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Ergebnisse einer Lagerungsstudie mit anzeigepflichtigen Fischviren (VHS + IHN)

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Lisa-Marie Müller

 

In den letzten zwei Jahren beobachteten wir eine steigende Tendenz von Infektionen mit der Viralen Hämorrhagischen Septikämie (VHS) und der Infektiösen Hämatopoetischen Nekrose (IHN) bei Regenbogenforellen. Diese gehören in der Bundesrepublik zu den wirtschaftlich bedeutendsten Nutzfischarten und mit rund 10.000 Tonnen Speisefischen pro Jahr auch zu den ertragsstärksten Arten. Die Hauptregionen, in welchen die Forellen in Aquakulturbetrieben gehalten werden, sind Baden-Württemberg und Bayern. Mehr als 60 % aller Speiseforellen werden in diesen beiden Bundesländern aufgezogen [3, 9]. Daher ist die Gesundheitsüberwachung und tierärztliche Betreuung dieser Bestände essenziell. Die VHS und IHN zählen zu den ökonomisch bedeutendsten Infektionen bei Salmoniden in unseren Breiten. Es kann zu Verlusten von 80–100 % der betroffenen Fische in den Beständen kommen [14, 15].

 

Bei einem Blick auf die Daten der letzten neun Jahre erkennt man einen deutlichen Wiederanstieg der VHS- und vor allem der IHN-Ausbrüche in den Jahren 2014 und 2015 (Tabelle 1).

 

Tabelle1 : Anzahl der in Deutschland gemeldeten VHS-/IHN-Fälle in den Jahren 2007 bis 2015, Daten des deutschen Tierseuchen-Nachrichtensystems (TSN) [11]
Jahr
Anzahl der VHS-Fälle
Anzahl der IHN-Fälle
2007
28
6
2008
32
6
2009
36
6
2010
24
5
2011
22
9
2012
12
6
2013
12
5
2014
19
16
2015
24
21

 

Projekt

Um einen sicheren Nachweis des VHS- und IHN-Virus zu gewährleisten, werden die einzelnen Untersuchungsschritte von der Probenentnahme bis zur Auswahl der Untersuchungsmethoden durch die EU-Richtlinie 2006/88/EG geregelt [7]. Insbesondere wird auf die Untersuchungszeiträume und die Transportbedingungen hingewiesen, da sich Parameter wie beispielsweise Umgebungstemperatur, bakterielle Begleitflora oder RNAsen in der Probe negativ auf das Virusgenom sowie auf die spätere Kultivierbarkeit der Viren auswirken können.

Um die Vorgaben der Europäischen Kommission zu Probenahme und Probenvorbereitung gesetzeskonform und praxisnah umzusetzen, wurde am CVUA Stuttgart im Rahmen eines studentischen Projekts eine Versuchsreihe mit unterschiedlichen Lagerungsbedingungen virushaltiger Proben von Regenbogenforellen durchgeführt. Quantitative PCR-Ergebnisse und die Kultivierbarkeit des Virus sollten die Auswirkungen der unterschiedlichen Lagerbedingungen darstellen. Da im Versuchszeittraum kein VHS- oder IHN- Ausbruch in den betreuten Fischbeständen vorlag, war es im ersten Schritt notwendig, aus Organen gesunder Fische und den entsprechenden Virussuspensionen (VHS/IHN) ein Organ-Virus-Gemisch herzustellen (sogenanntes „Spiken“ der Gewebeproben). In den Versuchsreihen wurden die virushaltigen Proben dann sowohl im Kühlschrank (Abbildung 1) als auch bei Raumtemperatur (Abbildung 2) gelagert sowie in einem weiteren Versuchsansatz mehrmals eingefroren und wieder aufgetaut (Abbildung 3), da die Vorschriften zur Lagerung des entnommenen Organmaterials eigentlich nur ein einmaliges Einfrieren erlauben. Die Proben wurden dann sofort (Zeitpunkt „0“) sowie nach 24 h, 48 h, 72 h und einer Woche Lagerung mittels quantitativer Polymerasekettenreaktion (RT-qPCR) untersucht. Außerdem wurde versucht, die Viren nach den verschiedenen Versuchsdurchläufen in der Zellkultur zu vermehren, um die Rest-Infektiosität der Proben zu beurteilen (Abbildung 4–6, Tabelle 2).

 

 

Ergebnisse RT-qPCR

Abbildung 1: Ct-Werte der RT-qPCR nach Lagerung der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben bei Kühlschrankbedingungen (6 °C).

Abbildung 1: Ct-Werte der RT-qPCR nach Lagerung der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben bei Kühlschrankbedingungen (6 °C).

 

Abbildung 2: Ct-Werte der RT-qPCR nach Lagerung der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben bei Raumtemperatur. In den IHNV-haltigen Proben waren nach dem 2. Lagerungstag IHN-Viren in der PCR nicht mehr nachweisbar.

Abbildung 2: Ct-Werte der RT-qPCR nach Lagerung der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben bei Raumtemperatur. In den IHNV-haltigen Proben waren nach dem 2. Lagerungstag IHN-Viren in der PCR nicht mehr nachweisbar.

 

Abbildung 3: Ct-Werte der RT-qPCR der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben nach mehrfachem Einfrieren und Auftauen.

Abbildung 3: Ct-Werte der RT-qPCR der VHSV-haltigen und IHNV-haltigen Proben nach mehrfachem Einfrieren und Auftauen.

 

 

Ergebnisse der Virusanzüchtung und Immunfluoreszenzfärbung

Abbildung 4: RTG-Zellen, Kulturkontrolle. Geschlossener Zellrasen ohne eine erkennbare Zellschädigung, kein CPE sichtbar (20-fache Vergrößerung).

Abbildung 4: RTG-Zellen, Kulturkontrolle. Geschlossener Zellrasen ohne eine erkennbare Zellschädigung, kein CPE sichtbar (20-fache Vergrößerung).

 

Abbildung 5: EPC-Zellen mit VHS-Probe. CPE in Form einer Zellverklumpung und Zellrasenablösung ist sichtbar (20-fache Vergrößerung).

Abbildung 5: EPC-Zellen mit VHS-Probe. CPE in Form einer Zellverklumpung und Zellrasenablösung ist sichtbar (20-fache Vergrößerung).

 

Abbildung 6: Positive VHS-Probe auf RTG-Zellen. Grünleuchtend das Zellzytoplasma mit dem Virus. Immunfluoreszenzbild im Fluoreszenzmikroskop (DMi8, Fa. Leica, 40-fache Vergrößerung).

Abbildung 6: Positive VHS-Probe auf RTG-Zellen. Grünleuchtend das Zellzytoplasma mit dem Virus. Immunfluoreszenzbild im Fluoreszenzmikroskop (DMi8, Fa. Leica, 40-fache Vergrößerung).

 

Tabelle 2: Ergebnisse der Virusanzüchtung zum Nachweis der Infektiosität von VHS- und IHN-Viren nach unterschiedlichen Lagerbedingungen und einer Lagerdauer von einer Woche oder zehn Gefrier-Tauzyklen.
Versuchsbedingung VHS IHN
Kühlschrank Positiv Positiv bis Tag 2
Raumtemperatur Negativ Negativ
10 Mal Einfrieren/Auftauen Positiv Positiv

 

Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Lagerungsversuche deuten darauf hin, dass mehrmaliges Einfrieren und Auftauen weder auf die Infektiösität noch auf den Nukleinsäureabbau eine signifikante Wirkung hat. Die EU-Vorgabe sieht nur ein einmaliges Einfrieren und Auftauen vor, unser Versuch zeigt jedoch, dass auch ein mehrmaliges Einfrieren / Auftauen in der Praxis möglich wäre. Durch eine Lagerung bei 6 °C im Kühlschrank kam es zwar zu keinem messbaren Abbau der Virus-RNA, jedoch führte diese Art der Lagerung bei den IHN-Viren zu einem Verlust der Infektiösität. Eine Lagerung bei Raumtemperatur, die bei beiden Viren zu einem deutlichen Verlust der Infektiösität führte, muss nicht unbedingt auch mit einem Abbau der Virus-RNA einhergehen, wie die Ct-Werte der RT-qPCR bei VHS zeigen. Es wird davon ausgegangen, dass Fischviren schon bei Temperaturen zwischen 20 °C und 30 °C inaktiviert werden, die Virus-RNA jedoch nicht zwangsläufig bei diesen Bedingungen zerstört wird [6]. Einige Autoren kamen in ihren Arbeiten ebenfalls zu dem Ergebnis, dass VHS- und IHN-Viren eine deutlich längere Haltbarkeit bei 4–10 °C als bei 20–28 °C haben [1, 4, 5, 13]. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Forellen bei niedrigen Wassertemperaturen leben und die optimale Virusreplikation dadurch bei 12 °C bis 14 °C gegeben ist [2, 6]. Dies bedeutet, dass die Konzentration an VHSV und IHNV durch die Lagerung unter ungünstigen Bedingungen abnimmt [1, 4, 7, 8, 12, 13]. Die Empfehlungen, dass die entnommenen Proben so schnell wie möglich virologisch untersucht werden müssen, sind zumindest in Bezug auf die Anzüchtbarkeit der Viren in der Zellkultur berechtigt. Die Tatsache, dass es beim IHN-Virus zu einem schnelleren Abbau der RNA bei Raumtemperatur sowie zu einem schnelleren Verlust der Infektiosität bei Kühlschranktemperatur kam, könnte entweder auf eine höhere Empfindlichkeit des IHN-Virus oder auf geringfügige Unterschiede in der Zusammensetzung der Suspensionen (RNAsen, nicht homogene Vermischung) zurückzuführen sein.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass Proben zum Nachweis von VHSV und IHNV entweder für kurze Zeit im Kühlschrank aufbewahrt werden sollten oder bei längeren Lagerungszeiten eingefroren werden müssen.

Die Untersuchung mittels RT-qPCR stellte insgesamt die stabilere und sensitivere Methode zum Virusnachweis in Fischproben dar [2].

 

Infokasten

Virale Hämorrhagische Septikämie & Infektiöse Hämatopoetische Nekrose

Erreger:

Virus aus der Familie der Rhabdoviridae, Genus Novirhabdoviren

 

Vorkommen:

Die Infektion kommt sowohl bei im Süßwasser lebenden Salmoniden als auch bei zahlreichen Meeresfischen vor [1, 14]. Eine Infektion tritt nur bei Temperaturen unter 15 °C auf und verläuft besonders bei Temperaturen von 10 °C akut [1, 9].

 

Krankheitsbild:
  • Erste, akute Phase mit Dunkelfärbung, Exophthalmus (Glotzaugen), feinen Blutungen in der Haut und in den Augen, Lethargie und Blutarmut, großen Verlusten im Bestand
  • Chronische Phase mit immer mehr Dunkelfärbungen, Exophthalmen und ausgeprägter Blutarmut, Verluste lassen nach
  • Dritte Phase mit symptomlosen Fischen bis auf das Erscheinen eines ungewöhnlichen Schwimmverhaltens
  • Betroffen sind vor allen junge Fische, während ältere und adulte Fische und Fische, die eine Virusinfektion überstanden haben, symptomlose Virusträger (Carrier) sein können [1, 8, 9].

 

Diagnose:

In Deutschland gehören sie zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen. Die Untersuchung erfolgt molekularbiologisch mittels RT-qPCR und durch Vermehrung der Viren in Zellkulturen.

 

Quellen

[1] Baur W.H., Rapp, J. (2003): Gesunde Fische, 2. Auflage; S. 190– 197, Blackwell Verlag GmbH, Berlin.

[2] Baur W.H., Bräuer, G, Rapp, J. (2010): Nutzfische und Krebse, 3.Auflage; S. 158, Enke Verlag, Stuttgart.

[3] Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft: Institut für Fischerei, Forellenteichwirtschaft.

[4] Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft: Institut für Fischerei, Jahresbericht 2012, S. 25f.

[5] Burke, J., Mulcahy, D. (1983): Retention of infectious haematopoetic necrosis virus infectivity in fish tissue homogenates and fluids stored at three temperatures. Journal of Fish Diseases 6, 543–547.

[6] Dietzgen, R.G., Kuzmin, I.V. (2012): Rhabdoviruses: Molecular Taxonomy, Evolution, Genomics, Ecology, Host-Vector Interactions, Cytopathology and Control; S. 99, Caister Academic Press.

[7] Europäische Kommission: Anhänge des Durchführungsbeschlusses der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 2006/88/EG hinsichtlich der Anforderungen an die Überwachung und der Diagnosemethoden, Brüssel, den 11.09.2015 C(2015) 6188 final

[8] Friedrich-Loeffler-Institut: Amtliche Methodensammlung: Infektiöse Hämatopoetische Nekrose (IHN) und Virale Hämorrhagische Septikämie (VHS) der Salmoniden; S. 2–4; vollständig Überarbeitete Version, Stand 01.04.2016.

[9] Hochwartner O., Licek E., Weismann T. (2008): Das ABC der Fischkrankheiten; S.81f., S.156f.; Leopold Stocker Verlag, Graz.

[10] Jahresbericht zur Deutschen Binnenfischerei und Binnenaquakultur 2014.

[11] Jahresübersicht der Tierseuchen, Tierseucheninformationssystem.

[12] Licek, E. (2011): Tenazität von Fischviren und die Bedeutung für die Desinfektion in der Fischzucht. Österreichs Fischerei 64, 95–99.

[13] Neukirch, M. (1984):Virale Hämorrhagische Septikämie (VHS) bei Regenbogenforellen (Salmo gairdneri Rich.): Einfluß von Wassertemperatur und Körpergewicht auf die Mortalität nach experimenteller Infektion über das Wasser. Berliner und Münchener Tierärztliche Wschrift 97, 329–332.

[14] Pham, P.H. et al. (2013): Differential effects of viral Hemorrhagic septicaemia virus (VHSV) genotypes Iva and IVb on gill epithelial and spleen macrophage cell lines from rainbow trout (Oncorhynchus mykiss). Fish& Shellfish Immunology 34, 632–640.

[15] Řehulka, J. (2003): Haematological analyses in rainbow trout Oncorhynchus mykiss affected by viral haemorrhagic septicaemia (VHS). Diseases of Aquatic Organisms 56, 185–193.

 

Artikel erstmals erschienen am 28.12.2016 10:26:30

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