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3-MCPD-Ester in raffinierten Speisefetten und Speiseölen -aktualisierter Bericht

Einleitung

3-MCPD war lange Zeit nur in Würzsoßen und Backwaren bekannt. Vor kurzem wurde jedoch festgestellt, dass diese Substanz, an Fettsäuren gebunden, in Form von 3-MCPD-Estern, in beträchtlichen Mengen bei der Raffination von Speisefetten und Speiseölen gebildet wird. Native Speiseöle sind dagegen frei von 3-MCPD-Estern. Da raffinierte Fette und Öle nicht nur als solche verzehrt werden, sondern auch in vielen anderen Lebensmitteln als Zutat enthalten sind, sind auch die 3-MCPD-Ester weit verbreitet. Im Augenblick kann allerdings noch nicht endgültig abgeschätzt werden, ob sich dies nachteilig auf die Gesundheit der Verbraucher auswirken kann, da eine abschließende Risikobewertung der 3-MCPD-Ester bisher noch aussteht.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat am 11.12.2007 eine erste Stellungnahme abgegeben und kommt dabei zu dem Schluss, dass die Gehalte gesenkt werden müssen, eine akute Gesundheitsgefahr aber nicht besteht.

 

Was ist 3-MCPD?

3-Chlor-1,2-propandiol (3-MCPD) ist eine Substanz, die schon seit 1978 als Kontaminant in verschiedenen Lebensmitteln bekannt ist. Zuerst wurde angenommen, dass 3-MCPD hauptsächlich in bestimmten Würzsoßen zu finden ist, die durch salzsaure Hydrolyse von Pflanzeneiweiß hergestellt werden. Im Laufe der Zeit stellte sich aber heraus, dass diese Substanz auch beim Herstellen von Backwaren oder beim Toasten von Brot gebildet wird. Im Jahre 2006 entdeckten Lebensmittelchemiker am CVUA Stuttgart, dass 3-MCPD auch beim Räuchern von Lebensmitteln entsteht (siehe Artikel: 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) in geräucherten Fleischwaren).

In Lebensmitteln wurde im Rahmen der amtlichen Überwachung bisher nur sogenanntes freies 3-MCPD bestimmt. Für freies 3-MCPD besteht ein EU-Grenzwert von 20 µg/kg, gültig für Sojasauce und für Pflanzenproteinhydrolysat (HVP).

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU-Kommission (SCF) und das Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) haben 2001 für (freies) 3-MCPD eine tolerierbare Aufnahme (TDI) in Höhe von 2 µg pro kg Körpergewicht proTag festgelegt. 3-MCPD hat sich bei hoher Dosierung bei Ratten als Tumor bildend erwiesen.

Freies 3-MCPD wurde in Speisefetten und -ölen bisher nur im Spurenbereich unter 10 µg/kg nachgewiesen. Im Jahr 2006 haben jedoch Forscher an der Universität Prag festgestellt, dass Speiseöle hohe Gehalte an 3-MCPD-Fettsäureestern, im folgenden 3-MCPD-Ester genannt, enthalten können.

 

Was sind 3-MCPD-Ester und wo kommen sie vor?

3-MCPD-Ester sind Verbindungen aus 3-MCPD und verschiedenen Fettsäuren, sie entstehen bei hoher Temperatur durch eine Reaktion von Fettbestandteilen mit Chlorid-Ionen.

Kurz nach Veröffentlichung der Befunde aus Prag begann das CVUA Stuttgart sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Nachdem zuerst das bestehende Analysenverfahren entscheidend verbessert worden war, wurden bisher mehr als 350 Proben an Fetten, Ölen und fetthaltigen Lebensmitteln auf 3-MCPD-Ester untersucht. Die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchungen sind in der Abbildung zusammengefasst und lassen sich folgendermaßen interpretieren:

 

 

Native und kaltgepresste Pflanzenöle

In allen bisher untersuchten nativen Pflanzenölen, dazu gehören z.B. auch Olivenöle der Kategorie „nativ extra“ wurden keine 3-MCPD-Ester festgestellt. Dies war auch nicht anders zu erwarten, denn native Speiseöle dürfen bei der Herstellung keinerlei Hitzebehandlung unterzogen werden.

Pflanzenöle, die als „kaltgepresst“ ausgelobt werden, enthielten nur in ganz wenigen Fällen 3-MCPD-Ester. Die kaltgepressten Öle mit einem auffälligen Gehalt an 3-MCPD-Estern wurden mit großer Wahrscheinlichkeit einer Behandlung mit Wasserdampf (Dämpfung) unterzogen. Die Dämpfung von kaltgepressten Ölen ist weit verbreitet, die Dämpfungsbedingungen (Temperatur und Zeit) liegen in einem großen Schwankungsbereich. Die Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass nur bei relativ drastischen Dämpfungsbedingungen größeren Mengen an 3-MCPD-Estern gebildet werden.

Die Untersuchungsergebnisse für kaltgepresste Sesamöle, Walnussöle und Kürbiskernöle lassen den Schluss zu, dass bei der Röstung (und wahrscheinlich auch bei der Trocknung) von Ölsaaten nur sehr geringe Mengen an 3-MCPD-Estern gebildet werden.

 

Raffinierte Pflanzenöle

Ausnahmslos alle untersuchten raffinierten Pflanzenöle enthalten 3-MCPD-Ester, in sehr unterschiedlichen, teilweise sehr hohen Gehalten. Die höchsten Werte wurden bei raffiniertem Palmöl, raffiniertem Walnussöl und raffiniertem Traubenkernöl festgestellt.

Die Untersuchungsergebnisse lassen den eindeutigen Schluss zu, dass bei der Raffination von Speiseölen erhebliche Mengen an 3-MCPD-Estern gebildet werden.

Die Raffination von Fetten und Ölen muss übrigens nicht kenntlich gemacht werden. Wenn ein pflanzliches Öl weder als „nativ“ noch als „kaltgepresst“ ausgezeichnet ist, kann man allerdings davon ausgehen, dass es raffiniert ist.

Raffinierte Pflanzenöle findet man auch in Fischkonserven, Antipasti, Pesto etc. , daher sind auch in diesen Produkten 3-MCPD-Ester zu finden.

 

Tierische Fette

Alle untersuchten Proben von Butter, Schweineschmalz, Gänseschmalz und Entenfett enthielten keine 3-MCPD-Ester. Dies liegt sicher daran, dass tierische Fette in Deutschland normalerweise nicht raffiniert werden.

 

Frittierfette -Margarine - Kuchenglasuren - Keksfüllungen - Nuss-Nougat-Cremes

Hochraffinierte Pflanzenöle und -fette, teilweise auch gehärtete und umgeesterte Fette, sind Grundbestandteil vieler Frittierfette und Margarinen. Bei diesen beiden Produktgruppen wurden bisher die höchsten Gehalte an 3-MCPD-Estern festgestellt. Ähnliches gilt auch für Kuchenglasuren und fetthaltige Keksfüllungen.

Tendenziell scheinen Produkte mit gehärteten oder umgeesterten Fetten oder mit Palmöl bzw. Palmölfraktionen die höchsten Gehalte an 3-MCPD-Estern aufzuweisen. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass diese Fette häufig zweimal raffiniert werden. Beim Palmöl kommt noch dazu, dass es meist hohe Gehalte an Mono- und Diglyceriden aufweist, dies sind wichtige Ausgangssubstanzen für die Bildung von 3-MCPD-Estern.

Nuss-Nougat-Cremes enthalten zwar in der Regel keine gehärteten Fette, dafür aber häufig raffiniertes Palmöl, was die hohen Gehalte an 3-MCPD-Estern erklärt.

 

Säuglingsmilchpulver

Säuglinge benötigen für ihre Ernährung eine sorgfältig abgestimmte Mischung aus verschiedenen essentiellen Fettsäuren. Deshalb enthält Säuglingsmilchnahrung (Anfangs- und Folgemilchnahrung in Form von Trockenpulver) verschiedene pflanzliche und tierische Fette und Öle. Diese können nur in raffinierter Form zugegeben werden, da sie geschmacklich neutral sein sollen und eine ausreichende Haltbarkeit aufweisen müssen. Wegen des Zusatzes raffinierter Fette und Öle wurden auch im Fettanteil von Säuglingsmilchnahrung größere Gehalte an 3-MCPD-Estern nachgewiesen.

 

Woher kommen die 3-MCPD-Ester?

Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass 3-MCPD-Ester in erster Linie bei der Raffination gebildet werden. Die Raffination von Speisefetten und Speiseölen ist ein mehrstufiger chemischen und physikalischen Prozess, durch den rohe, in diesem Zustand ungenießbare Öle für den menschlichen Verzehr brauchbar und haltbar gemacht werden. Der weitaus überwiegende Teil aller Speisefette und Speiseöle, die als solche verzehrt oder als Zutat zu anderen Lebensmitteln verwendet werden, ist raffiniert. Die wichtigsten Prozessschritte einer Raffination sind die Entschleimung (Entfernung von Lecithin und Schleimstoffen), die Entsäuerung (Entfernung von freien Fettsäuren) und die Bleichung (Entfernung von Farbstoffen und Oxidationsprodukten). Der letzte Schritt der Raffination ist in der Regel die Desodorierung. Dabei werden durch eine Wasserdampfdestillation unter vermindertem Druck bei Temperaturen bis 250°C unerwünschte Geruchs- und Geschmackstoffe entfernt.

Die weitere Aufklärung, bei welchem Teilschritt der Raffination die Hauptmenge an 3-MCPD-Estern gebildet werden, erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Lipidforschung der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BFEL).

Die gemeinsam durchgeführten Versuche führten zu dem eindeutigen Ergebnis, dass in Speisefetten und Speiseölen nahezu die gesamte Menge an 3-MCPD-Estern erst im letzten Schritt der Raffination, der Desodorierung, gebildet wird.

Übrigens können auch bei der Dämpfung (Behandlung kaltgepresster Öle mit Wasserdampf unter milderen Bedingungen) 3-MCPD-Ester gebildet werden, wenn Dämpfungsbedingungen (Temperatur und Zeit) zu drastisch sind.

 

Was bedeutet dies für den Verbraucher?

Weltweit werden weit über 90% aller Pflanzenfette und Pflanzenöle für den menschlichen Verzehr einer Raffination und damit auch einer Desodorierung unterzogen. Lediglich Olivenöl kommt hauptsächlich unraffiniert als natives Olivenöl bzw. naives Olivenöl extra zum Verkauf. Neben Pflanzenölen wird auch praktisch das gesamte Fischöl raffiniert, Schlachttierfette und Milchfett werden dagegen meist nicht raffiniert. Bei der Raffination werden nicht nur unangenehme Geruchs- und Geschmacksstoffe, sondern auch toxische Substanzen wie Pestizide, Schwermetalle, giftige Pflanzeninhaltsstoffe, Mykotoxine und polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe entfernt. Ohne Raffination könnte ein großer Anteil der weltweit erzeugten Fette und Öle nicht für die menschliche Ernährung genutzt werden.

Raffinierte Speisefette werden nicht nur als solche verzehrt, z.B. als Salatöl, als Brat- und Frittierfett, als Fettkomponente von Margarine und Mayonnaise, sondern sie sind auch als Zutat in vielen anderen Lebensmitteln, von der Fettglasur in Backwaren, über Keksfüllungen und Brotaufstrichen, bis hin zur Säuglingsnahrung, enthalten.

 

Besteht für den Verbraucher ein Gesundheitsrisiko?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine erste toxikologische Einschätzung zur Bedeutung der 3-MCPD-Ester in Fetten und fetthaltigen Lebensmitteln abgegeben. Danach besteht keine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit, sowohl für Erwachsene als auch für Säuglinge und Kleinkinder. Einige wichtige Fragen sind aber bisher von der Wissenschaft noch nicht geklärt worden, insbesondere die Frage, ob 3-MCPD-Ester im menschlichen Verdauungstrakt zu freiem 3-MCPD gespalten werden können. Da ein Rest an Unsicherheit über die Langzeitfolgen von 3-MCPD-Estern besteht, ist es notwendig, die Gehalte in den Lebensmitteln soweit wie möglich zu minimieren. Auch die European Food Safety Authority (EFSA) hat sich in ähnlicher Weise geäußert.

 

Was können Verbraucher und Lebensmittelwirtschaft tun?

Die Lebensmittelwirtschaft steht vor dem schwierigen Problem, das jahrzehntelang bewährte Verfahren der Raffination von Speisefetten und Speiseölen mit einer ganz neuen Zielrichtung zu verbessern und zu optimieren. Dieser Anpassungsprozess wird, trotz größter Anstrengungen der betroffenen Industrie, nicht von heute auf morgen zu verwirklichen sein.

Ein Sonderfall stellt die Säuglingsmilchnahrung dar, bei diesem sehr sensiblen Lebensmittel sind die Hersteller in ganz besonderem Maße gefordert, die Gehalte an 3-MCPD-Ester vorrangig zu senken. Eltern sollten ihre Säuglinge auch weiterhin wie gewohnt füttern. Für Säuglinge, die nicht gestillt werden können, gibt es keine Alternative zu Anfangs- und Folgenahrung. Mütter sollten auch nicht auf Kuhmilch, Ziegen- oder Pferdemilch ausweichen, da ihnen wichtige Nährstoffe fehlen, die der Säugling braucht.

 

Weitere Informationen

Stellungnahme des BfR:
Säuglingsanfangs- und Folgenahrung kann gesundheitlich bedenkliche 3-MCPD-Fettsäureester enthalten

FAQ des BfR:
Ausgewählte Fragen und Antworten zu 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD)

European Food Safety Authority (EFSA):
Statement of the Scientific Panel on Contaminants in the Food chain (CONTAM) on a request from the European Commission related to 3-MCPD esters

 

Rüdiger Weißhaar

 

Artikel erstmals erschienen am 11.04.2008 11:19:00

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