Pyrrolizidinalkaloide in Küchenkräutern – Vorsicht bei borretschhaltigen Mischungen
Thomas Kapp
Nachdem Meldungen über Funde lebertoxischer Pyrrolizidinalkaloide (PA) insbesondere in Kräuter- oder Rooibostee mittlerweile zum Alltag gehören, hat das CVUA Stuttgart in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt auch 62 Proben Küchenkräuter gezielt auf diese unerwünschten und gesundheitlich bedenklichen Stoffe untersucht – mit teils überraschendem Ergebnis.
Welche Proben wurden untersucht?
Im Fokus der Untersuchungen standen küchenfertig zerkleinerte Kräuter, bei denen der Verbraucher in der Regel keine Möglichkeit mehr hat, Fremdpflanzenteile zu erkennen oder auszusortieren. Die untersuchten Proben lassen sich unterteilen in frische, zerkleinerte Kräuter (5 Proben), getrocknete Kräuter (13 Proben) sowie Tiefkühl-Kräuter (44 Proben). Während es sich bei frischen, zerkleinerten Kräutern ausschließlich um sortenreine Proben wie Schnittlauchröllchen oder geschnittene Petersilie handelte, umfassten die getrockneten und Tiefkühl-Kräuter auch Kräutermischungen wie Salatkräuter oder mediterrane Kräutermischungen.
Frische Kräuter mit intakten Strukturen können noch leicht anhand ihrer Blattform identifiziert werden (hier: Oregano). Bei zerkleinerten Kräutern ist häufig nicht mehr optisch erkennbar, ob Fremdbestandteile enthalten sind. Foto: ariesa66/Pixabay, CC0 Public Domain.
Infokasten
Pyrrolizidinalkaloide
Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind eine Gruppe aus mehreren hundert strukturell eng verwandten Einzelverbindungen. Sie dienen den Pflanzen als Schutz gegen Fressfeinde und kommen natürlicherweise in über 6000 Pflanzenarten vor, die hauptsächlich drei Familien zuzuordnen sind:
- den Korbblütlern (Asteraceae),
- den Hülsenfrüchtlern (Fabaceae oder Leguminosae) und
- den Raublatt- oder Borretschgewächsen (Boraginaceae).
Problematisch und damit unerwünscht in Lebensmitteln sind PA aufgrund ihrer chronisch leberschädigenden Wirkung. Als besonders problematisch gilt die Untergruppe der ungesättigten PA, die im Verdacht stehen, das Erbgut zu schädigen, und sich im Tierversuch als krebserregend erwiesen haben.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in diesem Zusammenhang eine Tagesdosis von 0,007 µg ungesättigten PA/kg Körpergewicht nicht zu überschreiten [1]. Für einen Erwachsenen mit einem Körpergewicht von 60 kg entspricht dies der außerordentlich geringen Menge von 0,42 µg PA pro Tag. Noch kleiner fällt die entsprechende PA-Menge bei Kindern oder Kleinkindern aus.
Das Untersuchungsspektrum am CVUA Stuttgart umfasst derzeit 30 toxische Einzelverbindungen. Um PA-Belastungen der untersuchten Proben besser darstellen und vergleichen zu können, wurden die gemessenen Einzelwerte zu Summengehalten zusammengefasst.
PA-bildende Pflanzen werden – mit Ausnahme von Borretsch – üblicherweise nicht als Lebensmittel verzehrt. Erhöhte PA-Gehalte deuten daher in der Regel auf eine Miternte und Weiterverarbeitung von Fremdpflanzen hin. Aufgrund der ausgeprägten Toxizität sollten Anstrengungen unternommen werden, die Belastungen mit PA so weit wie möglich zu vermeiden.
Untersuchungsergebnisse
Frische und getrocknete Kräuter
In frischen, zerkleinerten Kräutern wies nur eine einzige Probe geringste Spuren von PA auf, wohingegen die Gruppe der getrockneten Kräuter bereits deutlich mehr Diversität zeigte. Eine Probe gerebelter Petersilie fiel durch einen überdurchschnittlich hohen PA-Gehalt von 200 µg/kg auf. Der mit Abstand höchste PA-Gehalt wurde jedoch in einer Probe „Italienische Kräutermischung“ festgestellt, die neben Oregano, Rosmarin, Basilikum und Majoran offenbar noch weitere, aber leider toxische Fremdkräuter enthielt und aufgrund eines PA-Gehalts von 6200 µg/kg als nicht sicheres Lebensmittel beanstandet wurde. Bereits der Verzehr eines Gramms dieser getrockneten Kräutermischung hätte zur Folge, dass die noch als unbedenklich betrachtete Tagesdosis (siehe Infokasten) für einen Erwachsenen um das 14-fache überschritten wird.
Tiefkühlkräuter
Von den 44 untersuchten Tiefkühlkräutern handelte es sich in 16 Fällen um zerkleinerte Einzelkräuter wie Schnittlauch, Petersilie, Basilikum oder Dill. In der überwiegenden Mehrheit dieser Proben (14 von 16 Proben) waren erfreulicherweise keine PA nachweisbar. Lediglich in zwei Einzelkräuter-Proben wurden PA-Verunreinigungen im unteren Spurenbereich nachgewiesen.
Überblick über die Untersuchungsergebnisse. In etwa zwei Dritteln aller Proben wurden keine oder nur Spuren von Pyrrolizidinalkaloiden festgestellt. Nennenswerte PA-Gehalte wurden insbesondere bei borretschhaltigen Tiefkühl-Kräutermischungen beobachtet. (BG: Bestimmungsgrenze, TK: Tiefkühl)
Ein anderes Bild zeigte sich bei den verbliebenen Tiefkühl-Kräutermischungen. Auffällig waren hier vor allem jene 15 Proben, die Borretsch als Zutat enthielten. Diese werden häufig als 6-, 7- oder 8-Kräutermischungen vermarktet und sind erst durch einen aufmerksamen Blick in das Zutatenverzeichnis als borretsch- und damit PA-haltig zu erkennen. Der Borretschanteil ist hierbei abhängig von der jeweiligen Rezeptur der Kräutermischung und beträgt in der Regel 10 % des Gesamtgewichts oder weniger. Entsprechend des für Borretsch typischen PA-Musters wurden in allen borretschhaltigen Kräutermischungen ausgeprägte Gehalte an Lycopsamin-N-oxid festgestellt. Zusätzlich zu den aus Borretsch stammenden PA wiesen 6 der 15 Proben Anzeichen einer Verunreinigung mit giftigem Kreuzkraut auf. In der am höchsten belasteten Tiefkühlmischung wurde ein PA-Gehalt von 770 µg/kg ermittelt, wovon jedoch nur ein Zehntel auf Borretsch als deklarierte Zutat zurückzuführen war. Der Rest der beobachteten Alkaloide wies ein für Kreuzkraut typisches Muster auf, woraufhin auch diese Probe als nicht sicheres Lebensmittel infolge der Kontamination mit PA-haltigen Fremdpflanzen beanstandet wurde.
Was bedeutet das für den Verbraucher?
Im Gegensatz zur Situation in anderen Lebensmitteln ist der positive Nachweis von PA in borretschhaltigen Kräutermischungen nicht gleichbedeutend mit einer Verunreinigung durch unerwünschte Fremdpflanzenbestandteile, sondern geht auf die Verwendung einer PA-haltigen Zutat zurück. Der klare Vorteil für den Verbraucher besteht darin, dass er erhöhte PA-Gehalte durch einen interessierten Blick auf das Zutatenverzeichnis erkennen und damit, falls gewünscht, auch darauf reagieren kann.
Borretschliebhaber sollten sich der Problematik bewusst sein, dass diese Pflanze Inhaltsstoffe bildet, die einen übermäßigen Verzehr aus toxikologischer Sicht bedenklich erscheinen lassen. Im Durchschnitt wiesen borretschhaltige Kräutermischungen einen zutatenbedingten PA-Gehalt von rund 200 µg/kg auf. Der tägliche Verzehr von etwa 2 Gramm derartiger Kräutermischungen wäre damit für einen Erwachsenen noch als unbedenklich einzustufen. Größere Mengen sollten jedoch nicht regelmäßig verzehrt werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Gesamtexposition gegenüber PA durch andere Lebensmittel wie Kräutertee oder Honig zusätzlich erhöhen kann.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass beim Verzehr von reinem Borretsch – beispielsweise aus dem heimischen Garten – Vorsicht geboten ist. Wissenschaftlich belastbare Daten zum PA-Gehalt von reinem Borretsch sind noch nicht verfügbar und werden derzeit auch am CVUA Stuttgart im Rahmen eines laufenden Monitoringprojektes ermittelt. Wer wirklich sicher gehen möchte, sollte derweil auf Borretsch ganz verzichten.
Infokasten
Borretsch
Die eigentlich im Mittelmeerraum heimische Pflanze wird bereits seit dem Mittelalter auch nördlich der Alpen kultiviert und seither u.a. als Gewürzpflanze verwendet. Eine Verwendung als Heilpflanze wird angesichts der enthaltenen, lebertoxischen PA und des gleichzeitig unbelegten therapeutischen Nutzens seit 1991 nicht mehr befürwortet [2]. Unterdessen existieren für Lebensmittel in Deutschland derzeit keine Verwendungsbeschränkungen. Anders stellt sich die Lage beispielsweise in Belgien dar, wo Borretsch aufgrund seines PA-Gehaltes bereits seit 1997 nicht mehr in Lebensmitteln verwendet werden darf [3].
In Deutschland wird Borretsch heute aufgrund seines frischen, gurkenähnlichen Geschmacks hauptsächlich als Küchenkraut verwendet. Als Zugabe zu Salaten, Suppen oder Kräutersoßen erfreut er sich regional zum Teil großer Beliebtheit. So ist Borretsch auch traditioneller Bestandteil der in Hessen sehr beliebten Frankfurter Grünen Soße.
Botanisch zählt Borretsch (Borago officinalis L.) zur Familie der Raublatt- oder Borretschgewächse (Boraginaceae) und besticht optisch durch seine leuchtend blau gefärbten Blüten. An den Kelchblättern, Stängeln und Blättern ist Borretsch auffällig borstig behaart. Die großen, spitz-ovalen und leicht fleischigen Blätter verleihen der Pflanze ein etwas derbes Aussehen, das im Kontrast zu den vergleichsweise zarten Blüten steht. Alle oberirdischen Pflanzenteile enthalten Pyrrolizidinalkaloide, insbesondere die als Gewürzkraut verwendeten Blätter.
Borretsch (Borago officinalis L.), auch bekannt als Gurkenkraut, sollte aufgrund der natürlicherweise enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide nicht in größeren Mengen verzehrt werden. Foto: Fablegros/Pixabay, CC0 Public Domain.
Quellen:
[1] Stellungnahme Nr. 030/2016 des BfR vom 28. September 2016: „Pyrrolizidinalkaloide: Gehalte in Lebensmitteln sollen nach wie vor so weit wie möglich gesenkt werden“
[2] Monographie des BGA/BfArM (Kommission E): "Borago / Boretsch", erschienen im Bundesanzeiger Nr. 127 vom 12.7.1991
[3] Koninklijk Besluit van 29 Augustus 1997 betreffende de fabricage van en de handel in voedingsmiddelen die uit planten of uit plantenbereidingen samengesteld zijn of deze bevatten (B.S. 21.XI.1997)