Die Aujeszkysche Krankheit in der Wildschweinpopulation Baden-Württembergs – eine unterschätzte Gefahr?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dres. Birgitta Polley, Valerij Akimkin

 

Das Heranrücken der Afrikanischen Schweinepest und deren Vorkommen im Baltikum, in Tschechien und in Polen werden zu Recht mit Sorge betrachtet und in den Medien ausführlich geschildert. Eine weitere gefährliche Schweineseuche, die Aujeszkysche Krankheit, kommt aber in der Wildschweinepopulation von Baden-Württemberg bereits vor – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.

 

Was ist die Aujeszkysche Krankheit?

Die Aujeszkysche Krankheit wird durch das Suid Herpesvirus 1 (SHV1) hervorgerufen (Abbildung 1). Der erste Virologe, der die Krankheit im Jahr 1902 beschrieb und ihr seinen Namen gab, war der ungarische Tierarzt Alazar Aujeszky. Menschen sind für dieses Herpesvirus nicht empfänglich. Bei Haus- und Wildschweinen führt die Krankheit zu zentralnervösen Erscheinungen wie Krämpfen und unkoordinierten Bewegungen. Häufig werden auch respiratorische Erscheinungen wie Husten und Lungenentzündungen beobachtet. Trächtige Sauen können verferkeln. Es kommen jedoch auch subklinische Erscheinungsformen vor, das heißt, die Schweine scheinen gesund zu sein, sind aber mit dem Virus infiziert.

 

Abbildung 1: Suid Herpesvirus 1, der Erreger der Aujeszkyschen Krankheit im Transmissions-Elektronenmikroskop, 200.000fache Vergrößerung.

Abbildung 1: Suid Herpesvirus 1, der Erreger der Aujeszkyschen Krankheit im Transmissions-Elektronenmikroskop, 200.000fache Vergrößerung

 

Tückisch und typisch für ein Herpesvirus ist die lebenslange Persistenz des Virus: Wenn ein Schwein sich einmal mit dem Virus infiziert hat, bleibt es lebenslang Virusträger und damit auch ansteckend für andere Tiere. Dramatisch verläuft die Aujeszkysche Krankheit, wenn sich Hunde, Katzen oder Rinder damit anstecken. Die betroffenen Tiere erkranken nach kurzer Inkubationszeit sehr schwer, zeigen zentralnervöse Störungen mit unstillbarem Juckreiz und sterben innerhalb von wenigen Tagen. Die Symptome ähneln jenen der Tollwut, was der Aujeszkyschen Krankheit auch den Namen Pseudowut (englisch: Pseudorabies) eingebracht hat. Eine Heilung oder Impfung ist bei diesen Tierarten nicht möglich.

Die Aujeszkysche Krankheit gehört zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen nach § 4 Absatz 4 des Tiergesundheitsgesetzes. Das heißt, Fälle von Aujeszkyscher Krankheit bei Haustieren müssen sofort beim zuständigen Veterinäramt angezeigt werden, die betroffenen Tiere müssen getötet und unschädlich beseitigt werden.

 

Die Entwicklung der Aujeszkyschen Krankheit in Deutschland

In den Achtzigerjahren war die Aujeszkysche Krankheit in Deutschland bei Hausschweinen sehr weit verbreitet und führte zu großen Verlusten sowohl in Zucht- als auch in Mastbeständen. Aufgrund der weiten Verbreitung und der hohen wirtschaftlichen Bedeutung wurde zu Beginn der Neunzigerjahre ein Bekämpfungsprogramm gestartet, das in seiner Form völlig neu und damals einzigartig war: Alle Schweine in Deutschland wurden mit einem Impfvirus geimpft, das sich von dem Feldvirus unterschied, sodass im Labor unterschieden werden konnte, ob ein Schwein Antikörper gegen das Impfvirus oder gegen das Feldvirus hatte. Dies war der erste erfolgreiche Einsatz eines sogenannten DIVA- (englisch: differentiation of infected and vaccinated animals) Impfstoffes: Den geimpften Schweinen fehlten Antikörper gegen das Glykoprotein G1, während feldvirusinfizierte Schweine auch Antikörper gegen das Glykoprotein G1 ausbildeten. Diese Impfstrategie, die Schweinehalter, Tierärzte, Veterinärämter und Labore vor eine große Herausforderung stellte, war bei Hausschweinen letztlich erfolgreich: Seit 2002 gilt die Seuche bei den Hausschweinen in Deutschland als getilgt. Seit dieser Zeit sind auch Impfungen gegen die Krankheit verboten.

Bei Wildschweinen wurden jedoch seither immer wieder vereinzelt Infektionen nachgewiesen.

 

Nachweis der Aujeszkyschen Krankheit am CVUA Stuttgart

Um die Seuche nachzuweisen, wird zunächst versucht, Antikörper gegen das Virus des Aujeszkyschen Krankheit in den Blutproben von Schweinen zu finden. Als Untersuchungsmethode zum Nachweis der Antikörper dienen zwei Enzymtests: Ein Test zur Feststellung, ob überhaupt Virusantikörper vorhanden sind und ein weiterer Enzymtest, der die Unterscheidung zwischen Antikörpern gegen das Impfvirus und gegen das Feldvirus ermöglicht. Werden Antikörper gegen das Feldvirus nachgewiesen, sollte das Untersuchungsergebnis durch eine weitere Methode verifiziert werden. Zur Bestätigung der Enzymtests dient der sogenannte Serumneutralisationstest auf Zellkulturen. In diesem Test wird nachgewiesen, dass die Antikörper in den Serumproben tatsächlich in der Lage sind, das Virus zu neutralisieren (Abbildungen 2 und 3). Außerdem kann mit diesem Test eine Quantifizierung der Antikörpermenge vorgenommen werden. Die Durchführung des Serumneutralisationstests stellt das Labor oft vor eine schwierige Herausforderung, da vor allem Wildschweineproben häufig in schlechtem Zustand sind und sich im Test für die eingesetzten Zellkulturen toxisch verhalten.

 

Abbildung 2: Dr. Birgitta Polley bei der Beurteilung des Serumneutralisationstests.

Abbildung 2: Dr. Birgitta Polley bei der Beurteilung des Serumneutralisationstests

 

Um das Virus der Aujeszkyschen Krankheit selbst nachzuweisen, stehen im CVUA Stuttgart mehrere Methoden zur Verfügung:

  • Mittels der Polymerase-Ketten-Reaktion (englisch: Polymerase Chain Reaction, PCR) wird das Genom des Virus in der Probe nachgewiesen.
  • In der Zellkultur kann das Virus angezüchtet und anschließend mittels Immunfluoreszenz spezifisch nachgewiesen werden.
  • Bei einer ausreichenden Virusmenge kommt auch das Elektronenmikroskop zum Einsatz. Herpesviren weisen eine sehr charakteristische Partikelstruktur und -größe auf (Abbildung 1).

 

Abbildung 3: Die mit dem Virus infizierten Zellen vergrößern sich und sterben dann ab. Dieser sogenannte zytopathische Effekt kann im Lichtmikroskop beobachtet werden. VERO-Zellen, Nativpräparat, 200fache Vergrößerung.

Abbildung 3: Die mit dem Virus infizierten Zellen vergrößern sich und sterben dann ab. Dieser sogenannte zytopathische Effekt kann im Lichtmikroskop beobachtet werden. VERO-Zellen, Nativpräparat, 200fache Vergrößerung

 

Die Aujeszkysche Krankheit bei Wildschweinen in Baden-Württemberg

Am CVUA Stuttgart werden Wildschweine regelmäßig auf Aujeszkysche Krankheit getestet. Aufgrund der potenziellen Gefährdung der Nutztierbestände liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchungen bei denjenigen Tieren, welche aus Gegenden stammen, in denen Schweine im Freiland oder mit Auslauf gehalten werden. Aber nicht nur die Hausschweine können dem Virus zum Opfer fallen. Im Januar 2014 starb in Nordbayern an der Grenze zu Baden-Württemberg ein Jagdhund an der Aujeszkyschen Krankheit. Das CVUA Stuttgart wurde daher gebeten, bei allen Wildschweineproben, die im Rahmen des Schweinepestmonitorings zur Untersuchung eingeschickt wurden, auch auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen die Aujeszkysche Krankheit zu untersuchen. Noch im Januar 2014 wurden bei Proben aus dem Main-Tauber-Kreis Antikörper nachgewiesen. In der Folge wurden noch im selben Jahr bei acht weiteren Wildschweinen aus dem Main-Tauber-Kreis Antikörper nachgewiesen. Im Jahr 2015 breitete sich die Krankheit offensichtlich weiter nach Süden aus, sodass nun auch der Landkreis Heilbronn betroffen war. Im Jahr 2017 war eine Weiterverbreitung nach Westen in die Landkreise Schwäbisch Hall und Hohenlohe zu beobachten (Abbildung 4, Tabelle 1). Vereinzelt wurden auch bei Proben aus dem Neckar-Odenwaldkreis Antikörper gegen die Aujeszkysche Krankheit nachgewiesen.

 

Abbildung 4: Positive Aujeszky-Antikörper-Nachweise in den Jahren von 2014 bis Anfang 2018.

Abbildung 4: Positive Aujeszky-Antikörper-Nachweise in den Jahren von 2014 bis Anfang 2018

 

Das Virus selbst konnte in den eingeschickten Wildschweineblutproben nie direkt nachgewiesen werden. Das hängt mit den besonderen Eigenschaften des Erregers zusammen: Nach der akuten Infektionsphase „versteckt“ sich das Virus in Ganglienzellen, sodass ein direkter Virusnachweis aus Blut nicht mehr gelingt. Trotzdem stellen solche Tiere eine akute Infektionsgefahr dar und zwar dann, wenn sie bei der Wildschweinejagd erlegt werden. Das bestätigt der tragische Fall eines Jagdhundes, der im Dezember 2017 bei einer Wildschweinejagd im Main-Tauber-Kreis eingesetzt worden war und in der Folge an der Aujeszkyschen Krankheit verstarb.

 

Tabelle 1: Anzahl der Fälle von Aujeszky-Antikörperfunden bei Wildschweinen im CVUA Stuttgart
Jahr
Anzahl
Betroffene Landkreise
2014
10
TBB
2015
12
TBB, HN
2016
10
TBB, HN
2017
12
TBB, HN, SHA, KÜN
2018 bis Juni
29
TBB, HN, SHA, KÜN, MOS

 

Maßnahmen gegen die Aujeszkysche Krankheit

Die Ergebnisse der jahrelangen Untersuchungen von Wildschweineproben auf die Aujeszkysche Krankheit belegen, dass die Infektionsgefahr für die Nutz- und Heimtiere noch lange nicht vorüber ist. Der jüngste Erkrankungsfall bei einem Jagdhund (s. oben) bestätigt diese Befürchtungen. Seit dem ersten Virusantikörpernachweis im Jahr 2014 hat sich die Gefahrenzone nach Süden und Westen ausgeweitet. Bis Juni dieses Jahres haben wir Antikörper gegen das Virus der Aujeszkyschen Krankheit bei Wildschweinen bereits in fünf Landkreisen in Baden-Württemberg nachgewiesen. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass diese Tierseuche sich auf dem Vormarsch befindet. Wichtig ist daher weiterhin, ein umfassendes Monitoring fortzuführen, um noch genauere Informationen über die Verbreitung der Krankheit zu erhalten. Eine Bekämpfung der Krankheit bei Wildschweinen ist nur begrenzt möglich. Durch die Intensivierung der Wildschweinejagd versucht man die Tierpopulation zu verringern, was das gegenseitige Anstecken der Wildschweine minimieren soll.

 

Abbildung 5: Wildschweine in den heimischen Wäldern .

Abbildung 5: Wildschweine in den heimischen Wäldern

 

Die wichtigste Maßnahme im Kampf gegen die Aujeszkysche Krankheit ist aber der Schutz von Hausschweinen vor einem Kontakt mit Wildschweinen, um eine Ansteckung und damit ein Aufflammen der Seuche bei Hausschweinen sicher zu verhindern. Insbesondere die artgerechte Auslauf- und Freilandhaltung von Schweinen stellt eine nicht zu unterschätzende Infektionsgefahr dar, aber auch Schweinehalter, die selbst jagen, müssen unbedingt durch strikte Hygienemaßnahmen eine Virusverschleppung in den Stall vermeiden.

 

Infokasten

Die Aujeszkysche Krankheit

Die Aujeszkysche Krankheit wird durch das von Schweinen stammende Suid Herpesvirus 1 hervorgerufen. Bei Schweinen sterben aufgrund der Infektion meistens nur die Saugferkel, ältere Tiere überstehen oft die Erkrankung und stellen ein Erregerreservoir dar. Beim Hund verläuft die Aujeszkysche Krankheit tödlich. Vor dem Tod zeigen betroffene Hunde tollwutähnliche Symptome, was der Krankheit auch den Namen Pseudowut (engl. Pseudorabies) eingebracht hat. Auch für Rinder und Katzen ist diese Virusinfektion tödlich. Für den Menschen ist das Virus der Aujeszkyschen Krankheit dagegen ungefährlich. Bei Hausschweinen in Deutschland ist die Krankheit seit 2002 nicht mehr aufgetreten, bei Wildschweinen kommt das Virus jedoch immer noch vor und stellt insbesondere für Jagdhunde eine Bedrohung dar, wie der jüngste Todesfall eines Hundes aus dem nördlichen Baden-Württemberg zeigt.

Jagdhundebesitzern wird daher dringend geraten, einen Kontakt ihrer Hunde zu Wildschweinen zu vermeiden.

 

Bildernachweis

Abbildungen 1, 2, 3, 5: Valerij Akimkin

Abbildung 4: Markus Reule, Epidemiologiezentrum Freiburg

 

Artikel erstmals erschienen am 27.06.2018