Nahrungsergänzungsmittel zur Förderung der „Manneskraft“ – alles nur natürlich?

David Kahl, Constanze Sproll, Elena Maser, Sibylle Maixner, Dirk Lachenmeier, Tabata Rajcic de Rezende, Oliver el-Atma, CVUA Karlsruhe

 

Illegaler potenzfördernder Wirkstoff Hydroxythiohomosildenafil in angeblich rein pflanzlichen Produkten zur Förderung der "Manneskraft" nachgewiesen.

Gleich in drei von 20 vermeintlich "natürlichen" Produkten, die regional und über das Internet in online-shops als Lebensmittel angeboten wurden, konnte am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA Karlsruhe) die hochwirksame Substanz Hydroxythiohomosildenafil (HTHS) nachgewiesen werden. Die Erzeugnisse wurden als nicht verkehrsfähige Fertigarzneimittel eingestuft und die Abgabe des Vorgangs an die Arzneimittelüberwachung empfohlen. Allen Verbrauchern ist dringendst davon abzuraten, Präparate zur Potenzsteigerung  zu erwerben und konsumieren, die nicht ärztlich verordnet wurden oder aus dem Internethandel stammen.

 

Immer häufiger liest man in der Presse vom Handel mit illegalen Arzneimitteln. Aber auch in Nahrungsergänzungsmitteln und Produkten zur Potenzsteigerung bei Männern können illegale Stoffe mit pharmakologischen Wirkungen enthalten sein1. Neben Kapseln, Tabletten oder Pulvern werden sogenannte "Shots" gehandelt. Dabei handelt es sich um Flüssigkeiten in Portionsgrößen von z.B. 50 ml, die als Einmal-Portion oder über den Tag verteilt verzehrt werden können. Die Hersteller bewerben ihre Produkte meist als "100% natural", "rein pflanzlich" oder "only herbs". Dies ist aber, wie die Untersuchungen des CVUA Karlsruhe zeigen, bei einigen Produkten nicht der Fall.

 

Das Bild zeigt Tabletten, Kapseln und Pulver, die mit Hinweisen auf Potenzsteigerung  angeboten werden.
Abb. 1:  Nahrungsergänzungsmittel in verschiedenen Formen (Kapseln, Tabletten, Pulver).

 

Ein als Kapsel angebotenes Produkt und zwei sogenannte Shots enthielten hohe Gehalte an HTHS. Aufgrund der Brisanz  des Ergebnisses erfolgte eine quantitative Untersuchung mittels LC-MS-MS und eine zusätzliche Absicherung mittels NMR (siehe Abbildung).

Die Abbildung zeigt NMR Spektren von einer positiven Probe im Vergleich zum Referenzstandard. Die charakteristischen Resonanzen stimmen in Standard und Probe überein. Dies zeigt die Überlagerung der roten und blauen Linien
Abb. 2: NMR Spektrum HTHS: Das Spektrum zeigt einen Ausschnitt mit einigen charakteristischen Signalen (rote Linie: Probe; blaue Linie: Referenzstandard).


HTHS ist eine Substanz, die chemisch nahe mit dem arzneilich verwendeten Potenzmittel Sildenafil verwandt ist, aber laut Literatur eine viel stärkere Wirkung hat. Bei Sildenafil und  weiteren verschreibungspflichtigen Wirkstoffen wie Avanafil, Tadalafil und Vardenafil handelt es sich um Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer), die zur Behandlung von Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion) des Mannes eingesetzt werden2. Bei allen Sildenafil-Abkömmlingen, sogenannten Sildenafil-Derivaten, handelt es sich um pharmakologisch wirksame Stoffe, deren Einnahme ein nicht kalkulierbares Gesundheitsrisiko darstellen können3, wenn sie ohne ärztliche Aufsicht verwendet werden.

 

Das in den Proben nachgewiesene HTHS ist nicht als Arzneistoff zugelassen.

 

Die Abbildung zeigt die Strukturformeln von Sildenafil und   Hydroxyhomothiosildenafil. Rot eingekreist sind die abweichenden Strukturelemente des Derivats.
Abb. 3:  Die Abbildung zeigt die Strukturformeln von Sildenafil und Hydroxyhomothiosildenafil.

Rot eingekreist sind die abweichenden Strukturelemente des Derivats.

 

HTHS hat ein vergleichbares Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum wie Sildenafil. Durch die gefäßerweiternde Wirkung können als unerwünschte Nebenwirkungen vor allem Kopfschmerzen, Senkung des Blutdrucks, Herzrasen (Tachykardie), Rhythmusstörungen, Hautrötungen (Flush), Verdauungsstörungen (Dyspepsie), eine veränderte Farbwahrnehmung und eine erhöhte Lichtempfindlichkeit auftreten2. Sildenafil wird in Deutschland in zugelassenen Fertigarzneimitteln in Einzeldosen ab 20 mg eingesetzt4. Die Dosisbereiche in denen Sildenafil, Avanafil, Tadalafil und Vardenafil eingesetzt werden ist in Tabelle 1 aufgeführt.

 

Die Tabelle zeigt die Dosierung in der Sildenafil und seine zugelassenen Derivate    verschrieben werden. Die Dosierung beginnt bei 5 mg für Vardenafil und endet bei 200 mg für Avanafil.
Tabelle 1: Dosierung der vier für Arzneimittel zugelassenen Stoffe Sildenafil,

Avanfil, Tadalafi und Vardenafil zur Potenzsteigerung.
 

HTHS übt laut Literatur sogar eine mehr als 17-fache höhere Hemmwirkung auf die PDE-5 aus5 als Sildenfil. Man kann daher davon ausgehen, dass es eine deutlich stärkere Wirkung als der zugelassene Arzneistoff hat. Die laut Kennzeichnung vorgesehene Dosierung lag bei den Proben zwischen 39 und 88 mg (siehe Tabelle 2). Dies liegt deutlich über der niedrigsten Dosierung, die bei Arzneimitteln vorgesehen ist. Eine pharmakologische Wirkung und damit auch entsprechende Nebenwirkungen sind bei den beanstandetet Proben ohne jeden Zweifel vorhanden.

 

Die Tabelle zeigt die in den Proben festgestellten Gehalte an HTHS. Pro Portion würde der   Verbraucher zwischen 39 und 82 mg aufnehmen

Tabelle 2: Gemessene Gehalte an Hydroxythiohomosildenafil in Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler;

Messung über Flüssigchromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie und Detektion nach Fragmentierung über Tochterionen (LC-MS/MS).

 

 

Quellen:
[1] Statt sexueller Lust Gesundheitsfrust? www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp

[2] "HagerROM 2017 - Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen", DVD-ROM Version 10.9., Springer Verlag 2001-2017

[3] Venhuis BJ, et al. Recent developments in counterfeits and imitations of Viagra, Cialis and Levitra. RIVM Report 370030001/2007, www.rivm.nl/bibliotheek/rapporten/370030001.pdf
[4] AMIS-Datenbank des BfArM beim DIMDI, www.dimdi.de
[5] Kim et al US Patent US2004/0176371 A1 vom 09.09.2004

 

 

Artikel erstmals erschienen am 10.09.2018