Altbekannte Erkrankung, außergewöhnliche Verlaufsform: Massenbefall einer Katze mit Lungenwürmern

Ein Fallbericht aus der Kleintierpraxis am Aischbach in Gerlingen und der Abteilung Diagnostik des CVUA Stuttgart

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Karin Simon, Kleintierpraxis am Aischbach, Gerlingen und Dr. Ingo Schwabe, Labor Pathologie/Parasitologie, CVUA Stuttgart

 

Infektionen mit dem Lungenwurm Aelurostrongylus abstrusus kommen bei Katzen weltweit vor. Da dieser Parasit kein stark krankmachendes Potenzial besitzt, treten in den meisten Fällen keine oder nur sehr milde Krankheitserscheinungen auf. Kommt es jedoch zu einem Massenbefall der Lunge der infizierten Katzen, können schwere Erkrankungen bis hin zu Todesfällen resultieren. Wir beschreiben einen Fall einer außergewöhnlich heftigen Erkrankung bei Jungkatzen verursacht durch Aelurostrongylus abstrusus.

 

Vorbericht und klinische Untersuchung

Die betroffene Katze wurde zusammen mit drei weiteren Katzen, bei denen es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Wurfgeschwister handelte, streunend auf einer Schafweide entdeckt und einem Tierschutzverein gemeldet. Ein mögliches Muttertier wurde nicht gefunden. Ob die Tiere dort geboren oder ausgesetzt wurden ist nicht bekannt. Wahrscheinlich waren sie aber noch nie einer tierärztlichen Untersuchung oder Behandlung unterzogen worden.

Zwei der Katzen wurden eingefangen und mit Katzenschnupfensymptomatik in der Kleintierpraxis am Aischbach, Dr. Simon in Gerlingen vorgestellt. Die restlichen zwei Tiere wurden einige Tage später eingefangen und verbrachten zwei Tage bei der Fängerin, bevor sie uns vorgestellt wurden.

Eine der Katzen nahm in diesen zwei Tagen kein Futter zu sich und zeigte Atemproblematik. Es handelte sich um eine circa 6 Monate alte weibliche Europäisch Kurzhaarkatze. Sie war mit 1,62 kg hochgradig abgemagert. Die Körpertemperatur betrug 39,7 °C, die Herzfrequenz 160/min. Auffallend war eine hochgradig erhöhte Atemfrequenz und hochgradig verschärfte Atemgeräusche mit Atemnot. Der Palpationsbefund des Abdomens war unauffällig.

Es wurde eine Röntgenaufnahme angefertigt. Die Lunge war hochgradig nodulär gezeichnet, das Abdomen aufgrund des fehlenden Körperfetts verwaschen (siehe Abb. 1).

In Rücksprache mit dem Tierschutzverein wurde die Katze wegen infauster Prognose euthanasiert. Um eine Tuberkulose und damit eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen abzuklären, wurde die Katze zur Untersuchung in das Labor Pathologie des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Stuttgart gebracht.

 

Abbildung 1: Röntgenbild mit hochgradigen multifokalen nodulären Verschattungen der Lunge.

Abbildung 1: Röntgenbild mit hochgradigen multifokalen nodulären Verschattungen der Lunge

 

Obduktion und Laboruntersuchung

Bei der Obduktion des Tierkörpers im Labor Pathologie konnte die im Röntgenbild bereits festgestellte hochgradige Veränderung der Lunge bestätigt werden. Das Organ war mit dunkelelfenbeinfarbenen bis beigefarbenen, erhabenen und an mehreren Stellen bereits zusammenfließenden Herden übersäht. Diese herdförmigen Veränderungen waren von derber Konsistenz und das dazwischenliegende Lungengewebe war komprimiert (siehe Abb. 2).

 

Abbildung 2: Pathologisch-anatomisches Bild der Lunge bei hochgradigem Befall mit dem Katzenlungenwurm Aelurostrongylus abstrusus.

Abbildung 2: Pathologisch-anatomisches Bild der Lunge bei hochgradigem Befall mit dem Katzenlungenwurm Aelurostrongylus abstrusus

 

Verändertes Lungengewebe wurde für die feingewebliche Untersuchung unter dem Lichtmikroskop (histopathologische Diagnostik) präpariert. Hier konnten die makroskopisch beschriebenen Herde als fokale Entzündungen um Lungenwürmer, Lungenwurmlarven und Lungenwurmeier (sogenannte Wurmgranulome) identifiziert werden (siehe Abb. 3).

 

Abbildung 3: Aelurostrongylus abstrusus im entzündeten Lungengewebe (Hämatoxylin-Eosin-Färbung; 400fache Vergrößerung).

Abbildung 3: Aelurostrongylus abstrusus im entzündeten Lungengewebe (Hämatoxylin-Eosin-Färbung; 400fache Vergrößerung)

 

Der Kot der Katze wurde im Labor Parasitologie mittels des Baermann-Wetzel-Verfahrens auf das Vorhandensein von Lungenwurmlarven untersucht. Es konnten Larven 1 des Katzenlungenwurms Aelurostrongylus abstrusus nachgewiesen werden (siehe Abb. 4).

 

Abbildung 4: Larve 1 des Katzenlungenwurms Aelurostrongylus abstrusus nach Auswanderung aus dem Kot (Baermann-Wetzel-Verfahren; Phasenkontrastmikroskopie Phase 2; 400fache Vergrößerung).

Abbildung 4: Larve 1 des Katzenlungenwurms Aelurostrongylus abstrusus nach Auswanderung aus dem Kot (Baermann-Wetzel-Verfahren; Phasenkontrastmikroskopie Phase 2; 400fache Vergrößerung)

 

Zwei der Geschwister waren nach Abschluss der Untersuchung in der Pathologie noch in der Praxis und wurden ebenfalls geröntgt. Beide zeigten die gleichen Lungenveränderungen wie das euthanasierte Partnertier, wenn auch in geringerem Umfang. Alle drei noch lebenden Katzen haben trotz mehrfacher Behandlung gegen Lungenwürmer immer wieder Probleme mit den Atemwegen.

 

 

Der Parasit

Aelurostrongylus abstrusus ist der häufigste Parasit der Katzenlunge. Er ist ein echter Kosmopolit und kommt somit weltweit vor. In seinem Verbreitungsgebiet sind im Schnitt ca. 5 % bis 10 % der Katzen infiziert. In der Bundesrepublik wurde die höchste Befallsrate in Nordostdeutschland mit 16 % infizierten Individuen in der Katzenpopulation ermittelt. Aelurostrongylus abstrusus gehört zum Stamm der Fadenwürmer (Nematozoa) und wird in den Unterstamm der Rundwürmer (Nematoda) und hier in die Familie der Angiostrongylidae eingeteilt. Wie viele Parasiten hat auch Aelurostrongylus abstrusus einen komplizierten Lebenszyklus. Der Endwirt ist die Katze. Geschlechtsreife Würmer legen die befruchteten Eier im Lungengewebe ab. Hier schlüpfen nach kurzer Zeit die ersten Larven L1. Die Larven L1 wandern in die Bronchien und die Luftröhre, werden vom Endwirt hochgehustet, abgeschluckt und mit dem Kot ausgeschieden. In der Umwelt müssen sich die Larven einen geeigneten Zwischenwirt suchen um sich weiter entwickeln zu können. Geeignete Zwischenwirte sind verschiedene Nackt- und Gehäuseschnecken. In diesen Zwischenwirten wird die Entwicklung zur für Katzen wieder infektiösen Larve L3 abgeschlossen. Werden die befallenen Schnecken von schneckenfressenden Amphibien, Reptilien, Vögeln oder Säugetieren aufgenommen, so können diese die infektiösen Larven L3 als sogenannte Transportwirte (paratenische Wirte) in sich tragen. Der Lebenszyklus von Aelurostrongylus abstrusus wird abgeschlossen, wenn der Zwischenwirt oder ein Transportwirt von einer Katze gefressen wird. Die infektiösen Larven verlassen den Darm der Katze und wandern durch die Lymph- und Blutgefäße in die Lunge ein. Hier angekommen entwickeln sie sich zu erwachsenen Lungenwürmern und erlangen nach ungefähr sechs Wochen die Geschlechtsreife. Da Aelurostrongylus abstrusus kein stark krankmachendes Potenzial hat (geringe Pathogenität), verlaufen die meisten Infektionen völlig symptomlos. Kommt es bei infizierten Katzen zur Erkrankung, so verläuft diese in der Regel sehr milde. Chronischer Husten, Niesen, Nasenausfluss, schnelle Atmung, Leistungsabfall und verzögertes Wachstum können auftreten. Sporadisch treten jedoch bei Massenbefall gravierende Krankheitsverläufe auf, die mit Fieber und den zuvor genannten Symptomen in schwerer Ausprägung einhergehen. Diese seltenen schweren Verläufe können auch in Todesfällen resultieren. Die Diagnose einer Infektion mit Aelurostrongylus abstrusus wird durch den Nachweis der Larven L1 im Kot oder in Trachealspülflüssigkeit geführt. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Larven von Aelurostrongylus abstrusus nicht kontinuierlich ausgeschieden werden (intermittierende Ausscheidung) und somit die Gefahr von falsch negativen Untersuchungsergebnissen gegeben ist. Das Röntgenbild kann dem Tierarzt in schweren Fällen bereits Hinweise auf eine Lungenwurminfektion geben. Wirksame Entwurmungsmittel gegen Aelurostrongylus abstrusus sind in der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung bei der Katze zugelassen. Für den Menschen und für andere Haustierarten als der Katze stellt dieser Parasit keine Gefahr dar.

 

Infokasten

Aelurostrongylus abstrusus, der häufigste Lungenwurm der Katze

Aelurostrongylus abstrusus ist der häufigste Parasit der Katzenlunge . Dieser Rundwurm kommt weltweit vor und bedient sich verschiedener Nacht- und Gehäuseschneckenarten als Zwischenwirt. Meistens Infektion der Katze ohne Erkrankung oder mit lediglich milder Symptomatik. Nur in seltenen Fällen führt ein Befall mit Aelurostrongylus abstrusus zu schweren Erkrankungen bis hin zu Todesfällen.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart und Kleintierpraxis am Aischbach, Gerlingen

 

Quellen

  • M. Grant Maxie: Jubb, Kennedy and Palmer´s pathology of domestic animals, Sixth Edition. Elsevier, St. Louis, USA, 2016
  • MA. Taylor, RL. Coop, RL.Wall: Veterinary Parasitology, Fourth Edition. Wiley Blackwell, 2016
  • J. Eckert, KT. Friedhoff, H. Zahner, P. Deplazes: Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin, 2. Auflage, Enke Verlag, Stuttgart, 2008

 

Artikel erstmals erschienen am 18.07.2018