Nüsse in neuen Gewändern?
Dr. Margit Kettl-Grömminger
Zusammenfassung
In den letzten Monaten wurden unterschiedliche zusammengesetzte Lebensmittel, die unter Verwendung von Schalenobst (Nüssen) hergestellt worden sind, auf ihre Belastung durch Mykotoxine untersucht.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass bemängelte Ware nicht einfach von der Bildfläche verschwindet, sondern in verwandelter Form wieder auf dem Markt erscheint.
Einleitung
Immer wieder werden in Nüssen bzw. Schalenobst (z.B. Hasel- und Walnüsse, Erdnüsse, Mandeln, Pistazien) Mykotoxine, insbesondere Aflatoxine, festgestellt. Auf Grund der hohen gesundheitlichen Bedenklichkeit wurden für Aflatoxine Höchstmengen festgesetzt. Nüsse und Schalenobst dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn diese Höchstmengen eingehalten werden. Händler und Produzenten müssen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht ihre Ware auf diese Kontaminanten untersuchen (Eigenkontrolle), sodass möglichst viele Eintragsquellen aufgespürt und ausgeschaltet werden können.
Es ist eine Illusion, dass durch noch so intensive Kontrolle erreicht werden kann, dass nur noch mykotoxinfreie Ware auf dem Markt angeboten wird. Zudem stellt sich die Frage, was mit Ware geschieht, die auf Grund ihres Gehaltes an Mykotoxinen nicht verkehrsfähig ist.
Es ist unwahrscheinlich, dass derartige Nüsse (wegen Aflatoxinbelastung, Sensorik, minderwertiger Qualität) stets korrekt entsorgt werden. Der hohe Preis der Ware lässt immer wieder die Versuchung aufkommen, belastetes Schalenobst „getarnt“, d.h. als Bestandteile zusammengesetzter Lebensmittel, erneut in den Warenkreislauf einzuschleusen. Dafür spricht:
- die Transport- und Lagerfähigkeit der Nüsse,
- der hoher Preis der Ware,
- dass die Nüsse als Zutaten für andere Lebensmittel verwendet werden können.
Aus gutem Grunde hat der Verordnungsgeber ein Vermischungsverbot für belastete Ware festgelegt.
Aufgabe der Lebensmittelüberwachung ist es, sich Gedanken über den Verbleib belasteter Ware zu machen, d.h. wie diese Nüsse „versteckt“ bzw. zu welchen Lebensmitteln sie umgearbeitet werden können und wo sich dies für den Hersteller überhaupt lohnt. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt, wie ein Blick in die Supermarktregale zeigt (s.a. die unten aufgeführten Erzeugnisse).
Wir haben daher in den letzten Monaten Ware, die unter Verwendung von Nüssen hergestellt worden sind, gezielt angefordert und auf Mykotoxine untersucht.
Beispiele für zusammengesetzte Lebensmittel:
- Nussmischungen (Mischung verschiedener Schalenobstarten oder Mischungen mit zusätzlichen Trockenfrüchten, z.B. Studentenfutter)
- Gebrannte Mandeln oder Erdnüsse, Erdnüsse in Karamell, karamellisierte Walnusshälften
- Nüsse in Teigmantel
- Weichkaramellen mit Erdnüssen
- Honig mit Nüssen (Nüsse in Honig eingelegt, in Gläsern
- Nussriegel, Früchteriegel
- Marzipan und Nougat, Brotaufstriche aus Nüssen (z.B. Erdnussbutter, Nussnougatcreme)
- Halva mit Pistazien, Türkischer Honig, Türkischer Nugat
- Erzeugnisse mit eingearbeiteten zerkleinerten Nüssen oder unter Verwendung von nusshaltigen Grundmassen oder mit Nüssen zu Dekorationszwecken (z.B. Nusskekse, Nusspralinen, Nussfüllungen, Speiseeis aus nusshaltigen Grundmassen hergestellt)
Probenvorbereitung und Analytik
Die Analytik zusammengesetzter Nusserzeugnisse gestaltete sich jedoch nicht immer einfach. Bei der Beurteilung des Mykotoxingehaltes der Ware müssen alle Eintragsmöglichkeiten und hohe Umrechnungsfaktoren berücksichtigt werden, zudem können Inhomogenitäten vorliegen.
Wo es möglich war, wurden die kontaminierten Bestandteile herausgelöst und einzeln untersucht. Lag der Verdacht auf Verwendung kontaminierter Zutaten vor, so wurden beim Hersteller die Ausgangsmaterialien separat entnommen.
Empfehlung: Die zur Verarbeitung vorgesehenen Nüsse sollen separat entnommen und untersucht werden. Dies ist einfacher, als die bereits mit diesen Nüssen hergestellten Nussriegel, Schokoladen oder Speiseeis zu untersuchen.
Wenn die zur Verarbeitung vorgesehenen Nüsse nicht greifbar sind, so sind die Zwischenprodukte, z.B. Grundmassen für Speiseeis, Nussfüllungen, Rohmassen an Marzipan, Persipan oder Nougat, Nussmuse direkt anzufordern und zu untersuchen. Bei anderen Erzeugnissen sind z.B. Teigmantel oder Karamellkruste zu entfernen, Schalen- bzw. Überzugsanteile zu bestimmen, um den verzehrsfähigen Nussanteil ermitteln zu können.
Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass in derartigen Erzeugnissen durchaus Mykotoxine (Aflatoxine) auftreten können. Die Gehalte im zusammengesetzten Lebensmittel selbst sind z.T. unauffällig. Werden diese Aflatoxingehalte jedoch rechnerisch auf den Anteil der Zutaten bezogen, die alleinig für den Aflatoxineintrag verantwortlich sein können (i.d.R. Nüsse), so ergeben sich hohe bis sehr hohe Belastungen des Nussanteils. Es sind somit Nüsse verarbeitet worden, die nicht verarbeitet hätten werden dürfen. Daher müssen auch die zusammengesetzten Lebensmittel als nicht verkehrsfähig beurteilt werden (VO EG 1881/2006, Verwendungsverbot).
In der zweiten Jahreshälfte 2009 wurden 22 derartige Erzeugnisse untersucht. Bei 11 Produkten lag der rechnerisch auf den Nussanteil bezogene Gehalt an Aflatoxin B 1 teilweise erheblich über der Höchstmenge von
2 µg/kg (s. Diagramm). Dies bedeutet, dass in 50 % der Ware mykotoxinbelastete Nüsse verarbeitet worden waren.
Es ist durchaus eine lohnenswerte Aufgabe, auch derartige zusammengesetzte Lebensmittel auf ihre Aflatoxinbelastung hin zu überprüfen. Der Verdacht, dass in derartigen Lebensmitteln belastete Nüsse zugegen sind bzw. bei ihrer Herstellung verwendet wurden, ließ sich durch diese Untersuchungen bestätigen.
Im Rahmen unserer Kapazitäten werden wir diese Untersuchungen fortsetzen.
Rechtsgrundlagen
Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln vom 19. Dezember 2006 (ABl. Nr. L 364/5), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 629/2008 vom 2. Juli 2008 (ABl. Nr. L 173/6)