Insekten als Lebensmittel – Rechtliche Rahmenbedingungen

Silke Helble und Dr. Christine Wind

 

Häufig wird uns die Frage gestellt, warum das Inverkehrbringen von Insekten als Lebensmittel innerhalb Deutschlands und Europas mancherorts bereits möglich und andernorts verboten ist.

Der Grund liegt in der unterschiedlichen Auslegung der europäischen Rechtsvorschriften, insbesondere der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.

 

Pralinen mit Insekten

Status quo!

Aus Insekten gewonnene Inhaltsstoffe gelten derzeit gemäß VO (EG) Nr. 258/97 als neuartige Lebensmittel und dürfen in der EU, sofern sie nicht bereits vor dem Stichtag 15.05.1997 in nennenswertem Umfang in der EU verzehrt wurden, nur nach einer gesundheitlichen Bewertung und Zulassung in den Verkehr gebracht werden.

 

Ganze Insekten und Insektenteile (Beine, Flüge, Köpfe usw.) werden von einigen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls als neuartige Lebensmittel eingestuft. Andere Mitgliedstaaten hingegen schließen diese Erzeugnisse aufgrund einer unpräzisen Begriffsdefinition vom Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 258/97 aus und lassen deren Vermarktung unter bestimmten Bedingungen bereits zu (z. B. Niederlande und Belgien).

 

Quo vadis?

Am 31.12.2015 ist die neue VO (EU) Nr. 2015/2283 über neuartige Lebensmittel in Kraft getreten. Sie gilt vollumfänglich ab dem 01.01.2018 und löst dann die bisher geltende VO (EG) Nr. 258/97 ab. Die neue VO präzisiert die Definitionen und führt ganze Tiere und Teile von Tieren explizit auf. Somit müssen künftig nicht nur aus Insekten gewonnene Inhaltsstoffe sondern auch ganze Insekten und Insektenteile zweifelsfrei vor dem Inverkehrbringen gesundheitlich bewertet und zugelassen werden (Abbildung 1).

 

Neben einer Präzisierung werden mit der überarbeiteten „neuen" VO für neuartige Lebensmittel jedoch noch weitere Ziele verfolgt:

Salat mit Insekten

  • ein effizienteres, beschleunigtes, vereinfachtes und zentralisiertes Zulassungsverfahrens,
  • schnelle Vermarktung innovativer und sicherer Lebensmittel,
  • erleichterter Handel mit traditionellen Lebensmitteln aus Drittländern auf Grundlage einer Meldung des Lebensmittelunternehmers (ohne formales Zulassungsverfahren!)
  • als Antragsteller können künftig Kooperationen interessierter Kreise auftreten,
  • Zulassungen können als allgemeine (generische) Zulassungen erteilt werden und so künftig nicht nur zu Gunsten des Antragstellers, sondern zu Gunsten aller Inverkehrbringer des Erzeugnisses wirken.

 

Die Kommission hat angekündigt, dass bis Januar 2018 ein funktionsfähiges System zum erforderlichen Austausch von Informationen zwischen den beteiligten Stellen eingerichtet werden soll. Nach dem künftig vorgesehenen zentralen Bewertungs- und Zulassungsverfahren entscheiden dann EU-Risikomanager, ob neuartige Lebensmittel auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden können.

Sofern erforderlich, werden die Lebensmittel dabei zuvor einer wissenschaftlichen Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unterzogen. Am 10. November 2016 veröffentlichte die EFSA zwei Leitliniendokumente zu neuartigen bzw. traditionellen Lebensmitteln. Darin wird ausführlich erläutert, welche Art von Informationen die Antragsteller zur Verfügung stellen müssen und wie diese Informationen der EFSA vorzulegen sind, wenn eine solche Risikobewertung verlangt wird.

 

Abbildung 1: Insekten – Neuartige Lebensmittel

Abbildung 1: Insekten - Neuartige Lebensmittel

 

Generell gilt heute, wie auch zukünftig, dass Insekten, Insektenteile und Inhaltsstoffe aus Insekten, die zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen, insbesondere der VO (EG) Nr. 178/2002 und der VO (EG) Nr. 852/2004. Danach ist es verboten, Lebensmittel, die nicht sicher sind, in den Verkehr zu bringen oder derart herzustellen oder zu behandeln, dass ihr Verzehr gesundheitsschädlich ist.

 

Infokasten

Obwohl in vielen Ländern der Welt bereits seit langem fester Bestandteil der Ernährung, beschäftigt man sich in Europa erst seit kurzem mit dem Potential und den Möglichkeiten von „Insekten“ als Lebens- und als Futtermittel. Maßgeblich beeinflusst durch die Aktivitäten der FAO entstanden seit 2014 verschiedene Kooperationen interessierter Unternehmen, die als große Interessensgemeinschaften wiederum zahlreiche, teils auch EU-geförderte Projekte initiieren konnten. Die jährliche Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf diesem Gebiet nimmt erheblich zu. Und nicht zuletzt auch in der Öffentlichkeit stößt das Thema durch die massive mediale Präsenz auf zunehmendes Interesse.

 

Das Marktpotential über die gesamte „Insekten-Wertschöpfungskette“ hinweg – von den Insektenzüchtern, über Verarbeitungsunternehmen, Ausrüstungs- und Anlagenbauer, Logistikunternehmen, Import- und Exportbetriebe, Hersteller und Händler – wird von den Experten auch auf dem europäischen Markt als sehr groß eingeschätzt*. Die Entwicklung Insekten-basierter Produkte ist bereits weit fortgeschritten, erste Erzeugnisse sind auf dem europäischen Markt und die Absatzzahlen steigen.

 

(* Persistence Market Research (PMR report 08/2016): in terms of value the global edible insects market set to reach 423.8 US$ by 2016 end; is anticipated to expand at a CAGR of 6.1% during the forecast period and is expected to account for US$ 722.9 Mn by 2024 end; markets in Europe and North America are expected to register highest CAGR between 2016 and 2024, accounting for 7.3% and 6.9% respectively)

 

Das Thema Insekten als Lebensmittel wurde bei der 57. Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene der DVG vom 27. bis 30. 09. 2016 in Garmisch-Partenkirchen in zwei Posterbeiträgen vorgestellt:

 

Insekten als Lebensmittel - Ein Thema beschäftigt das CVUA Freiburg

Insekten als Lebensmittel - Identifikation mittels MALDI-TOF-MS

 

Bildnachweis

alle CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 24.11.2016