Staupe-Epidemie im Landkreis Esslingen beim Fuchs

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Christine Süß-Dombrowski (Fachtierärztin für Pathologie)

 

Schmuckelement.Bei Füchsen aus dem Kreis Esslingen konnten als Krankheits- und Todesursache das Virus der Staupe, das Canine Distemper Virus nachgewiesen werden. Staupe ist auch eine gefürchtete Erkrankung des Haushundes. Viele Jahrzehnte schien sie nur noch ein Problem aus dem Südosten importierter Hunde-Welpen zu sein, die nicht ausreichend geimpft waren. Nun rückt die Staupe durch das Massensterben von Füchsen wieder bedrohlich an unsere Haushunde heran.

 

 

Was war vorgefallen?

Zahlreiche Füchse wurden in den vergangenen Wochen überwiegend im Landkreis Esslingen (Bissingen-Teck, Ohmden, Owen, Lenningen) tot oder krank aufgefunden. Allein in Frickenhausen wurden 14 Füchse über das ganze Revier verteilt, zum Teil auch innerhalb von Ortschaften, entdeckt. Einige der toten oder krank erlegten Füchse wurden uns von aufmerksamen Jägern zur Untersuchung gebracht. Zum Teil berichteten sie, dass die Füchse an Atemnot gelitten haben, gehustet oder gewürgt haben und nicht mehr flüchten konnten. Sie wurden daher erlegt und zur Untersuchung an das CVUA Stuttgart zur Feststellung der Erkrankungsursache gebracht.

 

Sektions- und Untersuchungsergebnisse

Bei den betroffenen Füchsen fielen uns der überwiegend gute Ernährungszustand und das Alter der Füchse auf. Die meisten Füchse waren auf Grund äußerer Merkmale und ihres Gebisses jung erwachsen und vermutlich im Vorjahr geboren worden. Bei der Sektion zeigten sie makroskopisch nur leichte Lungenveränderungen und manche einen stark verdickten Herzmuskel (hypertrophe Kardiomyopathie). Auffallend war das Fehlen krankhafter Befunde an den Kopfschleimhäuten, wie dies bei einer Staupe der Junghunde zu erwarten wäre. Bei all diesen Füchsen konnten wir eine Lungenentzündung (interstitielle Pneumonie) mit Anzeichen von Asthma (Hypertrophie der Myothelien) feststellen. Gehirn oder Lunge von 6 Füchsen und eines Daches aus Münsingen wurden zur Untersuchung auf das Canine Distemper Virus (CDV) an das CVUA Freiburg weitergeleitet. Bei den Untersuchungen mittels Polimerasekettenreaktion (PCR) konnte das CDV nachgewiesen werden.

 

Foto von der Lunge.

Fuchs, Lungenentzündung

 

Bei einem Fuchs fielen im Darm bei der Sektion eingesunkene Lymphplatten (Peyersche Plaques) auf. Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung der Darmschleimhaut konnten Paramyxoviren gefunden werden, also das Canine Staupe Virus, jedoch keine Parvoviren.

 

Elektronenmikroskopisches Foto.

Elektronenmikroskopische Untersuchung: Fuchs, Darmschleimhaut, Paramyxoviren

 

Infokasten

Staupe, Canine Distemper, Maladie de Carré

Die Staupe ist eine hoch ansteckende Virusinfektion der Hunde. Sie wird hervorgerufen durch das canine Distemper Virus (CDV), ein Paramyxovirus. Empfänglich sind Caniden (Hund, Fuchs, Wolf) und marderartige Tiere (Nerz, Frettchen, Dachs), sowie der Waschbär und einige bei uns nicht heimische andere Wildtierarten (z.B. Panda, Hyäne et.). Menschen sind nicht empfänglich.


Das CDV ist hat eine hohe Affinität zu Lunge, Magendarmkanal, Urogenitalapparat, Zentralem Nervensystem einschließlich Auge und der Haut. Diese Organe werden durch das Virus geschädigt. Ihr Funktionsausfall kennzeichnet das klinische Krankheitsbild. Die Infektion mit dem CDV kann akut mit hohem Fieber zum Tod führen oder trotz Erkrankung wieder zur vollständigen Genesung mit einer schützenden Immunität. In ca. einem Drittel der Fälle kommt es zu einem subakuten bis chronischem Verlauf mit schweren Schäden am Nervensystem (Demyelinisierungsencephalitis). Die neurologischen Symptome sind Krämpfe, Zittern (Tremor) Bewegungsstörungen, Kreisbewegungen, Berührungsempfindlichkeit (Hyperästhesie), Lähmungen (Paresen und Paralysen) und Blindheit. Die Schwere des Krankheitsverlaufes ist abhängig vom den krankmachenden Eigenschaften des jeweiligen kursierenden Virusstammes (Virulenz) und von der Immunitätslage des infizierten Tieres.


Die Impfung mit Wiederholungen nach Angaben des Impfstoffherstellers schützt Hunde und Frettchen wirkungsvoll vor der Erkrankung an Staupe. In einer frühen Infektionsphase kann durch Applikation eines Hochimmunserums eine Behandlung versucht werden.

Das Seehundstaupe-Virus, Phocine Distemper Virus PDV, ist mit dem Virus der Hundestaupe verwandt, verursacht jedoch eine eigenständige Krankheit und ist für den Hund nicht gefährlich.

 

Welche Bedeutung hat die Fuchsstaupe?

In mehreren Regionen Deutschlands, z.B. im Bodenseekreis, in Sachsen-Anhalt, Ostwestfalen, aber auch in Norditalien wurde bei Füchsen das Staupevirus bereits nachgewiesen. Nun auch im Kreis Esslingen.
Hier wie andernorts konnte sich der Rotfuchs unter idealen Lebensbedingungen kräftig vermehren. Ein Grund dafür ist die erfolgreiche Bekämpfung der Tollwut. Diese, auch für den Menschen äußerst bedrohliche Krankheit, wurde durch flächendeckende orale Immunisierung der Füchse so weit zurückgedrängt, dass Deutschland seit Jahren den Status „tollwutfrei“ genießt. Noch vor 20 Jahren hat die Tollwut auch durch intensive Bejagung zu einer Begrenzung der Fuchspopulation geführt.


Natürliche Feinde oder echte Nahrungskonkurrenten hat der Fuchs bei uns nicht. Der Tisch ist für ihn reich gedeckt. Beutetiere wie Mäuse und Wildkaninchen sind im freien Feld und sonstiges Futter auch in der Nähe von Siedlungen reichlich vorhanden. Hauskaninchen oder Hühner mit Freilauf im Gehege werden Füchsen des Nachts „auf dem Silbertablett“ angeboten. Auch Fallobst, Speisereste aus Mülltonnen oder vom Straßenrand verschmäht der Fuchs nicht. Doch noch bevor die Nahrungsmenge zum limitierenden Faktor für die Fuchspopulation werden konnte, werden sie jetzt von der Staupe dezimiert. Besonders betroffen sind die jungen, noch nicht immunen Füchse, obwohl sie sich in gutem Ernährungszustand befinden. Diejenigen, die die Infektion überstehen, werden dafür sorgen, dass sie nicht aussterben und sich die Population wieder erholen wird.

 

Welche Bedeutung die seuchenhafte Fuchsstaupe für die anderen empfänglichen Tierarten hat, ist uns noch nicht bekannt. Hier hoffen wir auf die Mitarbeit der Jäger und der Bevölkerung. Krank erlegte oder tot aufgefundene hunde- und marderartige Tiere, außer dem Fuchs auch z. B. Marder, Iltis, Waschbär, Dachs, sollten zur Untersuchung in ein Staatliches Veterinäruntersuchungsamt gebracht werden.

 

Eine noch nicht genau einzuschätzende Gefahr besteht allerdings für unsere Haushunde und ganz besonders für Jagdhunde bei Kontakt zu Füchsen. Daher raten wir jedem Besitzer seinen Hund ausreichend grundimmunisieren zu lassen und die Wiederholungsimpfungen nicht zu versäumen.


Wer einen kranken oder toten Fuchs findet, sollte den Revierinhaber oder die örtlichen Jäger verständigen.

Wie immer gilt für alle Laien: Weder lebende noch tote Wildtiere anfassen!

 

Bildernachweis

Reineke Fuchs, Anguane, Pixelio.de, Image-ID=189653,

Foto Lunge, Paramyxovirus: CVUA Stuttgart,

 

Literatur

D. McGavin, J. Zachary: Pathologie der Haustiere (2009)
M. Rolle, A. Mayer (H-J. Selbitz, U. Truyen, P. Valentin-Weigand): Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre (20011)
W. Lutz: Fallwildbericht, Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung Jagdjahr 2012/2013

 

Artikel erstmals erschienen am 19.11.2013