Alkoholfreie Spirituosen - Ein Widerspruch in sich?

Dr. Christina Decker, Celina Sanio, Jan Patrick Vollmer, Johannes Keller (CVUA Karlsruhe)

 

Ob im sogenannten „Dry January“, aus gesundheitlichen Aspekten oder einfach aus Überzeugung – die Gründe für einen vorübergehenden oder gänzlichen Alkoholverzicht sind vielfältig. Wer aber trotzdem z. B. in geselliger Runde einen leckeren Longdrink genießen möchte, dem bietet der Markt in den letzten Jahren immer mehr Auswahl an so betitelten „alkoholfreien Spirituosen“ an. Doch was ist eigentlich drin in diesen Produkten und halten sich die Hersteller an die lebensmittelrechtlichen Vorgaben? Das CVUA Karlsruhe hat in den Jahren 2021 bis 2023 vierzehn „alkoholfreie Spirituosen“ aus diversen Onlineshops und dem stationären Einzelhandel hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Bewerbung und Kennzeichnung untersucht. Die Alkoholgehalte lagen dabei zwischen < 0,1 und 1,0 Volumenprozent. Mehr als ein Drittel der Proben fielen durch unzulässige Nennung von Spirituosenbezeichnungen wie z. B. „Gin“ auf.

Eine bewusste und gesunde Lebensweise wird für viele Verbraucher immer wichtiger. Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich weiter im oberen Drittel liegt, nahm der Alkoholkonsum pro Kopf in den letzten Jahren stetig ab [1].

Dennoch sind Konsumenten an Getränken interessiert, die geschmacklich klassischen Cocktails oder Longdrinks ähneln und nicht nur aus Saft oder Softdrinks bestehen. Mithilfe der alkoholfreien Alternative sollen diese in Bars, auf Veranstaltungen und zu Hause ersetzt werden können.

 

Das Bild zeigt verschiedene Glasflaschen mit unterschiedlichen Angaben zur Auslobung alkoholfrei.

Abb.1: Verschiedene „alkoholfreie Spirituosen" mit unterschiedlichen Angaben zur Auslobung „alkoholfrei"

 

„Alkoholfreie Spirituosen“ – Was steckt drin?

Gin ist die am häufigsten imitierte Spirituose auf dem Markt. Neben Gin werden aber auch Alternativen zu Whisky, Rum, Wermut, Bitter und verschiedenen Likören hergestellt.

Üblicherweise wird Gin durch Mazeration von sogenannten Botanicals (Kräuter, Gewürze, Früchte etc.) in Alkohol und anschließender Destillation hergestellt. Bei der alkoholfreien Variante wird der Alkohol durch Wasser ersetzt. Eine Herausforderung stellt hierbei die geringe Wasserlöslichkeit der Aromen einiger Botanicals dar. Daher wird teilweise die Mazeration mit Alkohol durchgeführt und anschließend der Alkohol von den extrahierten Aromen abgetrennt [2].

 

Bei anderen alkoholfreien Alternativen wird ebenfalls Wasser als Basis verwendet und der Geschmack durch Zugabe von Aromen erzeugt. Neben der Funktion als Geschmacksträger wirkt Alkohol auch konservierend. Bei alkoholfreien Varianten werden daher häufig Konservierungsstoffe wie Benzoe- oder Sorbinsäure eingesetzt um die Haltbarkeit der Produkte zu verlängern. Im Zutatenverzeichnis sind neben Aromen und Konservierungsstoffen auch Verdickungsmittel oder Stoffe mit adstringierender Wirkung wie Chili oder Bitterstoffe zu finden, die das Mundgefühl von Alkohol imitieren sollen.

 

Bezeichnungsschutz von Spirituosen

Nach der Spirituosenverordnung VO (EU) Nr. 2019/787 enthalten Spirituosen einen Mindestalkoholgehalt von 15% vol. (Ausnahme: Eierlikör 14% vol.). Darüber hinaus gelten für Spirituosenkategorien spezielle Anforderungen. Ein Gin muss beispielsweise einen Mindestalkoholgehalt von 37,5% vol. aufweisen.

Alkoholfreie Varianten wie bei Bier oder Wein sind gemäß der Verordnung nicht vorgesehen. Die Verwendung der Spirituosenbezeichnungen, auch in vergleichender Form (z. B. „nach Whisky Art“, „Typ Gin“, …), sind für andere Getränke nicht erlaubt.

Dennoch finden sich bei einigen Herstellern von alkoholfreien Spirituosen-Alternativen Angaben oder Bezeichnungen wie z. B. „No Gin“, „This is not Gin“ oder „Gin-Alternative“, welche für alkoholfreie Produkte unzulässig sind.

 

Das Bild zeigt eine Glasflasche mit unzulässigen Spirituosenbezeichnungen wie z.B. This is not Gin und der alkoholfreie Gin

Abb.2: Beispiele für unzulässige Spirituosenbezeichnungen

 

Ergebnisse der Untersuchungen

Am CVUA Karlsruhe wurden zwischen 2021 und 2023 insgesamt vierzehn verschiedene Proben vom Typ „alkoholfreie Spirituosen“ untersucht. Bei der Zusammensetzung der Produkte wurde in erster Linie der Alkoholgehalt und die Verwendung von Zusatzstoffen wie Konservierungsmittel und Farbstoffe untersucht. Zudem wurde, wenn vorhanden, der Internetauftritt sowie die Kennzeichnung, insbesondere auf unzulässige Spirituosenbezeichnungen unter die Lupe genommen.

 

Nicht immer ganz „alkoholfrei“

Die untersuchten Produkte werden als „alkoholfrei“ beworben. Als alkoholfrei gelten im Allgemeinen Getränke, deren Alkoholgehalt so gering ist, dass er auf alkoholempfindliche Personen (Kinder, Kranke) keinen feststellbaren Einfluss mehr ausübt oder befürchten lässt. In der Regel werden dabei Alkoholgehalte bis 0,5% vol. als tolerierbar und üblich angesehen.

Bei der Hälfte der Proben lag der mittels 1H-NMR-Spektroskopie bestimmte Alkoholgehalt unter 0,1% vol. Bei fünf Proben lag der analysierte Wert in einer Spanne zwischen 0,1 0,5% vol. Bei zwei Proben lag der Alkoholgehalt zwischen 0,5% vol. und 1,0% vol., so dass die Auslobung „alkoholfrei“ lebensmittelrechtlich nicht mehr gerechtfertigt war und als irreführend für den Verbraucher, also als Verbrauchertäuschung, beanstandet wurde.

Das Bild zeigt ein Kreis mit drei farblich unterschiedlichen Tortenstücken. Diese symbolisieren prozentuale Anteile in verschiedenen untersuchten Alkoholgehalten.

Abb.3: Alkoholgehalte in den vierzehn untersuchten „alkoholfreien Spirituosen"

 

Konserviert und gefärbt?

Wie bereits erwähnt besitzen „alkoholfreie Spirituosen“ aufgrund des fehlenden Alkohols keine konservierenden Eigenschaften und enthalten deshalb oftmals Konservierungsmittel. Von den insgesamt vierzehn untersuchten Proben enthielten elf Proben die Konservierungsstoffe Sorbinsäure und/oder Benzoesäure. Lediglich bei einer Probe wurde eine Höchstmengenüberschreitung für Benzoesäure festgestellt, welche auch nicht im Zutatenverzeichnis deklariert war. Bei einer Probe wurde mit einer rein natürlichen Färbung geworben. Bei der Untersuchung wurde jedoch der synthetische blaue Farbstoff Indigotin nachgewiesen.

 

Mangelhafte Kennzeichnung

Bei fünf Proben wurde die unzulässige Verwendung von Spirituosenbezeichnungen - auch als Vergleich (z. B. „die Gin-Alternative“) - beanstandet. Drei Proben wurden zusätzlich als irreführend beanstandet. Darunter waren die beiden Proben mit der unzutreffenden Auslobung „alkoholfrei“ sowie die „natürlich“-Auslobung bei Verwendung von synthetischen Zusatzstoffen.

Die Kennzeichnung nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) war bei insgesamt zehn Proben auf der Verpackung und/oder der Internetaufmachung zu bemängeln (z. B. fehlerhafte Formulierung des Mindesthaltbarkeitsdatums, der Nährwertdeklaration und des Zutatenverzeichnisses). Bei einer Probe wurde zudem in unzulässiger Weise mit einer angeblichen „Verbesserung der Aufmerksamkeit“ geworben (gesundheitsbezogene Angabe).

 

Das Bild zeigt ein Balkendiagramm mit fünf farblich unterschiedlichen Balken. Diese symbolisieren prozentuale Anteile der Beanstandungsgründe.

Abb.4: Balkendiagramm über die Beanstandungsgründe der vierzehn untersuchten „alkoholfreien Spirituosen"

 

Fazit

„Alkoholfreie Spirituosen“ gibt es zwar umgangssprachlich, nicht aber lebensmittelrechtlich. Trotzdem können diese Produkte unter Beachtung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben (Kennzeichnung, Zusatzstoffe etc.) selbstverständlich in den Verkehr gebracht werden und eine Alternative zum Mischen von alkoholfreien Longdrinks oder Cocktails darstellen. Gerade bei der Werbung und Kennzeichnung besteht jedoch bei vielen Produkten noch Nachholbedarf. Vor allem wenn die Hersteller die unzulässigen und täuschenden Angaben korrigieren, steht dem alkoholfreien Genuss auch nichts mehr im Wege.

 

Quellen

[1] Bundesgesundheitsministerium - Alkohol, abgerufen am 16.01.2024.

[2] Mixology - Was ist alkoholfreier Gin?, abgerufen am 16.01.2024.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 17.01.2024