Start des Programms zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose in Ziegenbeständen in Baden-Württemberg

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Reinhard Sting und Dr. Birgitta Polley, CVUA Stuttgart & Dr. Holger Axt und Dr. Daniela Bürstel, Schafherdengesundheitsdienst Stuttgart der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg

 

In Ziegenherden ist die Pseudotuberkulose die bedeutendste chronische bakterielle Infektionskrankheit. Auch in Baden-Württemberg wird die Pseudotuberkulose bei Ziegen und Schafen regelmäßig festgestellt. Infizierte Tiere fallen durch Vergrößerungen und Abszesse der oberflächlichen Lymphknoten auf. Eine wirkungsvolle Behandlung ist nicht möglich, sodass eine Bekämpfung im Rahmen mehrjähriger Bekämpfungsprogramme erfolgt. Um einen Tieraustausch weiterhin mit benachbarten Bundesländern und dem Ausland auch zukünftig zu ermöglichen, wurde 2016 auch in Baden-Württemberg ein Bekämpfungsprogramm auf der Basis einer Richtlinie des Ziegenzuchtverbandes gestartet.

 

Start eines Bekämpfungsprogramms

Die Pseudotuberkulose (auch verkäsende Lymphadenitis oder im Englischen caseous lymphadentis genannt) ist in Ziegenpopulationen weit verbreitet und wird auch in Baden-Württemberg regelmäßig festgestellt (s. auch Internetbeitrag „Pseudotuberkulose- (Corynebacterium pseudotuberculosis) Infektionen im Vormarsch, 2009). Hervorgerufen wird diese Erkrankung durch das Bakterium Corynebacterium (C.) pseudotuberculosis. Es handelt sich bei dieser Infektionskrankheit um ein chronisches, schleichendes Geschehen, das durch die Entstehung von Lymphknotenabszessen charakterisiert ist. Eine Therapie der Pseudotuberkulose ist unter Praxisbedingungen nicht möglich, sodass nur über mehrere Jahre konsequent durchgeführte Bekämpfungsmaßnahmen erfolgsversprechend sind.

Zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose in Ziegenbeständen hat der Schafherdengesundheitsdienst Baden-Württemberg auf Bitte des Ziegenzuchtverbandes in Zusammenarbeit mit dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart und der Universität Hohenheim eine Richtlinie zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose in Ziegenbeständen erstellt und mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Baden-Württemberg abgestimmt. Die Richtlinie wurde im November 2015 von der Mitgliederversammlung des Ziegenzuchtverbandes beschlossen und ist 2016 in Kraft getreten.

In dieser Richtlinie werden im Rahmen eines freiwilligen Bekämpfungsprogramms die Maßnahmen zum Schutz der Ziegenbestände vor der Pseudotuberkulose festgelegt, dessen wichtigsten Säulen regelmäßige klinische und serologische Untersuchungen von Ziegen darstellen, die älter als 6 Monate sind.

Die Richtlinie ist auf der Homepage des Ziegenzuchtverbandes Baden-Württemberg frei verfügbar.

 

Lokalisationen der im Rahmen der klinischen Untersuchung der Pseudotuberkulose der Ziegen ertasteten oberflächlichen Lymphknoten.

Lokalisationen der im Rahmen der klinischen Untersuchung der Pseudotuberkulose der Ziegen ertasteten
(palpierten) oberflächlichen Lymphknoten (Bildquelle: Dr. Holger Axt, Schafherdengesundheitsdienst Freiburg
der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg)
1 Ohrspeicheldrüsenlymphknoten (Ln. parotideus)
2 Schlundkopflymphknoten (Ln. retropharyngeus lateralis)
3 Kehlgangslymphknoten (Ln. mandibularis)
4 Buglymphknoten (Ln. cervicalis superficialis)
5 Kniefaltenlymphknoten (Ln. subiliacus)
6 Kniekehllymphknoten (Ln. popliteus)
7 Euterlymphknoten (Ln. inguinalis superficialis)

 

Corynebacterium pseudotuberculosis auf Schafblutagar.

Corynebacterium pseudotuberculosis auf Schafblutagar (Abszess, Ziege)

 

Corynebacterium pseudotuberculosis-Bakterien, Gram-Färbung.

Corynebacterium pseudotuberculosis-Bakterien, Gram-Färbung (1.000x Vergr.)

 

Infokasten

Corynebacterium (C.) pseudotuberculosis

C. pseudotuberculosis ist ein gram-positives Bakterium, das nahe mit den Mykobakterien verwandt ist, denen auch die Erreger der Tuberkulose zugeordnet werden. Charakterisiert sind Infektionen mit Corynebakterien und Mykobakterien durch chronische, schleichende Geschehen und durch eine schwierige Behandlung. Die Pseudotuberkulose der Ziegen und Schafe verursacht Abszesse in Lymphknoten. Im Falle der Pseudotuberkulose der Ziegen und Schafe sind Behandlungen aussichtslos, sodass nur mehrjährige Bekämpfungsprogramme zum Erfolg führen.

 

Ergebnisse der Pilotstudie

Vor dem Start des Bekämpfungsprogramms wurde in einer Vorstudie im CVUA Stuttgart ein ELISA für serologische Untersuchungen entwickelt und validiert sowie mit einem kommerziell zur Verfügung stehenden ELISA verglichen. Auf der Grundlage der im CVUA Stuttgart durchgeführten Validierungsstudien konnten in Abhängig von der Festlegung von Grenzwerten die Empfindlichkeit (Sensitivität = Anteil richtiger Nachweise aller tatsächlich positiven Tiere) beider ELISAs mit 85–91 % und die Genauigkeit (Spezifität = Anteil richtiger Nachweise aller tatsächlich negativen Tiere) mit 96–100 % bestimmt werden.

In der anschließenden Hauptstudie wurden begleitend zu klinischen Untersuchungen der Tiere beide ELISAs in 27 Ziegenzuchtherden bei 1333 Tieren eingesetzt.

Bei klinischen Untersuchungen waren 5,2 % der Ziegen in 12 von insgesamt 27 Betrieben mit deutlichen, teilweise abszedierenden Lymphknotenvergrößerungen aufgefallen.

Die klinischen Untersuchungen ergaben, dass unter den Lymphknoten insbesondere der Buglymphknoten (Ln. cervicals superficialis) betroffen war (30 %) gefolgt von Kehlgangslymphknoten (Ln. mandibularis) (11 %), Kniekhellymphknoten (Ln. popliteus) (9 %) und dem Euterlymphknoten (Ln. Inguinalis supeficialis) (9 %).

 

Vergrößerter Buglymphknoten einer an Pseudotuberkulose erkrankten Ziege.

Vergrößerter Buglymphknoten (Ln. cervicalis superficialis) einer an Pseudotuberkulose erkrankten Ziege (Bildquelle: Dr. Holger Axt, Schafherdengesundheitsdienst Freiburg der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg)

 

Vergrößerter Kehlgangslymphknoten einer an Pseudotuberkulose erkrankten Ziege.

Vergrößerter Kehlgangslymphknoten (Ln. mandibularis) einer an Pseudotuberkulose erkrankten Ziege (Bildquelle: Dr. Holger Axt, Schafherdengesundheitsdienst Freiburg der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg

 

Die serologischen Untersuchungen der insgesamt 1333 Ziegen ergaben bei 5,3 % (im CVUA Stuttgart selbst entwickelter ELISA) bzw. 4,8 % (kommerzieller ELISA) der Tiere serologisch positive Ergebnisse. Betroffen waren insgesamt 9 bzw. 5 der 27 untersuchten Herden.

Weiterhin ergaben die Datenauswertungen, dass in der Gruppe der Ziegen mit klinischen Anzeichen einer Pseudotuberkulose ein signifikant höherer Anteil an serologisch positiven Ergebnissen nachgewiesen werden konnte als in der Gruppe der klinisch unauffälligen Ziegen.

 

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der klinischen und serologischen Untersuchungen zur Pseudotuberkulose in Ziegenherden zeigen Übereinstimmungen, jedoch auch Abweichungen. Bei Tieren mit positiven serologischen aber klinisch negativen Befunden ist aufgrund der in Vorversuchen nachgewiesenen hohen Genauigkeit (Spezifität) der verwendeten ELISA von 96–100 % davon auszugehen, dass es sich zum Untersuchungszeitpunkt um klinisch unauffällige, aber infizierte Tiere handelt. Gründe für das Auftreten ertastbarer Lymphknotenvergrößerungen bei negativem serologischem Ergebnis können entweder auf den chronischen, schleichenden Verlauf der Pseudotuberkulose zurückgeführt werden, der es schwierig macht, alle infizierten Tiere mit Hilfe des Antikörpernachweises zu erfassen, oder es handelt sich um Lymphknotenschwellungen aufgrund völlig anderer Ursache (verschiedene Infektionskrankheiten, Entzündungen, Impfungen, Neoplasien etc.).

Insgesamt wird deshalb aufgrund der vorliegenden Ergebnisse eine Kombination klinischer und serologischer Untersuchungen gemäß der Richtlinie zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose des Ziegenzuchtverbandes Baden-Württemberg empfohlen.

In Betrieben, in denen bei Ziegen der Erregernachweis aus Abszessmaterial gelingt, sollte nach dem Entfernen dieser Tiere die Herde durch klinische und serologische Untersuchungen in engen Zeitabständen überwacht werden (siehe Richtlinie zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose des Ziegenzuchtverbandes Baden-Württemberg).

 

Quellen:

[1] Richtlinie des Ziegenzuchtverbandes Baden-Württemberg zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose in Ziegenbeständen.

[2] Infoblatt: Pseudotuberkulose (PseudoTb) bei der Ziege des Tiergesundheitsdienstes der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg. Ziegenzuchtverband Baden-Württemberg.

[3] Sting R., Schneider-Bühl L., Wagner H., Maget J., Polley B., Bürstel D., Axt H. (2017): Clinical and serological investigations on caseous lymphadenitis in goat breeding herds in Baden-Wuerttemberg (Klinische und serologische Untersuchungen zur Pseudotuberkulose in Ziegenzuchtherden in Baden-Württemberg). Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 130, Heft 3/4, 133–143. DOI-Nummer: 10.2373/0005-9333-13024

 

Artikel erstmals erschienen am 24.04.2017