Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in Lebensmitteln - Bilanz 2012

Erich Klein, CVUA Sigmaringen

 

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in Lebensmitteln - Bilanz 2012

Bei den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) - einer Stoffgruppe aus ca. 250 verschiedenen Verbindungen - handelt es sich um ubiquitär vorkommende Umweltkontaminanten. Benzo(a)pyren ist der bekannteste Vertreter dieser Stoffgruppe. Das Gefährdungspotential besteht in der Kanzerogenität einiger Vertreter dieser Stoffklasse. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU hat insgesamt 15 einzelne PAK-Substanzen aufgelistet, die als karzinogen eingestuft werden.
Im Verlaufe der Metabolisierung entstehen im Körper Epoxide, die an DNA-Bestandteile binden können und damit eine genotoxische Wirkung haben.

PAK werden u.a. gebildet bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material, aber auch beim Grillen, Räuchern von Lebensmitteln sowie beim Rauchen von Tabakerzeugnissen (z.B. Zigaretten). Fast die Hälfte der durchschnittlichen PAK-Belastung bei Menschen wird durch kontaminierte Nahrungsmittel verursacht. Eine überhöhte Belastung von geräucherten Lebensmitteln, wie z.B. Rauchfleisch und geräucherte Fische, kann durch unsachgemäße Räucherverfahren verursacht werden. Auch Trocknungsverfahren über offenem Feuer führen zu überhöhten PAK-Gehalten in Lebensmitteln. In diesen Fällen handelt es sich um eine herstellungsbedingte Kontamination. Die Kontamination von pflanzlichen Lebensmitteln, wie z.B. Getreide und Gemüse, mit PAK entsteht auch durch Ablagerungen von PAK-haltigem Staub aus der Luft, ist also umweltbedingt.

Seit 01.09.2012 sind in Anhang 6 der VO (EG) Nr. 1881/2006 zusätzlich zu den Einzelgrenzwerten für Benzo(a)pyren auch Summengrenzwerte für 4 PAK [Benzo(a)pyren, Chrysen, Benz(a)anthracen und Benzo(b)fluoranthen]festgesetzt worden.

Es gibt aber nach wie vor - mit Ausnahme von Säuglingsnahrung und diätetischen Lebensmitteln - keine Höchstgehalte für pflanzliche Lebensmittel. Gemäß Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 sind jedoch Kontaminanten auf so niedrige Gehalte zu begrenzen, wie sie durch gute Praxis auf allen Stufen der Herstellung und Verarbeitung erreicht werden können (Minimierungsprinzip).

Im Berichtszeitraum wurden 447 Lebensmittel auf ihre Gehalte an PAK untersucht.
Nur bei einer Probe Sprotten wurde eine Höchstmengenüberschreitung festgestellt. Allerdings wurden mehrere Proben Spirulina-Algenpräparat wegen sehr hoher PAK-Gehalte als nicht sichere Lebensmittel beurteilt.

 

Auszugsweise Untersuchungsergebnisse zu einzelnen Warengruppen

Fleisch und Fleischerzeugnisse
Insgesamt wurden 109 Proben untersucht. Besonderer Focus wurde auf gegrillte Fleischerzeugnisse wie Hamburger, Cheeseburger gerichtet, nachdem in solchen Produkten in Gaststätten und Imbisseinrichtungen in Frankreich und Dänemark im Rahmen der amtlichen Überwachung erhöhte Gehalte an PAK festgestellt worden waren. Ein entsprechendes Programm wurde auch im Bundesweiten Überwachungsplan (BÜP) 2012 aufgelegt.

Diagramme Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass nur wenige Proben überhaupt mit PAK belastet waren. Die höchsten BaP-Gehalte mit jeweils ca. 2 µg/kg wiesen ein Hamburger und ein Grillsteak auf. Die entsprechenden Summenwerte für die 4 PAK lagen bei ca. 5 und 7 µg/kg. Die Grenzwerte der VO (EG) Nr. 1881/2006 von 5 µg/kg für BaP und 30 µg/kg waren insofern deutlich unterschritten.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Erzeugnisse nahezu PAK-frei sind, wenn sie mit einem Gasgrill oder mit einem Elektrogrill gebraten werden.
Erst bei Verwendung von Holz- bzw. Holzkohle als Brennmaterial ist in Abhängigkeit von der Entstehung von Rauch mit höheren PAK-Rückständen zu rechnen.
zu PAK

Als Einzelfall ist insofern eine Verbraucherbeschwerde zu betrachten. An einem Marktstand einer baden-württembergischen Großstadt wurden sogenannte Winzersteaks angeboten, wobei das Fleisch über einer Flamme direkt erhitzt wurde. Manche Fleischstücke waren außen bereits teilweise schwarz verkohlt. Die Grenzwerte für BaP mit 18,9 µg/kg und Summe 4 PAK mit 70,2 µg/kg waren somit drastisch überschritten. Nach Angaben des Händlers wären diese Steaks jedoch nicht in den Verkauf gelangt, da der Verbraucher ein derartiges Produkt aus sensorischen Gründen schon ablehnen würde.

 

 

 

Fische, Fischerzeugnisse

Auffällige PAK-Gehalte in 60 Proben geräucherten Fischen und Fischkonserven waren nur in Einzelfällen festzustellen. Auch die seit Jahren hinreichend bekannte PAK-Problematik in Fischkonserven mit geräucherten Sprotten in Speiseöl aus dem Baltikum (Lettland, Estland, Litauen) scheint sich zu bessern. Es finden sich mittlerweile sogar Sprotten in Öl, die keine bzw. nur geringe PAK-Spuren aufweisen. Nachdem die EU die Festlegung eines gesonderten Höchstgehaltes für BaP in Fischkonserven abgelehnt hatte, scheinen die baltischen Länder (Estland, Lettland, Litauen) ihre traditionellen Räucherverfahren zu optimieren bzw. haben auf moderne Räucherverfahren mit Raucharomen umgestellt.


In einer Probe Sprotten-Paste, die in einer 160 g Dose als streichfähiges Produkt von einem Hersteller aus Lettland im Handel angeboten wurde, wurden hohe Gehalte an BaP mit 13 µg/kg und Summe 4 PAK mit 87 µg/kg festgestellt. Es handelte sich um eine Verdachtsprobe, die im Rahmen des RASFF-Schnellwarnsystems mitgeteilt worden war. Die in Anhang 6 der VO (EG) Nr. 1881/2006 für geräucherte Fische und Fischerzeugnisse festgesetzten Höchstgehalte für Benzo(a)pyren von 5,0 µg/kg und für die Summe 4 PAK von 30,0 µg/kg waren somit deutlich überschritten.

 

Öle, fetthaltige Produkte, Ölsaaten und Schalenfrüchte
In 129 untersuchten Proben wurden keine auffälligen Befunde erhalten. Die Gehalte an BaP lagen in verschiedensten Pflanzenölen, Kakaobutter und Schokolade unter 1 µg/kg bzw. BaP war nicht nachweisbar. Weiterhin wurden folgende Erzeugnisse untersucht: Kokoserzeugnisse, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Pinienkerne, Mandelkerne, Pistazien, Haselnüsse, Aprikosenkerne.

 

Nahrungsergänzungsmittel Algenprodukte
Aufgrund der Kenntnis der PAK-Problematik in einzelnen Algenpräparaten aus den letzten beiden Jahren wurde auch im Jahr 2012 ein Schwerpunkt auf die Überprüfung der PAK-Gehalte in insgesamt 31 Proben gelegt (18 Proben Rotalgen, Seegras u.ä. Produkte sowie 13 Proben Mikroalgenpräpate, z.B. Spirulina/Chlorella/AFA). Erneut wurden insbesondere in (Bio-) Spirulina Mikroalgenpräparaten sehr hohe Gehalte an Benzo(a)pyren (bis ca. 17 µg/kg) und anderen PAK (Summe 4 PAK z.T. über 100 µg/kg) festgestellt. Diese in Pulver- und Tablettenform im Handel angebotenen Nahrungsergänzungsmittel werden mit positiver Wirkung auf das zentrale Nervensystem des Menschen beworben. Derart belastete Proben sind also nach wie vor im Handel.

 

Diagramm

 

Bislang ist in der VO (EG) Nr. 1881/2006 noch keine Höchstmenge für Algenpräparate festgelegt. Mittlerweile liegen jedoch ausreichend Untersuchungsdaten vor, die zeigen, dass derartige Produkte mit relativ geringeren PAK-Gehalten hergestellt werden können. Bei den 43 in den Jahren 2010 bis 2012 untersuchten Proben von Mikroalgenpräparaten lag der Median bei 1,1 µg/kg (BaP) bzw. 9,6 µg/kg (Summe 4 PAK), der Mittelwert bei 4,7 µg/kg (BaP) bzw. 35,2 µg/kg (Summe 4 PAK). Deshalb wurden mehrere Proben mit überdurchschnittlich hohen PAK-Gehalten (BaP > 5 µg/kg) nach Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 (Minimierungsprinzip) und Art. 14 Abs. 2b der VO (EG) Nr. 178/2002 als nicht sicheres Lebensmittel beurteilt.


Aufgrund der Beanstandungen haben die Inverkehrbringer derartiger Produkte in den Herstellerländern nach möglichen Ursachen recherchiert. Die anerkannte deutsche Zertifizierungsstelle CERES* teilte mit, dass diese Produkte vor allem in China produziert werden und als möglicher Grund für die PAK-Kontamination mit Dieselmotoren betriebene Trocknungsanlagen im Verdacht stehen. Sachgerechte Trocknungsverfahren wie Gefriertrocknung, Sprühtrocknung oder Trocknung auf Förderbändern bei 60 - 65 °C würden dagegen bei korrekter Durchführung praktisch keine PAK-Rückstände erwarten lassen.

Mittlerweile nahm auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dahingehend Stellung, „... dass für derartige PAK-Rückstände keine Aufnahmemenge ableitbar ist, die nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung einhergeht. Für Gehalte dieser Verbindungen in Lebensmitteln gilt ein Minimierungsgebot. Die Gehalte sollten so gering sein, wie auf dem aktuellen Stand der Technik vernünftigerweise erreichbar ist (as low as reasonable achievable - ALARA-Prinzip). Derart hohe PAK-Gehalte an BaP und 4 PAK sind als nicht akzeptabel anzusehen."

Die Bewertung des BfR erfolgte in Bezug auf Proben mit Gehalten an BaP von 7 bis 12 µg/kg und Summe 4 PAK von 87 bis 100 µg/kg. Die Zertifizierungsstelle CERES* etablierte mittlerweile folgende Richtwerte für Mikroalgenprodukte ihrer Kunden: BaP 2 µg/kg und Summe 4 PAK 10 µg/kg [siehe: CERES Policy Nr. 4.1.14 Micro Algae Standard (Stand: 2013-01-24)).

 

*CERES = Zertifizierungsstelle für ökologischen Landbau und Verarbeitung von Öko-Lebensmitteln, gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelverarbeitung, sowie für Öko-Textilien und nachhaltige Biokraftstoffe; 91230 Happurg; anerkannt von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Bonn, und von der DAkkS Berlin akkreditiert als Zertifizierungsstelle für verschiedenste Produkte (DAkkS-Reg.nr. D-ZE-14008-01-00)

 

Artikel erstmals erschienen am 28.05.2013 13:43:21

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