Als Containment Scout am Gesundheitsamt

Dr. Helene Oberreuter

 

Die Gesundheitsämter erbringen in dieser Pandemie im fortwährenden Ausnahmezustand Höchstleistungen. Unsere Autorin hat als Corona-Detektivin in einem der Ämter ausgeholfen und dabei interessante Erfahrungen gemacht.

 

Aufruf zur Unterstützung

Über die Autorin

Portraitaufnahme von Frau Dr. Oberreuter.

Dr. rer. nat. Helene Oberreuter, Lebensmittelmikrobiologin und Oberregierungsrätin; seit 2012 als Sachverständige und Laborleiterin am CVUA Stuttgart in der Abteilung für Lebensmittel- und Trinkwassermikrobiologie

Im November 2020 erreichte uns ein Hilferuf des baden-württembergischen Sozialministeriums, in dem im Rahmen einer Amtshilfe dringend um Unterstützung für die Gesundheitsämter gebeten wurde: Gesucht wurden Freiwillige zur Nachverfolgung der Kontaktpersonen von mit dem Coronavirus infizierten Menschen, um zur Beherrschung der aktuellen Pandemie beizutragen. Da es von den Mitarbeitenden der Abteilung für Lebensmittel- und Trinkwassermikrobiologie als wichtig erachtet wurde, unsere Solidarität zu zeigen und im Rahmen unserer Möglichkeiten Unterstützung zu leisten, wurde entschieden, für einen Zeitraum von zwei Wintermonaten bis zu zwei Personen für diese Tätigkeit freistellen zu können. In dieser Zeit würden die anderen Abteilungsangehörigen die anfallenden Arbeiten dieser Abgeordneten miterledigen.

 

Der Arbeitsauftrag

Eines der Gesundheitsämter nahm unser Angebot gerne an, und so arbeitete ich in den Monaten Dezember 2020 und Januar 2021 am Gesundheitsamt Böblingen als „Corona-Detektivin“ in einem bunt-gemischten Team. Unsere Arbeitsgruppe setzte sich aus zahlreichen Mitarbeitenden aus ursprünglich unterschiedlichen Bereichen zusammen, wie beispielsweise Abgeordnete anderer Einrichtungen des öffentlichen Dienstes, Bundeswehrangehörige oder befristete Angestellte.

Die Aufgabe von uns Containment Scouts war es dabei, auf SARS CoV II-positiv getestete Menschen anzurufen und ihnen ihre Absonderungsdauer (Isolation) mündlich anzuordnen. Falls enge Kontaktpersonen der Infizierten ebenfalls im Landkreis Böblingen wohnhaft waren, telefonierten wir anschließend auch mit ihnen, um sie von ihrer Quarantänedauer zu unterrichten. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer pro positiv-getestetem Fall inkl. Vor- und Nachbereitung sowie der Kontaktpersonen-Telefonate betrug ca. eine Stunde. Die ermittelten Informationen wurden dann über andere Teams des Gesundheitsamtes an die zuständige Ortspolizeibehörde weitergeleitet, die die mündlich angeordnete Absonderung in schriftlicher Form festsetzte und den Betroffenen übermittelte.

 

Infokasten

Kontaktpersonenermittlung am Gesundheitsamt

Informationsabfrage und Festsetzung der Absonderungsdauer durch die Containment Scouts

Bei jedem Infizierten wurden anhand eines elektronischen Formulars neben persönlichen Daten vor allem folgende Punkte abgefragt: Feststellung etwaiger Erkrankungssymptome, Daten zum Arbeitgeber und dem letzten Präsenzarbeitstag mit Kontakt zu Kolleg*innen, Ermittlung etwaiger zuvor SARS-CoV-II-positiver Kontakte, um die Ansteckungsquelle zu identifizieren und Erfragung der Kontaktpersonen der Kategorie I mit Darstellung des Datums des letzten Kontakts. Gemäß der ab 01.12.2020 gültigen Corona-Verordnung Absonderung [1] berechneten die Containment Scouts den Isolationszeitraum der Infizierten für zehn Tage ab Symptombeginn bzw. in Abwesenheit von Symptomen für zehn Tage ab dem Tag des Nasen-Rachen-Abstrichs. Der Quarantänezeitraum der engen Kontaktpersonen betrug ebenfalls zehn Tage ab dem letzten Kontaktdatum mit der positiv-getesteten Person.

 

Interessante Erfahrungen

Die Reaktionen der Angerufenen waren sehr unterschiedlich: Während die meisten positiv-getesteten Menschen die Anordnung zur Absonderung sehr ernst nahmen und sich aufgrund ihrer meist vorhandenen Symptome oft schon in Selbstisolation begeben hatten, äußerten zuweilen enge Kontaktpersonen, insbesondere wenn sie selbst symptomlos waren, deutlichen verbalen Widerstand gegen die Quarantäneanordnung. Mir wurde erneut bewusst, wie sehr die Eindämmung dieser Pandemie vom Verhalten jedes einzelnen Menschen abhängt, da die Überprüfung der Einhaltung der Quarantänevorschriften für die Vor-Ort-Behörden eine Herausforderung darstellt. Viele Gesprächsteilnehmer hatten darüber hinaus einen hohen Klärungsbedarf ihrer zahlreichen Fragen und suchten teilweise auch seelsorgerliche Unterstützung. Trotz des hohen Arbeitsaufwandes für jeden einzelnen Fall war das Gesundheitsamt Böblingen in diesen beiden Wintermonaten hinsichtlich der Fallbearbeitung praktisch immer à jour, d. h., dass zum Zeitpunkt unserer Ermittlungsanrufe das vom Untersuchungslabor übermittelte positive Testergebnis maximal wenige Stunden alt war. Das Gesundheitsamt war kontinuierlich dabei, personelle Unterstützung zu organisieren, so dass ein großer Pool von Mitarbeitenden die vielen Fälle Hand in Hand auch am Wochenende und an Feiertagen abarbeitete. Die zeitnahe Kontaktpersonennachverfolgung trug dazu bei, Infektionsketten zu unterbrechen und die Epidemie im Landkreis Böblingen beherrschbar zu halten.

 

Fazit und Dank

Die Abordnung war für mich eine interessante Erfahrung und bot mir die Möglichkeit, einen über die normalen Coronamaßnahmen hinausgehenden wertvollen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten zu können. Bedanken möchte ich mich herzlich – auch im Namen aller von der Pandemie Betroffenen – bei allen Kolleginnen und Kollegen am Gesundheitsamt sowie bei meinen Abteilungsangehörigen am CVUA Stuttgart für die allseitige Unterstützung.

 

Bildernachweis

Ekkehard Hiller, CVUA Stuttgart

 

Quellen

[1] Verordnung des Sozialministeriums zur Absonderung von mit dem Virus SARS-CoV-2 infizierten oder krankheitsverdächtigen Personen und deren Haushaltsangehörigen (Corona-Verordnung Absonderung – CoronaVO Absonderung) vom 1. Dezember 2020

 

 

Artikel erstmals erschienen am 02.03.2021