Gentechnisch veränderte Pollen in Honig: Importhonige betroffen - baden-württembergische Ware einwandfrei

Hans-Ulrich Waiblinger, Marc Ohmenhäuser (CVUA Freiburg)

 

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Als Konsequenz einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs am 06. September 2011 wurden in Baden-Württemberg weitere Honige gezielt auf gentechnische Veränderungen untersucht. Das Ergebnis des am CVUA Freiburg durchgeführten Sonderuntersuchungsprogramms, das schwerpunktmäßig auf Importhonige ausgerichtet war, liegt jetzt vor. Außerdem wird über das Ergebnis weiterer Untersuchungen von Honigen vor dem 06.09.2011 berichtet.

 

Ergebnisse insgesamt (seit 2010, einschließlich Sonderprogramm)

Von insgesamt 115 Honigen, die seit 2010 untersucht worden sind, waren in 21 Proben (=18 %) im Pollenanteil gentechnische Veränderungen nachweisbar.

 

 

Diagramm: gentechnische Veränderungen in Honig.

 

 

Einheimische Ware durchweg negativ

Honige aus Baden-Württemberg waren durchweg einwandfrei. Keiner der 42 Honige (zumeist mit überwiegendem Rapsanteil) zeigte Auffälligkeiten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Stichprobenuntersuchungen der letzten zehn Jahre bei einheimischen Honigen, bei denen bisher noch keine gv-Pollen nachgewiesen werden konnten.

 

Importhonige: Kanadische Rapshonige stark betroffen

Von 68 Importhonigen, zumeist deklariert als „Mischung von Honig aus EG-Ländern und Nicht-EG-Ländern“, waren in nahezu drei Viertel (48 Proben = 71 %) der Proben keine gentechnischen Veränderungen im Pollen nachweisbar (s. auch Grafik).

 

Kanadische Raps- /Kleehonige von zwei unterschiedlichen Herstellern wurden am Markt angetroffen. 9 von insgesamt 10 Proben dieser Honige enthielten gentechnisch veränderten Raps. Meistens waren gleich mehrere gentechnisch veränderte Rapspflanzen nachweisbar: Es handelte sich um die Events GT73, MS8 und RF3.


Spuren von gv-Raps GT73 waren außerdem in einer Importhonigprobe ohne genauere Herkunftsdeklaration sowie - bemerkenswerterweise - auch in einer Probe mit deklarierter französischer Herkunft nachweisbar.

 

Auch Spuren der weltweit am häufigsten angebauten gv-Pflanze, der sogenannten Roundup Ready Soja (Eventbezeichnung GTS 40-3-2), waren in 10 (=15 %) der Importhonige nachweisbar.

 

Das umfangreiche Screening auf gentechnisch veränderte Pflanzen lieferte keine Anhaltspunkte auf das Vorhandensein weiterer gv-Pflanzen, wie etwa Mais.

 

 

Diagramme.

 

 

Ergebnisse Sonderuntersuchungsprogramm Importware (seit 07.09.2011)

Von den insgesamt 41 Honigen, die nach dem 06.09.11 erhoben worden sind, waren in 7 Proben gentechnische Veränderungen nachweisbar (= 17 %).


Darunter waren 2 Proben der o.g. kanadischen Raps-Kleehonige, die nach wie vor im Handel anzutreffen waren und dieselben positiven Befunde bei gv-Raps (GT73, MS8 und RF3) wie bereits zuvor ergaben.


Weiterhin wurden Spuren von Roundup Ready Soja in 4 Proben festgestellt; zwei davon waren Biohonige - ein Bio-Honig war zusätzlich mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet.


Im Vergleich der Ergebnisse von Importware, die vor und nach dem Urteil erhoben worden ist, deutet sich bei Blütenhonigen (ohne kanadische Raps-Kleehonige) ein Rückgang von Proben an, die Spuren von gv-Soja im Pollen enthalten (4 von 37 Proben = 11% gegenüber 6 von 21 Proben = 28%). Zur Bestätigung sind allerdings weitere Untersuchungen mit höheren Probenzahlen erforderlich.

 

Infokasten

Wie werden positive Befunde bei Honigen rechtlich bewertet?

Lebensmittel, die Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) enthalten, müssen nach der Europäischen Verordnung 1829/2003 speziell zugelassen sein. Wenn diese Zulassung besteht, gibt es eine Kennzeichnungspflicht, sobald in der Zutat mehr als 0,9 % gentechnisch veränderte Anteile enthalten sind.

 

Bislang vertrat jedoch die EU-Kommission die Auffassung, dass Pollen, einschließlich derjenigen aus gentechnisch veränderten Pflanzen, nicht als eine Zutat des Honigs anzusehen sind. Dementsprechend wurden die Vorschriften der Verordnung 1829/2003 nicht für Honige angewendet. In Baden-Württemberg wurden Honige in den vergangenen Jahren daher lediglich zur Beobachtung des Marktgeschehens und - besonders bei einheimischer Ware - als Umwelt-Monitoring auf gv-Bestandteile untersucht.


Mit dem Urteil des EuGH vom 06.09.2011 sind nun Honige, die Pollen mit genetisch veränderter DNA enthalten, als „Lebensmittel, die ...Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden“ im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung 1829/2003 anzusehen und unterliegen damit prinzipiell deren Zulassungs- und Kennzeichnungsbestimmungen.

 

Gv-Raps nicht zulässig

Für die gv-Raps Events GT73, MS8 und RF3 liegen derzeit keine allgemeinen Zulassungen für Lebensmittel vor, die auch Honige mit gv-Pollen einschließen würden; s. auch Veröffentlichung des BVL über zugelassene GVO nach VO 1829/2003

 

Eine Vermarktung von Honigen, die Pollen mit Erbsubstanz aus solchen gv-Pflanzen enthalten, für die keine allgemeine Lebensmittelzulassung besteht, ist nach dem EuGH-Urteil daher nicht mehr zulässig.

 

Roundup Ready Soja zulässig, aber Kennzeichnungspflicht derzeit unklar

Anders verhält es sich bei nachgewiesenen gv-Pflanzen, für die allgemeine Lebensmittelzulassungen existieren, insbesondere die  „allgegenwärtige“ gv-Soja Roundup Ready.


Das EuGH-Urteil lässt offen, wie der Kennzeichnungsgrenzwert von 0,9 Prozent konkret bei Pollen in Honigen zu überprüfen ist. Auch existieren hierzu noch keine Äußerungen der EU-Kommission.


Von der Systematik des Urteils kann abgeleitet werden, dass ein Bezug gv-Pollen zum Gesamtpollen herzustellen ist.

 

RapspollenDer Nachweis von GVO-Pollen als solchen ist jedoch nicht möglich. Nachgewiesen wird die im Pollen (des Honigs) enthaltene Erbsubstanz aus gv-Pflanzen. Mengenmäßig bestimmt werden kann der Anteil gentechnisch veränderter DNA einer bestimmten gv-Pflanzenlinie in Bezug auf die gesamte DNA der Spezies, d.h. das Verhältnis gv-DNA zu nicht gv-DNA (z.B. DNA aus Roundup Ready Soja Event 40-3-2, bezogen auf die DNA aus der gesamten Spezies Soja).

 

Wenn der Honig von gentechnisch veränderten Blütenpflanzen stammt, ist dieser Anteil durchaus nachweis- und quantifizierbar. Bei einer Reihe der untersuchten Honige mit nachweisbarem Anteil an Roundup Ready DNA war dies der Fall. Hier war das Verhältnis gv-Soja zu Spezies DNA jeweils mit über 10 % bestimmt worden.

 

Eine Bestimmung des Anteils gentechnisch veränderter Pollen, bezogen auf den gesamten Pollen oder gar den ganzen Honig ist dagegen analytisch nicht möglich.

 

Infokasten

Wie erfolgt die Untersuchung?

Für den Nachweis gentechnischer Veränderungen in Honigen stehen national oder international validierte und/oder standardisierte Verfahren zur Verfügung. Geeignete Screening-Verfahren (z.B. auf die Elemente, P35S, T-nos, bar, CTP2-CP4EPSPS) sind in der Amtlichen Sammlung nach § 64 LFGB beschrieben. Der eigentliche Nachweis erfolgt mittels Event-spezifischer Verfahren, die im Rahmen des Europäischen Netzwerkes für GVO-Laboratorien (ENGL) im Rahmen von Ringversuchen validiert worden sind.


Besonderheit bei der Untersuchung von Honigen ist die Gewinnung von DNA für den Nachweis. Zunächst wird der im Honig enthaltene Pollen angereichert und daraus die DNA extrahiert. Ein spezielles Protokoll wurde bereits in den Jahren 1999 und 2005 durch das CVUA Freiburg veröffentlicht. Am 10.10.2011 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Leitfaden veröffentlicht. Die im Leitfaden beschriebene Methode zur DNA-Extraktion beruht auf den genannten Veröffentlichungen.

 

LaborbildDie aus Honigen (d.h. Pollen) gewonnene DNA-Menge kann stark variieren. Rapshonige enthalten relativ große Mengen an Pollen mit Raps-DNA, sodass zumeist eine sensitive GVO-Analytik möglich ist.


Blütenhonige (außer Rapshonige) enthalten im Gesamtpollenanteil zumeist nur sehr geringe Pollenmengen aus Pflanzen, die hinsichtlich gentechnischer Veränderungen relevant sind (z.B. Mais, Soja, ggf. Zuckerrübe, Baumwolle, Leinsamen).


Dementsprechend sind bei Soja und Mais, wenn überhaupt, nur geringe DNA-Mengen von DNA dieser Spezies nachweisbar. Sofern gv-Soja Roundup Ready nachweisbar ist, liegt die nachgewiesene DNA-Menge deshalb jeweils im Bereich der Nachweisgrenze oder knapp darüber.


Als Nachweisgrenze wird jeweils die Menge von 10 DNA-Kopien angesetzt und es werden nur diejenigen Proben als positiv bewertet, die mindestens diese, laborübergreifend reproduzierbare Menge an DNA enthielten. Minimale Spuren an DNA von gv-Pflanzen unter diesem Wert werden als negativ bewertet (s. Leitfaden, Lit. 16; kann auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden).

 

Hintergrund:

Wie sind die weltweiten Warenströme von Honig?

Nach Daten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurden in Deutschland in den Jahren 2009/2010 ca. 16.000 Tonnen Honig erzeugt. Der jährliche Honigverbrauch beträgt jedoch 83.000 Tonnen. Das heißt, dass der Selbstversorgungsgrad nur bei etwa 20 Prozent liegt und weitere 80 Prozent des in Deutschland konsumierten Honigs importiert werden. Importhonig stammt hauptsächlich aus Süd- und Mittelamerika, die mengenmäßig bedeutendsten Länder sind Argentinien, Mexiko, Chile, Uruguay und Brasilien mit einem Gesamtvolumen von 52.000 Tonnen.

 

Wie kommt Pollen aus gv-Pflanzen in Honig?

RapspflanzePollen sind charakteristisch für Blütenhonige; nur bei gefilterten Honigen dürfen sie laut Honig-Verordnung in erheblichem Maße entfernt werden. Bienen sind bei ihrer Ernährung auf Pollen als Eiweißquelle angewiesen.


Blütenpollen gelangen unmittelbar mit dem Nektar oder dem Honigtau (Pollen der Windblütler, z.B. Mais) in den Honig. Zudem werden auch Pollen an den Hinterbeinen anhaftend (sog. Pollenhöschen) in den Bienenstock transportiert und können zum Teil auch auf diese Weise in den Honig gelangen.


Bei Pollen handelt es sich um einen charakteristischen Bestandteil des Honigs, der bei der Bereitung des Honigs durch den Imker unverändert im Honig belassen werden muss. Weltweit werden gentechnisch veränderte Pflanzen in großem Stil angebaut. In Kanada wuchsen 2010 auf 94 % der Rapsanbaufläche gv-Sorten. Roundup Ready Soja wird in vielen Ländern Amerikas angebaut, in Argentinien in 2009 auf 97 % der Sojaanbaufläche, s. auch Informationsplattform Transgen. Im Gegensatz zu Raps sind Pollen von Sojapflanzen in Blütenhonigen nur in geringem Umfang vorhanden. Sobald Bienenstöcke in Regionen mit hohen gv-Soja-Anbauflächen gelegen sind, ist auch ein geringer Eintrag von Pollen aus gv-Soja nicht auszuschließen.


Lesen Sie mehr auf unseren Internetseiten zum Nachweis gentechnischer Veränderungen.

 

Weitere Informationen

Pressemitteilung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Bildnachweis:

Honiglöffel, motograf, www.pixelio.de, Image-ID=64035

CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 19.10.2011