukt entstehen. Die Bildung von Chlorat als Nebenprodukt ist abhängig vor allem vom pH-Wert, von der Wassertemperatur, der Anwendungsdauer und auch von der organischen Belastung des Wassers. Da bei hoher organischer Belastung der Chlorbedarf erhöht ist, steigt auch der Gehalt an Chlorat an. Wird während der Behandlung der Lebensmittel im Hydrocooler nur die Chlorkonzentration überwacht, so kann sich vom Anwender unbemerkt, insbesondere bei kontinuierlicher Nachchlorierung des Wassers, die Chlorat-Konzentration stark erhöhen und so zu erhöhten Chlorat-Rückständen im Lebensmittel führen.

 

Abbildung 2: Chlorat-Gehalte von zubereiteten Karotten verschiedener Hersteller/Herkunft.

Abbildung 2: Chlorat-Gehalte von zubereiteten Karotten verschiedener Hersteller/Herkunft

 

Unsere bisherigen Untersuchungsergebnisse

Insgesamt wurden 13 zubereitete Karotten in Fertigpackungen aus dem Kühlregal auf Chlorat-Rückstände untersucht. Davon stammten 8 Proben aus den USA und 4 Proben aus den Niederlanden, eine Probe war unbekannter Herkunft. Alle aus den USA stammenden zubereiteten Karotten enthielten Chlorat-Rückstände. Eine dieser Proben wies den höchsten Chlorat-Rückstand mit 0,54 mg/kg auf (siehe auch Abbildung 2). Weitere 4 Proben aus den USA, die unter dem Namen des Importeurs in den Verkehr gebracht wurden, wiesen Chlorat-Rückstände zwischen 0,036 und 0,071 mg/kg auf. Im gleichen Zeitraum wie die zubereiteten Karotten wurden auch insgesamt 16 frische Karotten aus dem Handel auf Chlorat-Rückstände untersucht. In allen diesen Proben lagen die Chlorat-Rückstände unterhalb der Bestimmungsgrenze von 0,01 mg/kg.

Infokasten

Rückstandshöchstgehalte

Chlorate sind herbizid wirksame Stoffe. Natriumchlorat war z.B. in Deutschland bis 1992 als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zugelassen. Seit dem 10. Mai 2010 ist in den Ländern der EU die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Chlorat verboten.


In der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 sind Pflanzenschutzmittelrückstände definiert als "Rückstände, auch von derzeit oder früher in Pflanzenschutzmitteln (....) verwendeten Wirkstoffen und ihren Stoffwechsel- und/oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukten, die in oder auf den unter Anhang I dieser Verordnung fallenden Erzeugnissen vorhanden sind, darunter auch insbesondere die Rückstände, die von der Verwendung im Pflanzenschutz, in der Veterinärmedizin und als Biozidprodukt herrühren können."


Von dieser Definition werden folglich alle Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen erfasst, unabhängig von der Ursache, d.h. auch dann, wenn sie auf anderen Eintragspfaden als durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in das Lebensmittel gelangen.


Für Chlorate sind keine spezifischen Rückstandshöchstgehalte festgelegt. Als Höchstgehalt gilt dann der allgemeine Standardgrenzwert von 0,01 mg/kg (Artikel 18 Abs. 1 b der o.g. Verordnung). Lebensmittel, deren Chlorat-Gehalte gesichert über diesem allgemeinen Höchstgehalt liegen, dürfen nach dem deutschen Lebensmittelgesetz (LFGB) nicht in den Verkehr gebracht werden.

 

Handlungsbedarf gegeben:

Rückstände von Chlorat in Karotten sind, zumindest in höheren Gehalten gesundheitlich nicht unbedenklich. Drei Proben mit Gehalten von 0,24 mg/kg, 0,28 mg/kg und 0,54 mg/kg sind als "nicht zum Verzehr geeignet" und damit als "nicht sicheres Lebensmittel" im Sinne der europäischen Basisverordnung zum Lebensmittelrecht (Art. 14 der VO (EG) 178/2002) zu beurteilen.
Eine ausführliche Darstellung der Problematik von Chlorat-Rückständen findet sich in unserem Internetbeitrag vom 10.03.20142)

 

Analytik

Siehe: http://www.eurl-pesticides.eu/library/docs/srm/meth_QuPPe.pdf

 

1)Guidance for Industry: Guide to Minimize Microbial Food Safety Hazards for Fresh Fruits and Vegetables

2) Herkunft unbekannt: Rückstände von Chlorat in pflanzlichen Lebensmitteln

 

Bildernachweis

Zubereitete Karotten: Andrea Karst, CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 10.03.2014