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Zerknirscht: Nahrungsergänzungsmittel für die Gelenkgesundheit – Ein gutes Beispiel für eine schlechte Umsetzung der Health-Claims-VO durch die Unternehmen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Christiane Lerch

 

Für den Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln mit Glucosamin und Chondroitin für die Gelenkgesundheit gibt es keine wissenschaftlichen Belege – Die Rechtslage nach der Health-Claims-Verordnung ist eindeutig: die Wirksamkeit dieser Stoffe darf nicht beworben werden.
 

Damit hat sich der von der Lebensmittelüberwachung seit Jahren vertretene Standpunkt bestätigt!

 

Um Verbraucher jedoch weiterhin mit altbekannten Werbeversprechen zu ködern, wird seitens der Hersteller bei der Gestaltung der Verpackungen kräftig gemogelt.

Der Verbraucher ist deshalb gefordert, „alte Gewohnheiten“ beim Erwerb von Nahrungsergänzungsmitteln in Frage zu stellen und die Produktkennzeichnung sehr aufmerksam und kritisch zu lesen.

 

Das CVUA Stuttgart hat aus diesem Anlass Aufmachung, Werbeversprechen und Beschaffenheit von glucosamin- und chondroitinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln unter die Lupe genommen.

 

Wissenswertes

Infokasten

Glucosamin

Glucosamin ist ein im menschlichen Körper natürlicherweise vorkommender, an Eiweiß gebundener Aminozucker - ein Derivat der Glucose, wobei eine Hydroxylgruppe durch eine Aminogruppe substituiert ist.

 Die Substanz dient als Baustein komplexer Makromoleküle in Bindegewebe und Gelenkknorpeln sowie in der Gelenkflüssigkeit. Glucosamin kommt in der Natur auch in der Gerüstsubstanz (Chitin) von Insekten und Krebstieren vor. Für die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln wird Glucosamin z.B. aus Shrimps gewonnen.
Glycoaminglykane sind auch in z.B. Grünlippmuscheln enthalten.

 

Chondroitin

Bei Chondroitinsulfat handelt sich um ein Gemisch sulfatierter Mucopolysaccharide, also ebenfalls um „Zuckerabkömmlinge“.

 Es ist im Gewebe an Proteine gekoppelt und ein Hauptbestandteil des Knorpels (griechisch Chondros) sowie der Knochen und des Bindegewebes.

 Chondroitin wird aus Schlachtabfällen wie der Luftröhre von Rindern, aus Schweineohren oder –schnauzen oder aus Haifischknorpel hergestellt.

 

Aktuelle Rechtslage

Aufgrund der Regelungen in der sog „Health-Claims-Verordnung“ (VO (EG) 1924/2006) dürfen seit dem 14.12.2012 (eigentlich) nur noch gesundheitsbezogene Werbeaussagen (sog. „Claims“) verwendet werden, die in einer Liste (VO (EG) 432/2012) veröffentlicht wurden.
Diese Claims haben eine strenge wissenschaftliche Prüfung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bestanden und sind von der EU-Kommission zugelassen worden.
„Durchgefallene“ Claims können in einem sog. „Unionsregister“ eingesehen werden.

 Aus diesem Unionsregister geht hervor, dass alle von der EFSA geprüften Claims für Glucosamin- und Chondroitinverbindungen aufgrund fehlender wissenschaftlicher Nachweise nicht zugelassen worden sind.

 

Unsere Ergebnisse

Im Jahr 2013 wurden am CVUA Stuttgart bisher 21 Proben verschiedener Nahrungsergänzungsmittel untersucht, die Glucosamin und/oder Chondroitin enthielten.
Die Proben waren als „Gelenkpräparate“ o.ä. bezeichnet und wurden im Sinne von „gut für Gelenke, Knochen und Bindegewebe" bzw. „gut für die Beweglichkeit“ etc. beworben.

 Mit einer Ausnahme wurden die Aufmachung der Verpackung und ggf. die Internetwerbung beanstandet.

 

Der Verbraucher wird ausgetrickst!

Um den neuen Vorschriften ansatzweise zu genügen wird vielen Präparaten nun Vitamin C zugesetzt, weil hierfür viele Claims zugelassen worden sind, z.B.:


Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagenbildung / für eine normale Knorpel-/Knochenfunktion bei
                        
Allerdings enthalten sämtliche Erzeugnisse auch weiterhin Glucosamin und/oder Chondroitin. Durch geschickte Anordnung von bildlichen und verbalen Elementen wird dem Verbraucher suggeriert, dass sich auch diese Stoffe  günstig auf die Gelenkgesundheit auswirken.

 

Hier ein fiktives, aber typisches Beispiel:

Bild: Fiktives Beispiel Werbung von Nahrungsergänzungsmitteln.

 

Schmuckelement.

Übrigens

ist nach der Nationalen Verzehrsstudie II die Bevölkerung in Deutschland im Allgemeinen mit Vitamin C gut versorgt. Auch enthalten viele andere Nahrungsergänzungsmittel

Vitamin C.

Eine Supplementierung von Vitamin C speziell im Hinblick auf die Unterstützung der Gelenkgesundheit erscheint damit überflüssig.

 

 

Sind Nahrungsergänzungsmittel mit tierischem Eiweiß (Gelatine, Kollagen) oder Antioxidantien (z.B. aus der Hagebutte) eine sinnvolle Alternative?

Insbesondere auf sog. „Kaffeefahrten“ werden für solche Produkte extrem überhöhte Preise verlangt.

 Die für diese Stoffe beantragten Claims sind bei der wissenschaftlichen Prüfung durch die EU ebenfalls durchgefallen. Für die Erhaltung der Gelenkgesundheit bzw. zur Vorbeugung von Gelenkbeschwerden eignen sich die Produkte also nicht.

 

Blick auf andere Produktgruppen

Die Liste der Produktgruppen innerhalb der Nahrungsergänzungsmittel ist lang, bei denen die Hersteller versuchen,  die Nichtzulassung von bisher gewohnten gesundheitsbezogenen Werbeaussagen zu verschleiern.
Bisher besonders aufgefallen sind auch Präparate für die Augen- und Blasengesundheit. Für die hier typischen, dem Verbraucher bekannten Zutaten Lutein und Zeaxanthin bzw. Cranberry-Erzeugnisse wurde keiner der beantragten Claims positiv beschieden.

 Zum Schutz der Verbraucher vor Irreführung und Täuschung setzt sich das CVUA Stuttgart für eine konsequente Umsetzung der Health-Claims-Verordnung ein und beanstandet, wenn nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angaben direkt oder indirekt weiterverwendet werden.

 

Es wird mit Spannung erwartet, wie sich künftig die Gerichte zu der geschilderten Problematik äußern.

 

Bildernachweis

Microsoft Office Gallery.

 

Artikel erstmals erschienen am 29.05.2013 13:21:39

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