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Atmende Bakterien – eine hausgemachte Schutzatmosphäre?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Anne Kommer

 

Schutzatmosphäre ohne Zutun des Verpackers? Unerklärliche Befunde ließen die Sachverständigen des CVUA Stuttgart nachforschen. Die Untersuchungen bringen erstaunliche Erkenntnisse ans Licht ...

Schutzgas-Untersuchungen

Häufig versetzen Hersteller zur Verlängerung der Haltbarkeit der verpackten Lebensmittel ihre Fertigpackungen mit einer speziellen Gasatmosphäre (wir berichteten: Schutzgas - dient es immer dem Schutz des Verbrauchers?). Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen Hersteller die Verwendung einer Gasatmosphäre kenntlich machen (§ 9 Abs. 7 Zusatzstoff-Zulassungsverordnung).

 

Das CVUA Stuttgart überprüft routinemäßig die Zusammensetzung der Gasatmosphäre in Fertigpackungen (O2- und CO2-Partialdrücke). Wir werden aufmerksam, wenn eine veränderte Gasatmosphäre festgestellt wird, eine Kenntlichmachung aber fehlt. Die veränderte Atmosphäre weist auf die zulässige, jedoch kennzeichnungspflichtige Anwendung von Schutzgas hin. Gesichert festgestellt werden kann die Verwendung von Schutzgas bei Fertigpackungen aber nur in dem Betrieb, der die Fertigpackung herstellt. Ist eine entsprechende Anlage vorhanden, so wird der Laborverdacht bestätigt.

 

Beobachtungen und Experiment

In letzter Zeit gaben die Lebensmittelkontrolleure vor Ort einige Male allerdings negative Rückmeldung: Trotz erhöhtem CO2-Gehalt besaß der betroffene Verpackungsbetrieb gar keine Schutzgas-Anlage. Woher kamen dann jedoch die erhöhten Werte?

 

Um der Sache nachzugehen, verschweißten wir verschiedene Produkte (rohes Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch sowie Brüh- und Rohwurstaufschnitt) mit einem Rest Raumluft luftdicht in Folienpackungen. Kurz nach dem Verpacken bestimmten wir die Zusammensetzung der Gasatmosphäre in unseren Packungen. Andere einzeln verpackten Portionen wurden anschließend im Kühlschrank bei etwa + 7 °C über ca. 14 Tage gelagert. Die Messungen wurden in regelmäßigen Abständen (1 – 3 Tage) wiederholt.

 

Abbildung 1: Die Lebensmittel werden in kleine Portionen gleichmäßig aufgeteilt und in Tüten verpackt. Hier am Beispiel einer Brühwurst und einer Rohwurst.

Abbildung 1: Die Lebensmittel werden in kleine Portionen gleichmäßig aufgeteilt und in Tüten verpackt. Hier am Beispiel einer Brühwurst und einer Rohwurst.

 

Abbildung 2 (links): Die Proben werden unter Raumluft verschweißt und damit luftdicht verpackt.

Abbildung 2 (links): Die Proben werden unter Raumluft verschweißt und damit luftdicht verpackt.

Abbildung 3 (rechts): Die Gasatmosphäre wird vermessen.

 

Es zeigt sich Erstaunliches: Bei den unter Raumluft im Labor verpackten Produkten war bereits nach 2-3 Tagen ein Anstieg des CO2-Partialdrucks festzustellen. Erwartungsgemäß sank gleichzeitig der O2-Partialdruck. Dabei nahm bei rohem Fleisch und Rohwurst der CO2-Partialdruck viel rascher zu und der O2-Partialdruck rascher ab als bei der Brühwurst. Die Veränderungen in der Gas-Zusammensetzung gingen bei den Experimenten mit einer Erhöhung der Gesamtkeimzahl einher, wie stichprobenartige Untersuchungen zeigten.

 

Fazit

Manche Bakterien produzieren CO2. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber dass die so entstandenen Mengen an CO2 ausreichen, um den CO2-Partialdruck um mehrere Volumenprozente deutlich messbar zu erhöhen, überraschte doch.
So muss bei einem erhöhten CO2- oder einem niedrigerem O2-Partialdruck als üblich in Zukunft der Herstellerbetrieb genauer unter die Lupe genommen werden: Findet sich beim Hersteller oder Verpacker tatsächlich keine Schutzgas-Anlage, so kann davon ausgegangen werden, dass die Veränderung der Atmosphären durch die Aktivität von Mikroorganismen entstand.

 

Am Rande bemerkt ...

... ist der Einsatz von Mikroorganismen, um einer Gasatmosphäre zu erzeugen, keineswegs empfehlenswert: Zum einen lässt sich die Zusammensetzung im Gegensatz zu einer durch Zusatz von Gasen erzeugte Atmosphäre kaum kontrollieren und führt in der Regel zu keiner Stabilisierung des Lebensmittels. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob das von Mikroorganismen erzeugte Gas den gesetzlich vorgegebenen Reinheitsanforderungen an ein Schutzgas genügt. Zum anderen kann bei einer zu starken Besiedlung mit Mikroorganismen eine nachteilige Beeinflussung des Lebensmittels entstehen.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 21.03.2014 12:05:19

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