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Acrylamid im Weihnachtsgebäck

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Rüdiger Weißhaar

 

Wie schon in den Vorjahren, wurden auch in der Vorweihnachtszeit 2014 am CVUA Stuttgart Lebkuchen und Spekulatius auf Acrylamid untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung von 45 Stichproben: Es gibt große Schwankungen im Acrylamidgehalt. Die meisten Proben wiesen erfreulich niedrige Gehalte auf, der EU-Richtwert für Acrylamid wurde lediglich bei zwei Lebkuchenproben überschritten.

Spekulatiuskekse und Lebkuchen stehen schon seit Jahren weit oben auf der Hitliste der Acrylamid verdächtigen Lebensmittel. Sie enthalten reichliche Mengen an reduzierenden Zuckern (z.B. Glucose und Fructose aus Honig) und werden oft bei recht hohen Temperaturen gebacken, um den gewünschten Bräunungsgrad und das typische Aroma zu erhalten.

 

Ein wichtiger Grund für die hohen Gehalte an Acrylamid lag in der Vergangenheit auch in der Verwendung von Ammoniumsalzen (Hirschhornsalz, ABC-Trieb) als Backtriebmittel. Seitdem Industrie und das Bäckerhandwerk auf diese Stoffe weitgehend verzichten, findet man nur noch selten extrem hohe Acrylamidgehalte im Weihnachtsgebäck.

 

Dies belegen auch die neuesten Untersuchungen des CVUA Stuttgart. In der aktuellen Weihnachtssaison wurden insgesamt 45 Proben Lebkuchen und lebkuchenähnliche Erzeugnisse sowie Spekulatius auf Acrylamid untersucht.

 

In zwei Proben Lebkuchen wurde der aktuelle EU-Richtwert für Acrylamid, derzeit 1000 µg/kg, überschritten.
Der Medianwert für alle Erzeugnisse lag bei 158 µg/kg, das bedeutet, dass die Hälfte der untersuchten Proben Acrylamidgehalte unter 158 µg/kg aufwiesen. In 13 Proben lag der Acrylamidgehalt sogar unter der Bestimmungsgrenze von 30 µg/kg.

 

Vier der untersuchten Lebkuchen wiesen Gehalte über 500 µg/kg auf, d.h. über 50 % des Richtwertes. Diese Produkte sind Spezialitäten aus traditioneller handwerklicher Fertigung. Wenn man bedenkt, dass in dieser Produktgruppe noch vor einigen Jahren Acrylamidgehalte über 5000 µg/kg auftraten, sieht man, dass auch hier deutliche Fortschritte erreicht worden sind. In den letzten Jahren werden zudem auch vermehrt die weicheren, feuchteren Lebkuchensorten angeboten, die herstellungs- und rezepturbedingt deutlich niedrigere Acrylamidgehalte aufweisen, als trockenere, relativ harte Erzeugnisse.

 

Der höchste Gehalt an Acrylamid wurde, wie auch in den Vorjahren, in einer Probe Lebkuchen aus handwerklicher Fertigung festgestellt, er betrug 2120 µg/kg.

 

Besonders niedrig lagen die Gehalte dagegen bei gefüllten Erzeugnissen, da diese in der Regel besonders schonend gebacken werden.

 

Bei den Spekulatiuserzeugnissen wies die helle Sorte Butterspekulatius erwartungsgemäß deutlich niedrigere Werte auf, als die wesentlich dunklere Sorte Gewürzspekulatius. Der höchste Acrylamidgehalt in dieser Gruppe betrug 404 µg/kg und lag damit unter dem EU-Richtwert von 500 µg/kg.

 

Die Untersuchungen bleiben nicht ohne Konsequenzen. Zwar werden hohe Acrylamidgehalte nicht als Rechtsverstoß geahndet. Die betroffenen Herstellerbetriebe werden aber von der Lebensmittelüberwachung über die hohen Gehalte informiert und gleichzeitig kompetent beraten, wie in Zukunft die Belastung mit Acrylamid deutlich gesenkt werden kann.

 

Auch in der privaten Weihnachtsbäckerei kann man "Acrylamid bewusst" backen, wenn man einige einfache Regeln einhält:
Tipps zur Vermeidung von Acrylamid beim Backen von Lebkuchen.

 

Infokasten

Acrylamid

Auch über 10 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln ist man sich über die toxikologische Bewertung dieser Kontaminationen immer noch nicht einig: Einerseits gilt Acrylamid nach wie vor als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" andererseits haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten feststellen können.

 

Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt das "ALARA"-Prinzip (as low as reasonably achievable): Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist. Zu diesem Zweck gibt es in Deutschland seit 2002 das Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen "Signalwerten". Signalwerte sind keine rechtlich verbindlichen Höchstwerte, sondern Orientierungswerte, bei deren Überschreitung Lebensmittelüberwachung und Lebensmittelproduzenten gemeinsam nach den Ursachen und nach Strategien zur künftigen Verminderung der Acrylamidgehalte suchen. Im Januar 2011 wurden mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Untersuchung des Acrylamidgehalts von Lebensmitteln auf europäischer Ebene Richtwerte ("Indicative values") für viele Lebensmittelgruppen eingeführt, für die vorher in Deutschland nationale Signalwerte galten. Im November 2013 wurde die Liste der Richtwerte noch einmal erweitert, so dass inzwischen für alle relevanten Lebensmittelgruppen EU-Richtwerte vorhanden sind.

 

Weiterführende Informationen zum Thema Acrylamid finden sie auf der Homepage des BfR.

 

Artikel erstmals erschienen am 17.12.2014 15:18:16

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