QM-gerecht rückgeführte Schriftgrößenbestimmung von Lebensmittelverpackungen mittels Präzisionsmessskala und digitalem Mikroskop

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Stephan Walch, Katharina Sommerfeld, Sibylle Maixner, Claudia Andlauer, Rüdiger Schneider, Andreas Scharinger (Fotos) und Dirk Lachenmeier (CVUA Karlsruhe)

 

Nach der Lebensmittelinformationsverordnung sind bestimmte Pflichtangaben auf Lebensmittelverpackungen in einer Mindestschriftgröße mit einer x-Höhe von 1,2 mm anzugeben. Zur Messung ist nach Qualitätsmanagementvorgaben eine Rückführung notwendig. Am CVUA Karlsruhe hat sich dafür ein System aus Präzisionsmessskala mit digitalem Mikroskop bewährt.

 

 

Warum muss ein Untersuchungsamt Schriftgrößen bestimmen?

Jeder Verbraucher hat das Recht, über ein Lebensmittel, das er kauft und verzehrt, in geeigneter Weise informiert zu werden. Möglichst vollständige und klare Informationen tragen nicht zuletzt dazu bei, ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes aufrecht zu erhalten. Daneben ist auch die Leserlichkeit der Angaben ein wichtiges Kriterium, wobei die Schriftgröße laut DIN 1450:2013 [1] ein physiologisch bedeutsames Maß für die Leserlichkeit von Schriften darstellt. Die EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) regelt seit dem 13. Dezember 2014 die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Eine für den Verbraucher wichtige Neuerung gegenüber der in Deutschland bislang gültigen Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) ist hierbei die Definition einer Mindestschriftgröße für Pflichtangaben auf Lebensmitteln: 1,2 mm sollen es mindestens sein, damit die Angabe für den Verbraucher lesbar ist. Auf sehr kleinen Verpackungen darf die Mindestschriftgröße auch nur 0,9 mm betragen. Die Überprüfung der Einhaltung dieser Vorgaben gehört zu den Aufgaben der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Damit diese Bestimmung der Schriftgröße nicht nur ein abschätzendes Verfahren ist, wurde am CVUA Karlsruhe ein Verfahren eingeführt, das auch messtechnisch rückführbare quantitative Ergebnisse liefert.

 

Anforderungen an die messtechnische Rückführung von Messskalen

Das CVUA Karlsruhe ist ein nach DIN EN ISO/IEC 17025:2005 akkreditiertes Prüflaboratorium. Als nationale Akkreditierungsstelle Deutschlands stellt die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS GmbH) Forderungen an die dort akkreditierten Laboratorien bezüglich der messtechnischen Rückführung auf internationale Messnormale. Diese Forderungen stehen im Kontext internationaler Vereinbarungen, wie z.B. dem Mutual Recognition Arrangement der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC MRA) und deren Umsetzung im Europäischen Raum durch die European Accreditation (EA). Relevante Dokumente sind neben DIN EN ISO/IEC 17025:2005 daher das ILAC P10 ILAC Policy on the Traceability of Measurement Results [2] und DAkkS 71 SD 0 005 Version 1.4. Merkblatt zur messtechnischen Rückführung im Rahmen von Akkreditierungsverfahren [3]. Das Ziel der messtechnischen Rückführung auf internationale Messnormale ist dabei, dass Untersuchungsmethoden und die damit erhaltenen Messwerte von verschiedenen Laboratorien miteinander verglichen werden können. Dazu ist es notwendig, die Messunsicherheit des eingesetzten Verfahrens zu ermitteln.

 

Bei dem Verfahren der Schriftgrößenbestimmung liegt der relevanteste Beitrag zur Messunsicherheit des Verfahrens in der Messunsicherheit des eingesetzten Längenmessgeräts, dem Fadenzähler bzw. dessen Messskala. Daher wurde eine Lupenskala aus Glas (Teilungslänge 10 mm, geteilt in 0,1 mm) als entsprechendes Bezugsnormal beschafft (Präzisions-Mess-Fadenzähler Typ 126692, Eschenbach Optik, Nürnberg). Gemäß den Vorgaben von 71 SD 0 005 und ILAC P10 (Punkt 2) ist es für Bezugsnormale notwendig, eine ununterbrochene Kette von messtechnischen Rückführungen nachzuweisen. Dabei gibt jedes höherwertige Normal seine erweiterte Messunsicherheit an das nachrangigere Normal weiter, d.h. die Messunsicherheit wird bei jedem Kettenglied größer. Um diese ununterbrochene Kette der messtechnischen Rückführung nachweisen zu können, wurde das Bezugsnormal bei einem akkreditierten Kalibrierlabor kalibriert. Für das am CVUA Karlsruhe eingesetzte Bezugsnormal wurde eine Abweichung von der Nennlänge von 1 µm festgestellt (erweiterte Messunsicherheit U, mit 95 % Konfidenzintervall). Dieses Bezugsnormal wird dazu eingesetzt, die Gebrauchsnormale (Fadenzähler der verschiedenen Laborbereiche) jährlich intern zu überprüfen und damit die Rückführungskette auf die Gebrauchsnormale zu verlängern. Diese Überprüfung wird als Vergleich zwischen dem Bezugsnormal und dem Gebrauchsnormal an verschiedenen Schriftgrößen durchgeführt und geeignet dokumentiert. Das Bezugsnormal gibt dabei die von dem Kalibrierlabor festgestellte erweiterte Messunsicherheit an die Gebrauchsnormale weiter. Das CVUA Karlsruhe hat unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit eine Analysentoleranz von 0,1 mm bei der Schriftgrößenmessung festgelegt.

 

Dokumentation der Ergebnisse mit digitalem Mikroskop

Der Fotodokumentationsarbeitsplatz des CVUA Karlsruhe [4] wurde nach einer Anregung von Kollegen des CVUA Stuttgart [5] um ein digitales Mikroskop erweitert (Somikon Typ NX-4298-919 mit HD-Kamera und Ständer, 2 MP, 250x Vergrößerung, PEARL.GmbH, Buggingen), siehe Abbildung 1. Eine wie oben dargestellt rückgeführte Präzisionsmessskala (Schweizer-Optik Präzisions Mess-Skale 'Tech-Line' Nr. 97001, A. SCHWEIZER GmbH, Forchheim), wie sie z.B. auch in manuellen Fadenzählern verbaut ist, wird auf das zu messende Objekt platziert und das Mikroskop ausgerichtet (Abbildung 2). Beispiele für Messungen der x-Höhe von Lebensmittelverpackungen sind in Abbildung 3 dargestellt. Auf effiziente und schnelle Weise lässt sich mit diesem System somit eine „gerichtsfeste“ Dokumentation von QM-gerecht rückgeführten Schriftgrößenmessungen anfertigen.

 

Aufbau des Systems bestehend aus Digitalmikroskop, Messskala aufgelegt auf zu messendes Objekt und Computersystem zur Dokumentation

Abb. 1: Aufbau des Systems bestehend aus Digitalmikroskop, Messskala aufgelegt
auf zu messendes Objekt und Computersystem zur Dokumentation.

 

 

 Vergrößerte Darstellung des Mikroskops. Die Messskala wird auf der zu bestimmenden Verpackung auf ein kleines x in einem Kennzeichnungselement ausgerichtet

Abb. 2: Vergrößerte Darstellung des Mikroskops. Die Messskala wird auf der zu
bestimmenden Verpackung auf ein kleines x in einem Kennzeichnungselement ausgerichtet.

 

 

Beispiele für Mikroskopaufnahmen von Verpackungen. In den vorliegenden Fällen entsprach die Schriftgröße den geforderten 1,2 mm.Beispiele für Mikroskopaufnahmen von Verpackungen. In den vorliegenden Fällen entsprach die Schriftgröße den geforderten 1,2 mm.

Abb. 3: Beispiele für Mikroskopaufnahmen von Verpackungen. In den vorliegenden
Fällen entsprach die Schriftgröße den geforderten 1,2 mm.

 

Weiterer Einsatz des Mikroskopsystems zur Dokumentation von Fremdkörpern

Das System lässt sich über die Schriftgrößendokumentation hinaus zur Fotografie von Fremdköpern und sonstigen makroskopischen Bestandteilen in Lebensmitteln einsetzen. Zur Größenabschätzung kann hierbei ein forensischer Beweisfoto-Maßstab (z.B. ABFO Nr. 2 Beweisfoto Maßstab, Forensics Source, Jacksonville, FL, USA)  dienen (Abbildung 4). Mehrere Fremdkörper aus einem Fischerzeugnis sind in Abbildung 5 dargestellt.
Als Fremdkörper in Lebensmitteln bezeichnet man Fremdbestandteile, die sensorisch erkannt werden können, wie beispielsweise Haare, Teile toter Insekten, Kunststoffpartikel, Metallteile oder Glassplitter. Die Fremdbestandteile können aus den verarbeiteten Rohstoffen stammen, aber auch im Rahmen der Produktion, der Lagerung oder bei der Zubereitung in das Lebensmittel gelangen. Durch geeignete Maßnahmen wie Rohstoffkontrollen und Material-Detektoren bei der Produktion wird im Rahmen des betrieblichen Qualitätsmanagements der Eintrag von Fremdbestandteilen im Allgemeinen vermieden.

Beispiele in der Vergangenheit waren jedoch z.B. eine flachgedrückte Tablette auf einem Wurstaufschnitt, ein Kunststoffteil in einem Geflügelnugget oder Fliegeneier auf einem gegarten Steak. Durch die Kontamination mit Fremdbestandteilen ist das Lebensmittel in den meisten Fällen für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet. Je nach Größe und Form dieser Partikel kann ein versehentlicher Mitverzehr sogar gesundheitliche Auswirkungen haben. Das Lebensmittel ist damit nicht sicher und wird als gesundheitsschädlich im Sinne der VO (EG) 178/2002 beurteilt. Gemäß Produkthaftungsgesetz haftet jeder Lebensmittelhersteller für Verunreinigungen seines Produkts, wenn ein Verbraucher dadurch zu Schaden kommt.

In jedem Fall ist daher eine schnelle Ermittlung der Herkunft der Fremdbestandteile erforderlich, um weitere Maßnahmen ergreifen zu können, schlimmstenfalls ein Rückruf des betroffenen Produkts aus dem Handel.

Wichtige Hinweise auf die Herkunft des Fremdkörpers liefert dabei die visuelle Prüfung. Durch den Einsatz des Mikroskop-Systems können sowohl die Abmessungen, als auch markante Bruchkanten und Deformationen in hoher Vergrößerung schnell dokumentiert werden.

 

Systemaufbau zur FremdkörperdokumentationSystemaufbau zur Fremdkörperdokumentation

Abb. 4: Systemaufbau zur Fremdkörperdokumentation.

 

 

 Zwei Fotos von Fremdkörpern, die in einem Fischerzeugnis vorgefunden wurden. Höherer Kontrast kann ggf. durch dunkle Hintergrundfarbe erreicht werden. Maßstab Lineal: 1 Querstrich entspricht 1,0 mmZwei Fotos von Fremdkörpern, die in einem Fischerzeugnis vorgefunden wurden. Höherer Kontrast kann ggf. durch dunkle Hintergrundfarbe erreicht werden. Maßstab Lineal: 1 Querstrich entspricht 1,0 mm

Abb. 5: Zwei Fotos von Fremdkörpern, die in einem Fischerzeugnis vorgefunden wurden. Höherer
Kontrast kann ggf. durch dunkle Hintergrundfarbe erreicht werden. Maßstab Lineal: 1 Querstrich
entspricht 1,0 mm.

 

Fazit

In einer ersten Evaluierungsphase konnte gezeigt werden, dass einfache digitale Mikroskope, die ursprünglich für andere Zwecke entwickelt wurden, produktiv in der Arbeit eines Untersuchungsamts zur QM-gerechten Dokumentation von Schriftgrößen auf Verpackungen und Fremdkörpern eingesetzt werden können. Für die Mitarbeiter wurden Schulungen durchgeführt und eine Kurzanleitung erstellt. Das System wird bereits produktiv zur Erstellung von Aufnahmen eingesetzt. Im nächsten Schritt ist geplant, die Fotos automatisch in das LIMS-System (Labordaten-Informations-Management-System) des CVUA zu importieren.

 

 

Literatur

Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift „Food-Lab“ Ausgabe 01/2017, S.48-52 vorveröffentlicht.

http://www.blmedien.de/data/emags/blmedien/FOOD-Lab_01_2017/pubData/mobile/index.htm#/48/
 

[1] DIN 1450:2013 Schriften – Leserlichkeit. Deutsches Institut für Normung, Berlin.
 

[2] ILAC P10:01/2013 ILAC Policy on Traceability of Measurement Results, http://ilac.org/publications-and-resources/ilac-policy-series/
 

[3] Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS); Merkblatt zur metrologischen Rückführung im Rahmen von Akkreditierungsverfahren, 71 SD 0 005, Revision 1.4, 01.02.2016
 

[4] A. Scharinger, S. Maixner, C. Andlauer, S. Mayer, R. Schneider, D. Lachenmeier (2016) Effiziente Probendokumentation mittels automatisierter Produktfotografie. CVUA Karlsruhe. http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=2&Thema_ID=1&ID=2344&Pdf=No&lang=DE
 

[5] B. Gmeiner (2017) Verbraucherinformation – Ja, bitte lesbar! Wie funktioniert Schriftgrößenmessung? CVUA Stuttgart. http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=2&ID=2429&lang=DE&Pdf=No

 

 

Artikel erstmals erschienen am 25.04.2017