Baden-Württemberg

Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit

Die Hasenpest (Tularämie) in Baden-Württemberg

Sarah Stalb, Birgitta Polley und Reinhard Sting

 

Jedes Jahr infizieren sich in Baden-Württemberg (BW) Menschen und Feldhasen an der Hasenpest und die Fallzahlen steigen. So wurden bereits im 1. Halbjahr 2016 mehr Fälle gemeldet als in den Gesamtjahren zuvor. Dies veranlasste uns das aktuelle Vorkommen und die Verbreitung der Tularämie in BW genauer zu betrachteten.

Die Hasenpest – eine wiederkehrende Infektionskrankheit

Die Tularämie, auch bekannt als Hasen- und Nagerpest, ist eine Zoonose, das heißt eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheit. Nachdem diese Jahrzehnte lang nicht nachgewiesen wurde, tritt die Tularämie seit 2004 wieder in Deutschland auf. Seit Beginn des Jahres 2016 häufen sich zudem die Tularämie-Fälle bei Feldhasen in BW und im gleichen Zeitraum wurden ungewöhnlich viele humane Infektionen diagnostiziert.

Die aktuelle saisonale und regionale Verbreitung der Tularämie in BW sowie ein möglicher Zusammenhang zwischen Infektionen bei Tier und Mensch sind bisher nicht bekannt. Unser Ziel ist es daher, die Verbreitung der Tularämie in BW zu analysieren. In den betroffenen Regionen soll damit das Bewusstsein für diese Infektionskrankheit geschärft werden, v.a. für Risikogruppen wie Jäger, Waldarbeiter und Personen, die sich häufig in der freien Natur aufhalten.

 

Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Francisella tularensis subsp. holarctica, der Erreger der Hasenpest, isoliert aus der Lunge von einem Feldhasen (Claudia Geiger, CVUA Stuttgart).

Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Francisella tularensis subsp. holarctica, der Erreger der Hasenpest, isoliert aus der Lunge von einem Feldhasen (Claudia Geiger, CVUA Stuttgart).

 

Dazu werteten wir die Ergebnisse der veterinärmedizinischen Routinediagnostik von verendeten Feldhasen in BW im Zeitraum von Januar 2010 bis Juli 2016 aus und verglichen diese mit den Orten der gemeldeten humanen Erkrankungsfälle, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Infektionen bei Tier und Mensch zu erkennen. Zudem wurden die isolierten Stämme aus Feldhasen am Nationalen Referenzlabor für Tularämie, Friedrich-Loeffler-Institut, Jena mit Hilfe molekularbiologischer Methoden vertiefend typisiert.

Die Ergebnisse dieser Studie sind im Detail in einer Fachpublikation zusammengefasst worden.

 

Die Hasenpest (Tularämie) – aktuelle Lage in Baden-Württemberg

Jedes Jahr infizieren sich in BW Menschen und Feldhasen an der Hasenpest und die Fallzahlen steigen. So wurden bereits im 1. Halbjahr 2016 mehr Fälle gemeldet als in den Gesamtjahren 2010 bis 2015 zuvor (Abbildung 2 und Abbildung 3).

 

Abbildung 2: An Tularämie verendeter Feldhase, (Quelle: CVUA Stuttgart).

Abbildung 2: An Tularämie verendeter Feldhase, (Quelle: CVUA Stuttgart).

 

In BW ist seit 2010 fast jeder dritte tot aufgefundene Feldhase an Tularämie verendet. Die untersuchten Feldhasen stammten aus 34 Landkreisen, dabei wurde in 23 Kreisen die Hasenpest diagnostiziert. Die Typisierung der isolierten Stämme zeigte, dass in der Feldhasenpopulation stets der gleiche Erregertyp vorkommt. Bei den verendeten Feldhasen handelte es sich um zufällige Totfunde, die von Jägern oder aufmerksamen Passanten an die Untersuchungsämter in BW gebracht wurden. Dieses sogenannte passive Monitoring gibt trotz geringer Fallzahlen einen wichtigen Hinweis, wann und wo die Tularämie in unserer Feldhasenpopulation vorkommt.

 

Abbildung 3: Aktuelle Schlagzeilen aus der Tagespresse (Quelle: BILD und SWR, siehe Bild).

Abbildung 3: Aktuelle Schlagzeilen aus der Tagespresse (Quelle: BILD und SWR, siehe Bild).

 

Im selben Untersuchungszeitraum wurden 48 autochthone (in BW erworbene) Tularämiefälle bei Menschen diagnostiziert. Diese Menschen hatten sich in 20 der 44 Stadt- und Landkreise infiziert. Die Erkrankten waren im Mittel 50 (1-84) Jahre alt, wobei Männer häufiger als Frauen betroffen waren (31 Männer, 17 Frauen). Die durchschnittliche Anzahl gemeldeter Fälle beim Menschen pro Jahr stieg in BW von 2 (2001–2009) auf 8 (2010–2016) an. Als Infektionsquelle für den Menschen wurden direkte Kontakte mit infizierten Feldhasen, Zeckenbisse, Mückenstiche, landwirtschaftliche Tätigkeiten, Reisen in östliche Länder (u.a. Kosovo) und eine Laborinfektion beschrieben. In 50 % aller humanen Erkrankungsfälle blieb die Infektionsquelle jedoch unbekannt. Die Fallzahlen bei Menschen und Feldhasen schwanken jährlich. Diese periodische Wellenbewegung wird mit Witterungseinflüssen und Nagetierpopulationsgrößen in Verbindung gebracht.

 

Abbildung 4: Die Tularämie tritt jährlich mit schwankenden Fallzahlen bei Feldhasen (schwarze Linie) und beim Menschen (gestrichelte Linie) in Baden-Württemberg auf. In der ersten Hälfte des Jahres 2016 traten bereits mehr Fälle auf als in den Gesamtjahren 2010–2015 zuvor.

Abbildung 4: Die Tularämie tritt jährlich mit schwankenden Fallzahlen bei Feldhasen (schwarze Linie) und beim Menschen (gestrichelte Linie) in Baden-Württemberg auf. In der ersten Hälfte des Jahres 2016 traten bereits mehr Fälle auf als in den Gesamtjahren 2010–2015 zuvor. Nähere Angaben hier.

 

In BW weist die Tularämie saisonale Schwankungen auf, dabei gipfeln die Erkrankungsfälle bei Menschen und Feldhasen im späten Frühjahr und im Herbst (Abbildung 5).

Die Aufsummierung der Tulärämiefälle aus den Vorjahren zeigt insbesondere im Mai bis Juli sowie im Oktober einen Anstieg der Fallzahlen bei Menschen und Feldhasen. Zusätzlich wurden im Januar einige humane Erkrankungsfälle diagnostiziert.

Im späten Frühjahr und im Sommer wird von einer Erreger-Übertragung durch Zecken, Bremsen und Stechmücken ausgegangen, dagegen werden im Spätherbst und Winter Feldmäuse als Folge von Massenvermehrungen als Infektionsquelle vermutet. Dies erklärt die periodische und parallele Wellenbewegung der Übertragung der Tularämie auf den Feldhasen und den Menschen.

 

Abbildung 5: Die Aufsummierung der Fälle aus den Vorjahren zeigt insgesamt beim Feldhasen (schwarze Linie) und beim Menschen (gestrichelte Linie) einen ersten Gipfel der Tularämiefälle im Mai bis Juli und erneut einen Anstieg im Oktober. Die Anzahl der humanen Fälle steigt zusätzlich im Januar noch einmal an.

Abbildung 5: Die Aufsummierung der Fälle aus den Vorjahren zeigt insgesamt beim Feldhasen (schwarze Linie) und beim Menschen (gestrichelte Linie) einen ersten Gipfel der Tularämiefälle im Mai bis Juli und erneut einen Anstieg im Oktober. Die Anzahl der humanen Fälle steigt zusätzlich im Januar noch einmal an. Nähere Angaben hier.

 

In vielen Landkreisen von Baden-Württemberg ist die Tularämie verbreitet, wobei die Daten in einigen Landkreisen auf eine erhöhte Infektionsgefahr für Mensch und Tier hinweisen ( Abbildung 6 ).

Die Tularämie tritt insgesamt bei Menschen und Feldhasen in 31 der 44 Stadt- und Landkreise von Baden-Württemberg auf. Darunter ist ein Drittel der Landkreise mit diagnostizierten Tularämiefällen sowohl bei Menschen als auch bei Feldhasen betroffen. In folgenden Landkreisen wurde der direkte Kontakt mit infizierten Feldhasen sogar als Infektionsquelle für den Menschen gemeldet: Biberach, Karlsruhe, Ludwigsburg, sowie Ortenau- und Ostalbkreis. Mindestens in diesen Landkreisen ist von einer erhöhten Infektionsgefahr für Mensch und Tier auszugehen. In einem weiteren Viertel der Landkreise wurde die Tularämie nur im Feldhasen ohne autochthone Fälle bei Menschen und in einem kleinen Teil der Landkreise (18 %) nur beim Menschen, nicht aber bei Feldhasen diagnostiziert. Aufgrund der unspezifischen Klinik ist jedoch insgesamt von einer großen Dunkelziffer von Infektionen beim Menschen auszugehen. Dies trifft sicherlich auch für Feldhasen zu, da nur zufällig aufgefundene Tiere zu den Untersuchungsämtern gebracht werden.

 

Abbildung 6: Nachweis der Tularämie bei Mensch und Feldhase in Land- (LK) und Stadtkreisen (in Baden-Württemberg im Zeitraum 01.01.2010–31.07.2016). Insgesamt sind 31 der 44 Stadt- und Landkreise betroffen und in einem Drittel der Kreisgebiete wurde die Tularämie gleichzeitig bei Mensch und Feldhase diagnostiziert.

Abbildung 6: Nachweis der Tularämie bei Mensch und Feldhase in Land- (LK) und Stadtkreisen (in Baden-Württemberg im Zeitraum 01.01.2010–31.07.2016). Insgesamt sind 31 der 44 Stadt- und Landkreise betroffen und in einem Drittel der Kreisgebiete wurde die Tularämie gleichzeitig bei Mensch und Feldhase diagnostiziert; siehe Übersichtskarte.

 

Was bedeutet das für mich?

Es ist davon auszugehen, dass die Tularämie in ganz BW endemisch ist, das heißt der Erreger kommt dort dauerhaft vor und somit besteht eine Ansteckungsgefahr für Mensch und Tier. Menschen infizieren sich meist durch den direkten Kontakt mit infizierten Tieren, z.B. Jäger beim Ausnehmen von Feldhasen, durch das Einatmen infizierter Stäube (aerogen), durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel, insbesondere unzureichend erhitzten Wildbrets, sowie Wasser (alimentär) oder über Mückenstiche und Zeckenbisse. Dabei sind bereits geringe Erregermengen für eine Infektion ausreichend.

Als Risikogruppen gelten Personen, die sich häufig in der freien Natur aufhalten, wie Jäger, Waldarbeiter, Outdoor-Sportler oder die im ländlichen Raum wohnende Bevölkerung sowie in der Landwirtschaft tätige Personen. Der Krankheitsverlauf beim Menschen ist häufig unspezifisch und abhängig von der Eintrittspforte des Erregers und der Erregermenge. Die am häufigsten diagnostizierte Form der Tularämie in Deutschland ist die sogenannte ulzeroglanduläre Form mit Haut- und Schleimhautveränderungen und massiver Lymphknotenbeteiligung, aber auch Lungenentzündungen (Pneumonie) sowie intestinale (Darm) und septische Formen kommen vor. Bei Infektionen mit dem Subtyp holarctica kommt es oft zur Spontanheilung, eine antibakterielle Behandlung ist möglich und nur selten treten Todesfälle auf.

Diese aktuellen Kenntnisse zur Verbreitung der Tularämie sollen das Bewusstsein für diese Infektionskrankheit schärfen und auf das erhöhte Infektionsrisiko im Frühjahr und Herbst (Oktober!) sowie in den betroffenen Regionen und für bestimmte Risikogruppen hinweisen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage.

 

Wie kann ich mich schützen?

Tot aufgefundene Feldhasen (sogenanntes Fallwild) und Feldhasen, die ein auffälliges Verhalten zeigen (fehlendes Fluchtverhalten, unsicherer Gang, etc.), sollten nicht berührt werden. Die örtliche Polizeibehörde oder der Inhaber des Jagdreviers sollte informiert werden, damit das Tier zur Untersuchung an ein Untersuchungsamt gebracht wird.

  • In der warmen Jahreszeit Insektenschutz verwenden
  • Zeckenbisse vermeiden
  • Besondere Schutzmaßnahmen für Jäger:
    - beim Versorgen von Wild Einmalhandschuhe und staubdichte Atemmaske, ggf. eine Schutzbrille tragen
    - Personen mit Hautverletzungen sollten keine Tiere ausweiden (Erregereintritt!)
    - Wildbret vor dem Verzehr ausreichend erhitzen
    - Hunde von Tierkadavern fern halten, kein rohes Wild zum Verzehr anbieten und Zeckenprophylaxe anwenden
    - Fallwild an ein Untersuchungsamt bringen (Untersuchungen von Wildtieren werden im Rahmen des Wildtiermonitorings kostenfrei durchgeführt)

 

Infokasten

Fakten zum Erreger

In Europa wird die Tularämie durch das Bakterium Francisella (F.) tularensis Subspezies holarctica hervorgerufen. Der Erreger kommt in der nördlichen Hemisphäre vor und weist ein breites Wirtsspektrum auf (mehr als 100 Arten von Säugetieren, Insekten, Vögeln, Amphibien), darunter ist der Europäische Feldhase (Lepus europaeus) besonders empfänglich. Beim Feldhasen verläuft die Infektion meist tödlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen. Der Erreger ist vom Tier auf den Menschen übertragbar. Menschen infizieren sich meist durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren (z.B. Jäger beim Ausnehmen von Feldhasen), durch das Einatmen infizierter Stäube (aerogen), durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel und Wasser (alimentär) oder über Mückenstiche und Zeckenbisse, dabei sind geringe Erregermengen für eine Infektion ausreichend.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage.

 

Quellen

  • Stalb S, Polley B., Danner K-J., Reule R, Tomaso H., Hackbart A., Wagner-Wiening C., Sting R. (2017): Detection of tularemia in European brown hares (Lepus europaeus) and humans reveals endemic and seasonal occurrence in Baden-Wuerttemberg, Germany. Berl Münch Tierärztl Wochenschr, aop.
  • Ellis J, Oyston PC, Green M, Titball RW (2002): Tularemia. Clin Microbiol Rev 15: 631-646.
  • Sting R, Runge M, Eisenberg T, Braune S, Muller W, Otto P (2013): Comparison of bacterial culture and polymerase chain reaction (PCR) for the detection of F. tularensis subsp. holarctica in wild animals. Berl Münch Tierärztl Wochenschr 126: 285–290
  • Epidemiologisches Bulletin, RKI-Ratgeber für Ärzte, 29. März 2016/ Nr.12, Tularämie (Hasenpest), DOI 10.17886/EPIBULL-2016-019
  • Infektionsbericht Baden-Württemberg, Meldewoche 12, Tularämie – eine selten diagnostizierte Zoonose, ausgegeben am 01.04.2016.

 

Artikel erstmals erschienen am 10.03.2017 08:04:30

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