Arcanobacterium wilhelmae – ein Bakterium benannt nach der Wilhelma, dem Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Jörg Rau (CVUAS), Reinhard Sting (CVUAS), Tobias Knauf-Witzens (Wilhelma)

 

Erfolgreiche Zusammenarbeit der Tierärzte der Wilhelma mit den mikrobiologischen Experten des CVUA Stuttgart, die Universitäten Gießen, Hannover und Wien zur Erstbeschreibung einer neuen Bakterienart aus einem Panzernashorn

Schmuckelement.

Abb. 1: Titelblatt des Wilhelma Magazin vom

Frühjahr 2015 mit dem Panzernashorn-Kalb SAVITA [4]

Die Wilhelma ist einer der bekanntesten Zoologischen Gärten in Deutschland. Zur Haltung der Zootiere werden große Anstrengungen unternommen, die ein tierärztliches Programm zur Bestandsbetreuung einschließt. Zu den Aufgaben der Mitarbeiter der Wilhelma gehört es aber auch, das Wissen über Tiere und Pflanzen zu mehren. So sind für die Zootierärzte wissenschaftliche Studien Teil der täglichen Arbeit.

 

Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart unterstützt hier bei den oft notwendigen Laboruntersuchungen und engagiert sich bei deren wissenschaftlichen Aufbereitung. Dies zeigt das aktuelle Beispiel aus dem Gehege der Nashörner eindrucksvoll.

 

Das Paar der Panzernashörner in der Wilhelma, Bruno und Sani, konnte seit 2000 regelmäßig alle zwei Jahre erfolgreich nachziehen. So wurden bisher insgesamt sechs Jungtiere geboren. Nach der Geburt ihres Bullenkalbs Samir im Jahr 2008 gab es jedoch eine Lücke: Die Panzernashorndame Sani zeigte keine Zyklusanzeichen mehr, anstatt dessen wurde ein Vaginalausfluss beobachtet.

 

Bei der gynäkologischen Untersuchung durch die Tierärzte der Wilhelma wurden zur Abklärung Probenabstriche durchgeführt und diese in der diagnostischen Abteilung des CVUA Stuttgart bakteriologisch geprüft. Die Tupfer wurden auf verschiedenen Nährmedien ausgestrichen, die das Wachstum von Bakterien ermöglichen. Dabei fanden sich eine Reihe verschiedener Keime, von denen einige schnell benannt werden konnten. Allerdings fielen Kolonien auf, die nicht sofort zuzuordnen waren. Diese Bakterien wurden im Labor für Identifizierende Spektroskopie des CVUA näher untersucht. Es wurden Fourier-Transformations-Infrarotspektren und MALDI-TOF Massenspektren gewonnen und mit den umfangreich vorhandenen Referenzspektren verglichen. Die Spektren des Bakterienisolates vom Panzernashorn zeigten sich in der Nähe von Vertretern der Gattung „Arcanobacterium“, ließen sich aber keiner der bekannten Arten zuordnen. Auch die nachfolgende mikrobiologische Analyse der Sequenz des 16S rDNA Gens kam zu demselben Ergebnis.

 

Die Mitarbeiter des CVUA Stuttgart wandten sich nun an die Arcanobacterium-Spezialisten des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Justus-Liebig Universität Gießen, mit denen bereits vorher eine gemeinsame Studie über Trueperella pyogenes erfolgreich bearbeitet wurde [1]. Das ungewöhnliche Isolat wurde an der Universität Gießen, sowie später an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover auf verschiedenste Merkmale hin überprüft.

 

Abb. 2 und 3.

Abb. 2 (links): Arcanobacterium wilhelmae auf Schafblutagar.

Abb. 3 (rechts): Elektronenmikroskopische Abbildung des neu beschriebenen Bakteriums, Vergrößerung 40.000x.

 

Die umfangreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichte schließlich die Beschreibung einer neuen Bakterienart, die aufgrund des Fundortes den Namen Arcanobacterium wilhelmae erhielt [2]. So verewigt sich auf diesem indirekten Weg der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma wieder einmal in der aktuellen Wissenschaft.

 

Die Beschreibung neuer Bakterienarten ist für die bakteriologische Diagnostik von grundlegender Bedeutung. Nur so können die Befunde der klinischen Untersuchungen mit eindeutigen Ergebnissen der bakteriologischen Analysen in Zusammenhang gebracht und die Bedeutung der jeweiligen Erreger erkannt werden. Ob das neu beschriebene Bakterium tatsächlich pathogene Eigenschaften für die Tiere hat, ist durch diesen Einzelfall nicht zu klären. Auch ist ein Zusammenhang mit der Lücke in der Nachzucht unwahrscheinlich.

 

Sani, die Panzernashorndame aus Stuttgart, ist nach der Untersuchung erneut trächtig geworden und hat 2014 wieder ein Kalb geboren [3]. Savita, so ihr Name, ist inzwischen groß geworden und verließ ihren Geburtsort in Richtung Portugal [4]. Warten wir ab, ob das Zuchtpaar der Wilhelma mit weiteren Kälbern zum Arterhalt des bedrohten indischen Panzernashorns beitragen kann.

 

Infokasten

Arcanobacterium

Bakterien der Gattung Arcanobacterium gehören zu der Familie der Actinomycetaceae, die sich im Mikroskop als Gram-positive Stäbchenbakterien darstellen. Weitere wichtige Gattungen der Familie sind Actinomyces und Trueperella. Unter diesen Bakterien gibt es harmlose (apathogene) Haut- und Schleimhautbesiedler, aber auch pathogene Spezies, die vor allem für eitrige oder eitrig-abszedierende Entzündungen verantwortlich sind.
Über welches pathogene Potential Arcanobacterium wilhelmae verfügt, ist noch nicht geklärt und bedarf weiterer Untersuchungen im Feld und im Labor. Die wissenschaftliche Beschreibung der neuen Art hilft hier bei der Diagnostik. Die Datenbank des CVUA Stuttgart für die MALDI-TOF MS ist bereits entsprechend ergänzt (http://maldi-up.ua-bw.de).

 

Bildernachweis

Abb. 1: Wilhelma [4]
Abb. 2: E. Hiller (CVUAS)
Abb. 3: V. Akimkin (CVUAS)

 

Quellen

[1] Nagib S, Rau J, Sammra O, Lämmler C, Schlezc K, Zschöck M, Prenger-Berninghoff E, Abdulmawjood A, 2014:
Identification of Trueperella pyogenes isolated from bovine mastitis by Fourier-transform-infrared spectroscopy.
PLoS ONE 9(8): e104654. doi: 10.1371/journal.pone.0104654
[2] Sammra O, Rau J, Wickhorst JP, Alssahen M, Hassan AA, Lämmler C, Kämpfer P, Glaeser SP, Busse HJ, Kleinhagauer T, Knauf-Witzens T, Prenger-Berninghoff E, Abdulmawjood A, Klein G 2017:
Arcanobacterium wilhelmae sp. nov., isolated from the genital tract of a rhinoceros (Rhinoceros unicornis).
Int. J. Syst. Evolut. Microbiol. Published Ahead of Print: 10 January, 2017.
doi: 10.1099/ijsem.0.001784

[3] Kölpin T, Herzog K 2015: Savitas Artgenossen in Not – Nachzucht und Artenschutz bei Nashörnern.
Wilhelma magazin. Ausgabe 1, 2015

[4] Wilhelma 2016: Pressemitteilung vom 14.10.2016

 

Artikel erstmals erschienen am 07.03.2017