Industriechemikalie Melamin in Deutschland noch nicht in Lebensmitteln festgestellt

Bereits seit Mitte 2007 untersucht das CVUA Stuttgart eiweißhaltige Lebensmittel auf Melamin. In keiner der bisher untersuchten 38 Lebensmittelproben konnte Melamin oder seine Neben- oder Abbauprodukte (Cyanursäure, Ammelin, Ammelid) nachgewiesen werden. Bei den Proben handelt es sich um Soja-, Weizen- und Maiseiweiß, Reismehle und -extrudate sowie ähnliche, eiweißhaltige Getreideprodukte. Derzeit laufen Untersuchungen zur Überprüfung von Säuglingsnahrung.

 

Aktueller Hintergrund

Seit Anfang September 2008 berichten Pressemitteilungen von melaminbelasteter chinesischer Säuglingsmilch, die bei vielen Säuglingen in China schwere Nierenerkrankungen und auch einzelne Todesfälle verursacht hat. Zunächst war nur von einem betroffenen Hersteller die Rede, inzwischen kommt in China ein flächendeckender Skandal ans Licht.

Aus Hongkong wird von einem Fall mit kontaminiertem Speiseeis berichtet. Entgegen ersten Meldungen wurde kontaminierte Ware auch in andere Länder exportiert. Die WHO wurde von China über die Vorfälle informiert und steht Presseberichten zu Folge „in engem Kontakt mit den chinesischen Behörden“.

 

Gefährdungspotential beim Verzehr von mit Melamin belasteten Lebensmitteln

Nach der zur Verfügung stehenden Literatur ist Melamin für den erwachsenen Menschen bei oraler Aufnahme akut kaum giftig und weist auch keine relevante chronische Toxizität auf. Eine Karzinogenität und Mutagenität ist bisher ebenfalls nicht bekannt.

Die orale Aufnahme hoher Mengen (mehr als 10 g) kann Verdauungsbeschwerden verursachen. Cyanursäure gilt im Vergleich zu Melamin als weniger toxisch. Zu Ammelin und Ammelid sind keine Daten verfügbar, aufgrund der Strukturanalogie wird von einem gleichen toxikologischen Potential ausgegangen

Bei langfristigem Einatmen von melaminhaltigen Stäuben (in der Kunststoffindustrie) wird auf die Gefahr von Nierenschäden hingewiesen.

Tierversuche bestätigen eine nierenschädigende Wirkung.

Von der Food and Drug Administration (FDA) der USA wurde im Jahr 2007 für einen 60 kg schweren Menschen eine tolerable tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0.63 mg Melamin pro kg Körpergewicht (KG) abgeleitet, ausgehend von einem NOAEL von 63 mg pro kg KG. Der NOAEL-Wert (engl.: No Observed Adverse Effect Level) steht für die höchste Dosis, bei der noch keine Schädigungen zu erwarten sind.

Von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird für Melamin und seine Nebenprodukte ein provisorischer TDI von 0.5 mg pro kg KG genannt.

Wenn die Verzehrsempfehlung der chinesischen Säuglingsnahrung darauf ausgerichtet ist, einen Proteinbedarf von 1,5 bis 2,5 g pro kg KG zu decken und nur 10 % dieser Eiweißzufuhr durch Melamin ersetzt wird, ergibt sich für einen Säugling eine Belastung mit etwa 30 bis 60 mg Melamin pro kg KG. In Anbetracht des besonders empfindlichen Stoffwechsels kleiner Kinder handelt es sich hier um eine kritische Aufnahmemenge.

 

Rückblick

Anlass für die Untersuchungen im Jahr 2007 waren in den USA aufgetretene, durch Futtermittel verursachte Gesundheitsschäden bei Haustieren.

Als Ursache wurde eine Kontamination von aus China stammenden, proteinhaltigen Futtermittelzutaten mit Melamin und/oder mit dessen Neben- bzw. Abbauprodukten festgestellt.

Die chinesische Regierung hat damals die Verwendung von Melamin in Lebensmitteln ausgeschlossen.

 

Um welche Stoffe handelt es sich?

Chemische Formel von Melamin und seinen Neben- und Abbauprodukten.

Melamin (nicht zu verwechseln mit dem Farbstoff Melanin) wird technisch aus Harnstoff gewonnen. Es ist aufgrund seiner Reaktionsfähigkeit mit Formaldehyd in der Kunststoffherstellung von Bedeutung (Melaminharze, Beschichtung von Oberflächen). Als wichtigste Neben- bzw. Abbauprodukte sind Cyanursäure sowie Ammelin und Ammelid bekannt.

 

Warum wird Melamin zu Eiweißprodukten zugesetzt?

Zur Ermittlung der Güte und damit des Preises eines Eiweißproduktes wird routinemäßig dessen Stickstoffgehalt analysiert. Werden Melamin und/oder seine Nebenprodukte zu proteinhaltigen Lebensmitteln zugesetzt, täuschen sie durch ihren hohen Stickstoffanteil im Molekül wertvolles Eiweiß vor.

Sofern keine weiterführende Analyse erfolgt, kann eine solche Verfälschung verborgen bleiben.

 

Literatur

FDA: News vom 17. März 2007

FDA: Interim Melamine and Analogues Safety/Risk Assessment

Science direct: Urolithiasis and bladder carcinogenicity of melamine in rodents

United States National Library of Medicine, ChemIDplus Lite: Melamine

United States National Library of Medicine, ChemIDplus Lite: Ammeline

United States National Library of Medicine, ChemIDplus Lite: Ammelide

United States National Library of Medicine, ChemIDplus Lite: Cyanuric acid

EFSA Statement

news.com.au: "Deadly milk powder tainted with melamine"

 

 

Artikel erstmals erschienen am 18.09.2008