Gefälschte Spirituosen aus russischen Internet-Shops – eine Gefahr für Verbraucher in der EU?

Gefälschte Spirituosen können eine erhebliche Gesundheitsgefahr für den Verbraucher darstellen.

Tábata Rajcic de Rezende, Thomas Hausler, Thomas Kuballa, Stephan Walch, Dirk Lachenmeier, CVUA Karlsruhe

 

Das CVUA Karlsruhe konnte im Rahmen eines Forschungsprojektes aus russischen Internetshops bezogene Produkte als Fälschungen identifizieren. Vom bloßen Augenschein her ist es unmöglich, gefälschte Spirituosen von Originalen zu unterscheiden. Bei den in Karlsruhe untersuchten Proben handelte es sich um gefärbte und aromatisierte Alkohollösungen, die glücklicherweise keine gesundheitsschädlichen Gehalte an Methanol aufwiesen. Dennoch muss vor dem Kauf von Spirituosen aus russischen Internet-Shops oder vor Eigenimporten von auffällig preiswerten alkoholhaltigen Produkten aus dem Nicht-EU-Ausland gewarnt werden.

Illegal zum menschlichen Konsum angebotener Alkohol wie Alkohol-Ersatzprodukte (technische oder kosmetische Alkohole), im Haushalt selbst hergestellter Alkohol aber auch illegale gefälschte Markenprodukte gehören zur WHO-Kategorie des sog. nicht-registrierten Alkohols (engl. „unrecorded alcohol“), weil sich der Konsum dieser Produkte nicht in offiziellen Statistiken widerspiegelt [1]. Solche Getränke werden unversteuert und auf dem illegalen Vertriebsweg viel günstiger als normaler Alkohol an den Verbraucher abgegeben. Dieser irreguläre Handel kann Gefährdungen des Verbrauchers durch toxische Inhaltsstoffe bewirken (Beispiel: Todesopfer durch Methanol in Spirituosen - Skandal im Jahr 2012 [2]).

 

Deutschland und Westeuropa haben aufgrund der vergleichsweise geringen Alkoholpreise und hohen Verfügbarkeit von legalen Produkten kein Problem mit nicht-registriertem Alkohol. In Osteuropa und insbesondere in Russland sieht die Situation anders aus. Der Konsum von nicht-registriertem Alkohol wird in diesen Ländern derzeit auf etwa 33 % des gesamten Alkoholverbrauchs geschätzt [3]. Studien in Westsibirien zeigten, dass gefälschte Spirituosen individuell in sozialen Netzwerken und Blogs, aber auch in spezialisierten Online-Shops angeboten werden [4].

 

Obwohl der Internethandel von alkoholischen Getränken in Russland bereits im Jahr 2007 zur Verringerung von Fälschungen verboten wurde [5], konnten in einem Forschungsprojekt in Russland, an dem das CVUA Karlsruhe als Projektpartner beteiligt war, mehr als 25 Online-Händler von gefälschtem Alkohol identifiziert werden [6]. Alle Internet-Plattformen waren ähnlich strukturiert und entsprachen weitgehend legalen Internet-Shopping-Plattformen. Sie boten Produktkataloge, Informationen über Lieferung und Zahlungsmöglichkeiten, Kontaktdaten und auch eine Zusammenstellung von oft gestellten Fragen an. Auffällig waren jedoch die Preise der angebotenen Produkte. Sie fielen deutlich niedriger aus, als die regulären Marktpreise im Einzelhandel. Internationale Spirituosen wie Rum oder Whisky waren bis zu 15-fach und internationale Wodka-Marken bis zu sechsfach günstiger als im regulären Verkauf. Teilweise wurden die Produkte offen als Fälschungen beworben, die in Geruch und Geschmack mit den Originalprodukten übereinstimmen sollten. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden über 100 Flaschen von diesen möglicherweise gefälschten Spirituosen innerhalb von vier Wochen angeliefert und mittels 1H-NMR untersucht. Alle gelieferten Flaschen zeigten eine Aufmachung in guter Übereinstimmung mit den vermeintlichen Produkten und trugen die russischen Konformitätssiegel (Abb. 1). Die chemischen Analysen des CVUA Karlsruhe bestätigten in allen Fällen eine Fälschung. Es handelte sich stets um künstlich gefärbte und aromatisierte Alkohollösungen, die in keiner Hinsicht mit den deklarierten Spirituosenkategorien übereinstimmten [6] (zur analytischen Methodik mit Kernspinresonanzspektroskopie wird auf Literatur [7] verwiesen).

 

Das Foto zeigt originalverpackte Spirituosenflaschen bekannter Marken und daneben,   nicht unterscheidbar die Fälschungen dieser Produkte. In der Mitte des Bildes befindet sich ein Reagenzglasgestell mit gefüllten Messröhrchen für die NMR Messung und im Vordergrund ein Glas mit Whiskey.

Abb. 1. Vergleich von gefälschten Spirituosen (rechts) mit den Originalprodukten (links).

 

Der illegale Internetverkauf von gefälschtem Alkohol in Russland unterläuft nicht nur die Alkoholsteuer sondern auch politische Maßnahmen wie Beschränkungen von Verkaufszeiten, Verkaufsstandorten und Mindestpreisen, die in den letzten Jahren in Russland eingeführt wurden, um den Konsum von Alkohol und die alkoholbedingten gesundheitlichen Schäden zu reduzieren [8,9]. Untersuchungen in Russland zeigten, dass das Internet zu einem Handelskanal für Fälschungen geworden ist [4], wobei die beobachteten Online-Verkäufer eine wichtige Zwischenverbindung in der Vertriebskette mit gefälschtem Alkohol darstellen. Eine konsequente Kontrolle nicht nur von der gesamten Produktions- und Lieferkette von alkoholischen Getränken, sondern auch von Alkohol, der nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, erscheint notwendig. Die Beobachtungen bestätigen auch in Russland die bereits in anderen Ländern beobachteten Mängel beim Vollzug von Lebensmittelgesetzen im Internethandel [10] und die Notwendigkeit von schärferen Kontrollen. In der EU wurde für amtliche Kontrollen beispielsweise vor kurzer Zeit in der Verordnung (EU) 2017/625 die Möglichkeit von verdeckten Online-Probenahmen durch Behörden geschaffen.

 

Gefälschter Alkohol: Was sind die gesundheitlichen Gefahren?

Der Konsum von gefälschten Spirituosen aus dem illegalen Handel birgt eine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Da die Herstellung von Fälschungen nicht den vorgegebenen Anforderungen an Produktzusammensetzung und Sicherheit folgt, kann gefälschter Alkohol neben Ethanol (teilweise in höheren Alkoholgehalten als erwartet) auch andere schädliche und toxische Inhaltstoffe enthalten, in erster Linie ist hier Methanol zu nennen. Bei Methanol handelt es sich um eine klare, farblose, leicht brennbare Flüssigkeit, die der Verbraucher anhand von Geruch, Geschmack oder Aussehen nicht vom Trinkalkohol Ethanol unterscheiden kann. Entgegen der landläufigen Meinung können bei einer illegalen, haushaltsmäßigen Herstellung aus Obst- und/oder Getreiderohstoffen, selbst unter den hygienisch fragwürdigsten Bedingungen, keine Methanolgehalte gebildet werden, die toxikologische Schwellenwerte überschreiten. Toxische Methanolgehalte sind auch nicht durch eine schlechte Vorlaufabtrennung bei der Destillation zu erklären, da Ethanol und Methanol zu ähnliche Siedepunkte aufweisen. Eine Abtrennung des Methanol von Ethanol ist auf üblichen Kleinbrennanlagen daher nicht möglich. Methanol in toxischen Gehalten wird immer durch illegalen Zusatz von chemisch reinem Methanol in alkoholhaltige Getränke eingebracht. Auf Methanol fällt keine Alkoholsteuer an, so dass dieser Alkohol im Großhandel meist günstiger als Ethanol angeboten wird! Auch bei den Untersuchungen von Alkohol-Ersatzprodukten aus Russland waren technische Alkohole (als „Scheibenreiniger“ vermarktet) auffällig. Trotz Kennzeichnung „methanolfrei“ bestanden sie aus reinem Methanol [11].

 

In Russland wurden in den vergangenen Jahren regelmäßig Methanol-Vergiftungen durch verunreinigte Spirituosen und Alkohol-Ersatzprodukte gemeldet, die zu mehreren Todesfällen führten [4, 12]. Neben Russland waren auch die Türkei, Tschechien und Polen mit Fällen von Vergiftungen durch Methanol in Spirituosen betroffen [2, 13, 14]; somit handelt es sich auch um ein Problem, das innerhalb der Europäischen Union vorkommt.

 

Interessanterweise zeigten Untersuchungen, dass sich viele Verbraucher der Tatsache bewusst waren, dass bestimmte angebotene Getränke keine Originalerzeugnisse sind, sie diese aber trotzdem bestellten [15]. Durch günstige Preise und hohe Verfügbarkeit von gefälschtem Alkohol in Internet-Shops ist die Nachfrage durch bestimmte Bevölkerungsgruppen zu erklären. Gefährdete Gruppen sind beispielsweise Minderjährige, die im Einzelhandel keine alkoholischen Getränke erwerben können, Personen mit geringem sozioökonomischem Status sowie Alkoholabhängige [16, 17].

 

Besteht eine Gefahr auch für Verbraucher in Deutschland und der EU?

In der Europäischen Union und damit auch in Deutschland ist eine wachsende Zahl an Personen mit Migrationshintergrund aus Nicht-EU-Staaten wohnhaft. Sie sind regelmäßig in ihrer Heimat unterwegs oder bekommen Besuch von Verwandten und möchten dabei Produkte aus ihrem Heimatland nach Deutschland einführen. Durch die Entwicklung neuer Medien und Plattformen bestellen diese Verbraucher auch Produkte aus ihrer Heimat über Internetplattformen, weil sie im Ausland günstiger oder nur dort verfügbar sind. Jedoch können Verbraucher gefälschte Produkte von Originalerzeugnissen selten unterscheiden und somit ist eine unabsichtliche Einfuhr von gefälschten Produkten im Reiseverkehr oder durch Bestellung im Internet aus Nicht-EU-Staaten durchaus möglich. Nicht jede Postsendung an eine Privatadresse kann vom Zoll überprüft werden. Für den Verbraucher ist der sehr günstige Preis von solchen Produkten ein Hinweis auf eine mögliche Fälschung. Aufgrund der Erfahrungen des CVUA Karlsruhe mit Testkäufen aus dem Internethandel in Russland ist vor dem Konsum von Spirituosen aus dubiosen Quellen zu warnen.

 

Infokasten

Einfuhr von Spirituosen nach Deutschland

Reisende können generell bei der Einreise aus Nicht-EU-Ländern unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb bestimmter Mengen- und Wertgrenzen Waren abgabenfrei nach Deutschland einführen. Als mitgeführt gelten auch auf dem gleichen Beförderungsweg des Reisenden (z.B. per Bahn) voraus- oder nachgeschickte Waren. Wird das Gepäck per Post voraus- oder nachgesandt, so gilt es dagegen nicht als mitgeführt. Die Waren sind ausschließlich zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch des Reisenden, für Angehörige seines Haushalts oder als Geschenk bestimmt. Ein entgeltliches Mitbringen für andere ist keinesfalls möglich [18].

 

Einfuhr von Spirituosen aus Nicht-EU-Ländern:

Reisende, die mindestens 17 Jahre alt sind, dürfen Alkohol und alkoholhaltige Getränke in folgenden Freimengen nach Deutschland mitbringen [18]:

- 1 Liter Spirituosen mit einem Alkoholgehalt von mehr als 22 % Vol. oder unvergällter Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von 80 % Vol. oder mehr oder

- 2 Liter Alkohol und alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von höchstens 22 % Vol.

 

Einfuhr von Spirituosen aus EU-Mitgliedstaaten:

Innerhalb der EU-Mitgliedstaaten können für den persönlichen Bedarf grundsätzlich aus jedem Mitgliedstaat der EU - ausgenommen Sondergebiete - Waren abgabenfrei und ohne Zollformalitäten nach Deutschland mitgebracht werden. Bei alkoholischen Getränken wie Spirituosen (z.B. Weinbrand, Whisky, Rum, Wodka) und alkoholhaltige Süßgetränke wie Alkopops wurde eine Richtmenge von 10 L innerhalb der EU festgelegt [19].

 

Literatur:

[1] Lachenmeier DW, Gmel G, Rehm J: Unrecorded alcohol consumption. In: Boyle P, Boffetta P, Lowenfels AB, Burns H, Brawley O, Zatonski W, et al., editors. Alcohol: Science, Policy, and Public Health. Oxford, U.K.: Oxford University Press; 2013; 132–42.

www.researchgate.net/profile/Dirk_Lachenmeier/publication/236626338_Unrecorded_alcohol_consumption/links/00463518802f08022f000000/Unrecorded-alcohol-consumption.pdf

 

[2] Nejezchleba M: Tschechiens ungelöstes Problem, Tödlicher Methanol-Mix; 2013.

www.spiegel.de/panorama/methanol-skandal-in-tschechien-gepanschter-alkohol-fordert-weiter-tote-a-890478.html

 

[3] Probst C, Merey A, Rylett M, et al.: Unrecorded alcohol use: A global modelling study based on Delphi assessments and survey data. Toronto, ON: Centre for Addiction and Mental Health, 2017.

 

[4] Neufeld M, Lachenmeier D, Hausler T, et al.: Surrogate alcohol containing methanol, social deprivation and public health in Novosibirsk, Russia. Int J Drug Policy. 2016; 37: 107–10.

doi.org/10.1016/j.drugpo.2016.08.001

 

[5] Rg.ru. Postanovlenie Pravitel’stva Rossijskoj Federacii ot 27 sentjabrja 2007 g. N 612 g. Moskva “Ob utverzhdenii Pravil prodazhi tovarov distancionnym sposobom”. [Resolution of the Government of the Russian Federation Government September 27th 2007 N 612, Moscow “On approving the rules of distance sales”]. 2007;[cited 04/05/2017].

rg.ru/2007/10/03/distancia-prodaja-dok.html

 

[6] Neufeld M., Lachenmeier D.W , Walch S. G. and Rehm J., “The Internet trade of counterfeit spirits in Russia – an emerging problem undermining alcohol, public health and youth protection policies“. F1000Research 2017, 6:520. f1000research.com/articles/6-520/v2

 

[7] Thomas Hausler, Thomas Kuballa, Dirk Lachenmeier. Food Fraud – Neue Methode zum Nachweis von Verfälschungen bei Spirituosen mittels NMR (2016).

www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp

 

[8] Neufeld M, Rehm J: Alcohol consumption and mortality in Russia since 2000: are there any changes following the alcohol policy changes starting in 2006? Alcohol Alcohol. 2013; 48(2): 222–30.

 

[9] Khaltourina D, Korotayev A: Effects of Specific Alcohol Control Policy Measures on Alcohol-Related Mortality in Russia from 1998 to 2013. Alcohol Alcohol. 2015; 50(5): 588–601.

 

[10] Lachenmeier DW, Löbell-Behrends S, Böse W, et al.: Does European Union food policy privilege the internet market? Suggestions for a specialized regulatory framework. Food Control. 2013; 30(2): 705–13.

doi.org/10.1016/j.foodcont.2012.07.034

 

[11] T. Hausler, A. Okaru, M. Neufeld, J. Rehm, T. Kuballa, B. Luy and D. Lachenmeier, “Nontargeted nuclear magnetic resonance (NMR) analysis to detect hazardous substances including methanol in unrecorded alcohol from Novosibirsk, Russia”, Proceedings of the XIII International Conference on the Applications of Magnetic Resonance in Food Science, 27–31 (2016).

dx.doi.org/10.1255/mrfs.6

 

[12] Vinogradova P: Poslednjaja rjumka [The last glass]. 2015; [cited 04/05/2017].

rusplt.ru/society/poslednyaya- ryumka-19915.html

 

[13] Tod durch gepanschten Alkohol: Auch in Polen gibt es Methanol-Tote, 2012.

www.rp-online.de/panorama/ausland/auch-in-polen-gibt-es-methanol-tote-aid-1.2997221

 

[14] Methanol-Vergiftung: Zwei Lübecker Schüler für hirntot erklärt, 2009

www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/methanol-vergiftung-zwei-luebecker-schueler-fuer-hirntot-erklaert-a-617550.html

 

[15] Neufeld M, Wittchen HU, Rehm J: Drinking patterns and harm of unrecorded alcohol in Russia: a qualitative interview study. Addict Res Theory. 2017; 25(4): 310–7.

 

[16] Leon DA, Saburova L, Tomkins S, et al.: Hazardous alcohol drinking and premature mortality in Russia: a population based case-control study. Lancet. 2007; 369(9578): 2001–9.

 

[17] Shield KD, Rylett M, Rehm J: Public health successes and missed opportunities. Trends in alcohol consumption and attributable mortality in the WHO European Region, 1990–2014. Copenhagen, Denmark: WHO European Region; 2016. Reference

 

[18] Rückkehr aus einem Nicht-EU-Staat, Zoll und Steuern: Reisefreimengen; 2017

www.zoll.de/DE/Privatpersonen/Reisen/Rueckkehr-aus-einem-Nicht-EU-Staat/Zoll-und-Steuern/Reisefreimengen/reisefreimengen_node.html

 

[19] Reisen innerhalb der EU, Steuern: Genussmittel; 2017

www.zoll.de/DE/Privatpersonen/Reisen/Reisen-innerhalb-der-EU/Steuern/Genussmittel/genussmittel_node.html

 

 

Artikel erstmals erschienen am 26.07.2017