Neue Schnellmethode zur Identifizierung von Bärlauch und seinen giftigen Doppelgängern mit MALDI-TOF MS
Anna Gellert, Thomas Kapp, Carolin Bischoff, Dr. Jörg Rau
Bärlauch kann mit giftigen Pflanzen verwechselt werden. Pünktlich zur Saison können amtliche Proben mit einer neuen massenspektrometrischen Methode schnell und sicher der Pflanzenart zugeordnet werden.
Archivbild: Wolfgang Eckert, Pixabay, CC0 Public Domain
Wilder Bärlauch wird gerne für den Eigenbedarf gesammelt [siehe Infokasten]. Leider kommen dabei immer wieder Verwechslungen mit zeitgleich wachsenden giftigen Wildpflanzen wie Herbstzeitlose, Maiglöckchen und Aronstab vor. Die schnelle und sichere Art-Identifizierung von Blättern und die Analyse der toxischen Inhaltsstoffe ist daher eine wichtige Aufgabe in unseren Laboren. Für die Speziesbestimmung haben wir mit der Matrix-unterstützten Laser-Desorption/Ionisation Flugzeit-Massenspektrometrie (MALDI-TOF MS) nun ein neues praxistaugliches Werkzeug zur Verfügung.
Ab Mitte März zeigen sich die ersten Bärlauchblätter am Waldboden und der typische knoblauchartige Geruch ist in ihrer Nähe wahrnehmbar. Zu dieser Zeit machen sich viele Sammler auf den Weg in den Wald, da das beliebte Wildkraut vielfältig in der Küche eingesetzt werden kann. Beim Sammeln in der freien Natur ist es für den Laien auf den ersten Blick oft nicht einfach, Bärlauch (Allium ursinum) sicher zu erkennen. Bärlauch kann mit seinen zum Teil sehr giftigen Doppelgängern leicht verwechselt werden. Bei genauem Hinsehen lassen sich die Pflanzen jedoch anhand einiger typischer Merkmale optisch voneinander unterscheiden. Von dem häufig empfohlenen Geruchstest ist abzuraten, da der knoblauchartige Bärlauch-Geruch leicht über die eigenen Hände auf die daneben wachsende giftige Pflanze übergehen kann [1].
Im Labor erreichen uns in der Saison neben Kräuterproben auch Produkte mit verarbeitetem Bärlauch. Um Proben hier sicherer nach der Pflanzenart unterscheiden zu können, haben wir nun eine Methode für die MALDI-TOF Massenspektrometrie (MS) etabliert [2]. DasIdentifizierungsverfahren der MALDI-TOF MS nutzt den Abgleich eines Massenspektrums der unbekannten Probe mit den in einer Datenbank hinterlegten Referenzspektren. Das in mikrobiologischen Laboren weit verbreitete MALDI-TOF MS Verfahren ist auch für andere Fragestellungen bestens geeignet [3]. Dies konnten wir in der Vergangenheit bereits für die Bestimmung der Tierart für Fleisch, Käse oder Süßwasserkrebse zeigen [4–6]. Die Technik lässt sich auch auf Pflanzen übertragen, was deren schnelle und sichere Analyse ermöglicht. So lassen sich Blätter mit der MALDI-TOF MS nach einer nur kurzen Probenvorbereitung in etwa 20 Minuten sicher identifizieren [7] (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Methode/Probenaufarbeitung bis zur Messung
Für stärker verarbeitete Lebensmittel wie Bärlauchfrischkäse oder Bärlauchpesto bietet sich in Ergänzung zur Schnellmethode mittels MALDI-TOF MS eine gezieltere Untersuchung der toxischen Inhaltsstoffe von Maiglöckchen (Convallatoxin) oder Herbstzeitlose (Colchicin) an. Die hierfür erforderliche Flüssigchromatographie-Tandemmassenspektrometrie-Kopplung (LC-MS/MS) ist zwar zeitlich und apparativ deutlich aufwändiger, erlaubt aber die sichere Erkennung auch von Verunreinigungen im Spurenbereich. Dadurch lassen sich Gehalte mit Giftwirkung auch in verarbeiteten Produkten aufspüren.
Die Vorteile der MALDI-Methode im Vergleich zu anderen analytischen Verfahren und der visuellen Prüfung sind, dass sie schnell (in etwa 20 min pro Probe), sicher und einfach durchzuführen ist. Der Nachweis der toxischen Bestandteile von Fremdpflanzen mittels LC-MS/MS bietet zwar ein hohes Maß an Sicherheit, erfordert aber deutlich mehr Zeit für die Probenvorbereitung, Messung und Auswertung (insgesamt mehrere Stunden). Für quantitative Aussagen ist aufgrund der erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Qualitätssicherung zudem speziell geschultes Personal erforderlich.
Durch den abgestimmten Einsatz beider Methoden, der MALDI-TOF MS für ganze Pflanzenteile und der LC-MS/MS für verarbeitete Produkte, können wir unsere Ressourcen gezielt und sparsam einsetzen.
Infokasten
Rechtliche Regelungen zum Sammeln von Bärlauch/Wildkräutern allgemein
Nach § 39 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz dürfen geringe Mengen an Teilen wildlebender Pflanzen für den persönlichen Bedarf entnommen werden, solange die Flächen keinem Betretungsverbot unterliegen. Genauer definiert wird im Landeswaldgesetz BW in § 40 Abs. 1, dass dabei Mengen bis zur Größe eines Handstraußes entnommen werden dürfen. Dies gilt auch für Bärlauch [8, 9].
Für das Fachpublikum
MALDI-TOF MS zur Erkennung der Pflanzenspezies anhand der Blätter
Bärlauch (Allium ursinum), gehört zur Gattung Lauch (Allium) innerhalb der Familie der Amaryllidaceae. Im Dendrogramm der MALDI-TOF Massenspektren ist die Abtrennung von den mit Bärlauch botanisch verwandten Lauch- und Zwiebelarten deutlich zu sehen. Ebenso konnte eine sichere Differenzierung von Bärlauch und seinen giftigen Doppelgängern erreicht werden.
Abb. 2: Dendrogramm von MALDI-TOF Referenz-Massenspektren verschiedener Allium-Arten inklusive Bärlauch im Vergleich zu Maiglöckchen, Aronstab und Herbstzeitlose und einer Auswahl weiterer Pflanzen
Die Etablierung einer neuen Fingerprint-basierten Identifizierungsmethode, wie der MALDI-TOF MS für Pflanzen, erfordert im akkreditierten Laborumfeld einen systematischen qualitätssichernden Aufbau.
Im ersten Schritt müssen ausreichend authentische Referenzproben zusammengestellt werden, welche bezüglich der Artbenennung zweifelsfrei abgesichert sind.
Für die Bärlauch-Fragestellung wurden die wild wachsenden Referenzmaterialien der Bärlauch- und Giftpflanzen überwiegend durch botanisch versierte Personen selbst gesammelt. Nutzpflanzen zum Vergleich wurden teilweise auch im Handel erworben. Eine aufwändige Absicherung der Artzuordnung durch Sequenzierung der DNA war nur selten erforderlich.
In zweiten Schritt wird eine geeignete Probenaufarbeitung für die Extraktion der Proteine benötigt.
Für frische, gefrorene und getrocknete Blätter ließ sich eine Methode zur Probenvorbereitung aufsetzen, die sich bereits für andere Pflanzen wie die Heidelbeer-Arten (Vaccinium sp.) übertragen ließ [10]. Ein Laborprotokoll für die Probenvorbereitung ist als Beispiel in der MALDI-TOF User Plattform MALDI-UP [2] verfügbar.
Im dritten Schritt wird aus Vergleichsspektren eine Referenzdatenbank zusammengestellt.
Bei den in den Untersuchungsämtern Baden-Württembergs verwendeten MALDI-Systemen können die Nutzer eigene Referenzspektren erzeugen und zu einer Vergleichsdatenbank zusammenstellen. Das standardisierte Vorgehen ist bei Mikroorganismen von vielen Laboren bereits geübte Praxis. Die selbst erstellten Datenbankeinträge lassen sich als Clusterdiagramm darstellen, in welchem sich die Anordnung der Referenzspektren in verschiedene Untergruppen zeigt (Abb. 2). Hieran ist bereits zu erkennen, ob anhand der verwendeten Referenzsammlung die gewünschte Differenzierung der Arten zu erreichen ist und damit die Fragestellung beantwortet werden kann.
In vierten Schritt erfolgt die formelle Validierung der Methode.
Die Überprüfung der Pflanzenartbestimmung erfolgte als zielgerichtete Identifizierung nach den Kriterien einer aktuellen Leitlinie, die von der § 64 Arbeitsgruppe MALDI-TOF verfasst wurde [11]. Der Umfang und die Darstellung der Validierung hält auch der Akkreditierung stand. Die neuen Parameter Allium ursinum (Bärlauch), sowie die giftigsten Verwechslungs-Kandidaten Colchicum autumnale (Herbstzeitlose), Convallaria majalis (Maiglöckchen) und Arum maculatum (Gefleckter Aronstab) können nun in unseren amtlichen Untersuchungen direkt eingesetzt werden. Validierungsbeispiele finden sich im Werkzeugkasten des MALDI-UP, darunter auch der Report für Bärlauch [12].
Verfügbarkeit durch Austausch
Interessierten MALDI-Nutzern steht eine Übersichtsliste („MALDI-UP Catalogue“) für Referenzspektren über die MALDI-Nutzerplattform MALDI-UP offen. Hierüber können auch gelistete Spektren für eigene Validierungen im Austausch angefragt werden.
LC-MS/MS zum Nachweis der pflanzlichen Toxine
Der spezifische Nachweis relevanter Giftstoffe aus Pflanzen ist nicht nur technisch eine besondere Herausforderung. Die mit Bärlauch verwechselbaren botanischen Arten stammen aus unterschiedlichen taxonomischen Familien. Damit einhergehend weisen auch die nachzuweisenden Giftstoffe deutlich unterschiedliche Strukturen und stark divergierende chemische und toxikologische Eigenschaften auf (Abb. 3).
Abb. 3: a) Strukturformel von Colchicin, einem toxischen Alkaloid aus der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), das Zellteilungsprozesse verhindert und damit zytotoxisch wirkt; b) Strukturformel von Convallatoxin, einem Steroidglykosid des Maiglöckchens (Convallaria majalis) aus der Gruppe der Cardenolide (Herzglykoside); c) Lichtmikroskopische Aufnahme von Oxalat-Raphiden aus Aronstab (Arum maculatum)
Im Toxinlabor des CVUA Stuttgart kommen deshalb diverse Screeningverfahren zum Einsatz, die möglichst viele verschiedene Substanzklassen gleichzeitig erfassen. Im konkreten Fall können die für Maiglöckchen bzw. Herbstzeitlose charakteristischen Glykoside und Alkaloide mittels hochauflösender LC-HRMS/MS anhand ihrer Fragmentspektren und chromatographischen Eigenschaften (Retentionszeit) sicher identifiziert werden. Positive Befunde werden anschließend anhand spezifischer Massenübergänge im Multiple Reaction Monitoring (MRM)-Modus mittels LC-MS/MS quantifiziert (Abb. 4).
Abb. 4: Schematischer toxinanalytischer Workflow mittels LC-HRMS/MS (Non-Target-Screening) (oben) bzw. der tandemmassenspektrometrischen Quantifizierung von Fremdstoffen (unten)
Im Falle des Aronstabes entgehen die beim Verzehr Schleimhautreizungen auslösenden Oxalat-Raphiden der instrumentellen Analytik. Hier ist letztlich immer noch die Mikroskopie die Methode der Wahl (s. Abb. 3c).
Ein wichtiger Baustein für den sicheren Nachweis der immensen Vielfalt an möglichen pflanzlichen Toxinen und Inhaltsstoffen ist neben ständig umfassender werdenden, zum Teil selbst erstellten und gepflegten Spektrenbibliotheken eine gute Verfügbarkeit von gesichertem pflanzlichem Vergleichsmaterial. Auch hier kann die Übersichtsliste der MALDI-UP Nutzerplattform, in welcher auch die vorhandene Materialsammlung integriert ist, gute Dienste leisten.
Wie hier am Beispiel des Bärlauchs gezeigt, ist zur fachlich fundierten Aufklärung einer Fragestellung ein enger Verbund verschiedener analytischer Methoden sehr hilfreich. Wertvolle Ressourcen können sinnvoll und gezielt eingesetzt werden. Eine gute und verlässliche technische Ausstattung sowie ein schneller fachlicher Austausch sind essentielle Requisiten des erfolgreichen Nachweises toxinhaltiger Pflanzen im Lebensmitteln und damit eine wichtige Voraussetzung bei der Aufklärung lebensmittelbedingter Erkrankungen.
Einen Großteil der praktischen Arbeiten für die MALDI Methodenentwicklung, den Datenbankaufbau und die Validierung wurden im Rahmen von studentischen Praxissemestern oder Projekten der Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker im Praktikum (LCiP) ab 2021 unter Betreuung der Autoren geleistet: Dr. C. Schneider (CVUA Stuttgart, LCiP), R. Ormos (Universität Hohenheim Lebensmittelchemie, Forschungsarbeit) Q.H. Le (Universität Münster Lebensmittelchemie, Forschungssemester), L. Ruhs (Hochschule Esslingen Biotechnologie, Praxissemester).
Quellen
[2] CVUA Stuttgart, 2023: Sample preparation procedure for MALDI-TOF MS-Based Identification of Plants
[8] Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 8. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2240) geändert worden ist
[9] https://www.landesrecht-bw.de/perma?a=WaldG_BW
[12] Bärlauch-Validierungsreport