Untypisches Verhalten bei einem scheinbar mit Krebsgeschwulsten? übersäten Dachs - Ein Fallbericht

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Birgit Blazey (CVUA Stuttgart), Dr. Ernst Grossmann (STUA Aulendorf - Diagnostikzentrum -)

 

Ein erwachsener weiblicher ca. 7 kg schwerer Dachs war am gesamten Körper mit Krebsgeschwulsten? in der Haut übersät, und wurde daraufhin erlegt. Bei der Untersuchung am CVUA Stuttgart konnte eine Histoplasmose diagnostiziert werden.

Schmuckelement.

 

Vorbericht

Der Dachs fiel Spaziergängern wegen eines nicht näher erläuterten untypischen Verhaltens auf. Besonders auffällig war bei näherer Betrachtung auch das Aussehen, denn das Tier zeigte massenhaft beige, krebsartige Umfangsvermehrungen in der Haut.

 

Pathologisch-anatomischer und Histologischer Befund

Neben dem hochgradigen Befall mit Läusen, Haarlingen und Zecken (Ektoparasiten) fanden sich massenhaft rosabeige, haarlose, derbe, bis walnussgroße Knoten in der Haut, die über der Unterhaut verschieblich war. Die Lymphknoten waren geschwollen und hellbraun, die Milz mittelgradig pulpös geschwollen. Der Dachs zeigte vermutlich aufgrund der Irritation durch die Ektoparasiten ein sonderliches Verhalten.


Die feingewebliche (histologische) Untersuchung der Hautknoten ergab eine hochgradige Infiltration mit Makrophagen. In deren Zytoplasma befanden sich massenhaft ovale, dunkeleosinophile, 2-3 mm große Körperchen, die von einem ungefärbten Halo umgeben waren. Sie reagierten sowohl in der PAS- also auch in der Grocott-Färbung deutlich positiv. Dieses Färbeverhalten findet man bei Hefen bzw. Pilzen. Aufgrund der histologischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass der Dachs an einer durch Histoplasma capsulatum verursachten Histoplasmose litt.

 

Erreger, Definition der Krankheit, Vorkommen

Bei der Histoplasmose handelt es sich um Infektionen mit dem Hefepilz Histoplasma capsulatum, der in zwei Formen vorkommt: in der Umwelt bei ca. 25°C als saprophytische Mycelform (Pilzfäden) und im Wirtsorganismus bei Temperaturen über 35°C als teilungsfähige Hefeform. Histoplasma wird deshalb auch als dimorpher Pilz bezeichnet.


Für Infektionen besonders empfänglich sind Hunde, aber auch der Mensch, die sich gleichermaßen über die Atemwege oder Wunden durch Aufnahme von Pilzsporen (sog. Mikrokonidien als Pilzdauerformen) oder Myzelfragmente infizieren können. Eine gegenseitige Erregerübertragung spielt weder beim Tier noch beim Mensch eine Rolle.


Bei Hunden und Menschen tritt die Histoplasmose insgesamt sporadisch auf. Bisweilen sind auch Katzen, Pferde und wildlebenden Nager befallen. Fledermäuse erkranken nicht, scheiden diesen Erreger aber oft mit dem Kot aus. In Vögeln kann sich die Hefe aufgrund der höheren Körpertemperatur nicht vermehren, so dass diese nur als Vektortiere gelten. Fledermäuse und Vögel fördern hierdurch das Überleben und Wachstum des Erregers in enzootischen Gebieten.


In den anderen Untersuchungsämtern des Landes wurden laut persönlicher Mitteilung bereits mehrere Dachse mit Histoplasmose zur Untersuchung abgegeben. In gemäßigten und tropischen Klima ist die Hefenart besonders entlang der Täler großer Flüsse verbreitet und dort insbesondere in Böden, die mit Tierexkrementen (z.B. von Vögeln oder Fledermäusen) angereichert sind.

 

 

2 Fotos: Dachs mit Zubildungen.

Abb. 1 (links): bis wahlnussgroße Zubildungen in der Haut des Kopfes, Dachs

Abb. 2 (rechts): Zubildungen an der Pfote mit zentralem Ulkus, Dachs

 

Pathogenese und pathologisch-anatomisches Bild

Eine Infektion mit dem obligat pathogenen Pilz erfolgt in der Regel durch Inhalation von sporenhaltigem Staub, nach oraler Aufnahme oder durch Eindringen des Erregers über kleine Wunden. Histoplasma capsulatum ruft eine ausgeprägte Proliferation des Monozyten-Makrophagen-Systems in einer Vielzahl von Organen wie z.B. Lymphknoten, Milz, Lunge, Leber und Darm hervor. Es entwickelt sich primär eine Lungenform oder eine Allgemeininfektion (disseminierte Form) mit ausgeprägter Milz- und Lebervergrößerung (Spleno- und Hepatomegalie). Die Vermehrung des Erregers erfolgt als Hefeform in den Makrophagen mit dem Resultat einer granulomatösen Entzündung mit Gewebenekrosen. Nach lymphogener oder hämatogener Streuung infizierter Zellen z.B. aus der Lunge können auch in der Leber zahlreiche Entzündungsherde (multifokale Granulome) auftreten, in denen deutlich die Hefen nachgewiesen werden können.


Histoplasma capsulatum kann bei Hunden nach oraler Aufnahme auch eine granulomatöse Gastritis und / oder Enteritis hervorrufen, wobei die regionären Lymphknoten meist mitbetroffen sind. Eine zunehmende Abmagerung ist hierbei die Folge.


Selten treten auch in der Niere Entzündungen in Form einer granulomatösen Nephritis auf. Eine befallene Milz kann durch die Zellproliferation um ein Vielfaches vergrößert sein (nicht verkäsende disseminierte granulomatöse Entzündung in der roten Pulpa). Haut- und Unterhautinfektionen können im Rahmen einer systemischen Erkrankung auftreten, aber auch nach direkter Infektion über Wunden.

 

3 Fotos: Granulom der Haut.

Abb. 3 (links): Unterhaut mit Granulomen und Lymphknoten

Abb. 4 (mitte): Granulom der Haut, Hämatoxylin-Eosin-Färbung

Abb. 5 (rechts): Granulom der Haut mit Darstellung der Hefezellen, PAS- Färbung

 

3 Fotos: Granulom der Haut.

Abb. 6 (links): Granulom der Haut mit Darstellung der zahlreichen Hefezellen, Grocott-Färbung

Abb. 7 (mitte): Granulom der Haut mit Darstellung der Hefezellen, Grocott-Färbung

Abb. 8 (rechts): Granulom der Haut mit Darstellung der Hefezellen, Grocott-Färbung

 

Erkrankung beim Menschen

Die Histoplasmose beim Menschen ist in Süd-, Mittel- und Teilen Nordamerikas, Indonesien und Afrika verbreitet. Fälle in Westeuropa sind die Ausnahme.


Die meisten Infektionen des Menschen verlaufen symptomlos. Kommt es zu einer Erkrankung, beginnen die Symptome 5 - 18 Tage nach Infektion. Auch beim Menschen treten vor allem bei der sog. amerikanischen Form primär in der Lunge einzelne oder multiple, bis zu erbsengroße Knoten mit zentraler Nekrose auf. In den meisten Fällen heilen die Herde unter Zurücklassung verkalkter Herde in Lunge und Lymphknoten aus. Bei der akuten Lungenerkrankung haben die Betroffenen ein reduziertes Allgemeinbefinden, Fieber, Brust-, Kopf- und Muskelschmerzen und einen trockenen Husten. Bei der chronischen Form ist pathologisch-anatomisch - und in schweren Fällen auch klinisch - differentialdiagnostisch insbesondere an die Tuberkulose zu denken. Bei einer afrikanischen Variante treten Granulome in der Haut auf.


Neugeborene, Kleinkinder und ältere Personen haben vor allem wenn sie bereits an einer chronischen Lungenerkrankung leiden, ein erhöhtes Risiko, an einer schweren Form der Histoplasmose zu erkranken. Selten tritt eine Generalisierung der Infektion auf, bei der Schleimhäute, Leber, Milz, Lymphknoten, Nebennieren und die Meningen betroffen sind. Insbesondere an Krebs erkrankte oder abwehrgeschwächte Menschen (z.B. Aids) zeigen schwere, lebensbedrohende Krankheitsbilder. Die Erreger beider Erkrankungsvarianten breiten sich hierbei über die Blutbahn auf den gesamten Organismus aus (Systemmykose).


Zur Infektionsvermeidung kommt der Hygiene eine besondere Bedeutung zu, da eine Bekämpfung  nicht möglich ist. Der Erreger kommt in schwer auszumachenden ökologischen Nischen vor, kann sich in der Umwelt vermehren und hat zudem eine hohe Wiederstandskraft gegenüber äußeren Einflüssen.


Die Therapie der Histoplasmose ist schwierig.  Oft ist eine Kombination von Antimykotika (Pilzmittel) und eine operative Entfernung der Granulome notwendig. Bei der disseminierten Form führt eine ausbleibende Therapie zu fatalen Krankheitsverläufen.

 

Ausblick

Der Dachs hat sich vermutlich über Hautläsionen beim Stöbern im Untergehölz infiziert. Die Lymphknoten waren vermutlich gleichfalls infiziert, sind aber histologisch nicht untersucht worden. Nach Literaturangaben besteht  aufgrund von Kontakt mit derartig erkrankten Tieren keine Infektionsgefahr. Infektiös ist die Myzel- und Sporenform in der Umwelt, deren Vorkommen allerdings durch Histoplasma-ausscheidende Tiere bestimmt wird und dadurch erheblich zunehmen kann. Wichtig ist deshalb in Verbreitungsgebieten (Endemiegebieten) von Histoplasma capsulatum besonders auf Hygiene zu achten.

 

Literatur:

  • McGavin, Zachary: Pathologie der Haustiere. Allgemeine, spezielle und funktionelle Veterinärpathologie. Urban & Fischer Verlag, München, 2009.
  • Rolle, M.; Mayr, A.: Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre, Enke Verlag, 8. Auflage, 2007.
  • Sandritter, W.; Thomas, C.: Histopathologie. Lehrbuch und Atlas für die Kurse der allgemeinen und speziellen Pathologie. Schattauer. 9. Auflage, 1983.
  • http://www.ccohs.ca/oshanswers/diseases/histopla.html

 

Bildernachweis

Meister Grimmbart 2, Templermeister, Pixelio.de, Image-ID=437298.

Seltene Gelegenheit, Templermeister, Pixelio.de, Image-ID=315930.

Mal ganz nah, Templermeister, Pixelio.de, Image-ID=447043.

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 28.12.2010