Alles prima mit Chia? Oder wie steht es um die Pestizidbelastung der beliebten Samen?

Silvia Zechmann

 

Chiasamen, noch als Novel Food gelistet, finden wir mittlerweile in vielen Lebensmitteln. Egal ob im Brötchen beim Bäcker oder im Müsli beim Discounter, Chiasamen als Lebensmittelzutat in unserem Essen überraschen heutzutage kaum noch jemanden. Das überzeichnete Superfood-Image der Chiasamen scheint dabei allerdings an Bedeutung verloren zu haben. Möglicherweise hat sich bereits herumgesprochen, dass heimische Produkte wie Leinsamen ebenso wertvolle Nährstofflieferanten sein können. Unabhängig davon erfreuen sich die kleinen Samen stetiger Beliebtheit. Aber wie sieht es eigentlich mit der Pestizidbelastung der kleinen Samen aus?

 

 

Novel Food, Superfood, Chiasamen? – Was sind Chiasamen überhaupt und wo kommen sie her?

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Novel Food

Nach den EU-Vorschriften gilt jedes Lebensmittel, das vor Mai 1997 nicht in „erheblichem“ Umfang konsumiert wurde, als neuartiges Lebensmittel. Diese Kategorie umfasst neue Lebensmittel, Lebensmittel aus neuen Quellen, neue Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden, sowie neue Verfahren und Technologien zur Herstellung von Lebensmitteln. Beispiele sind das an Omega-3-Fettsäuren reiche Krillöl als neue Nahrungsquelle, essbare Insekten, Pflanzensterine als neue Stoffe oder die Nanotechnologie als neue Art der Nahrungsmittelproduktion.

(Quelle: https://www.efsa.europa.eu/de, 07.12.2022)

 

Chia (Salvia hispanica L.) ist eine einjährige krautige Sommerpflanze aus der Familie der Labiatae. Sie stammt ursprünglich aus Zentral- und Südamerika. Die Samen werden nach der Ernte mechanisch gereinigt. Blüten, Blätter und andere Pflanzenteile werden entfernt. Die Samen der Chia-Pflanze werden fast ausschließlich importiert, in den meisten Fällen aus Paraguay, aber auch aus beispielsweise Bolivien, Mexico oder Uganda. Vereinzelt werden Chiasamen aber beispielsweise auch in Deutschland angebaut.

Die in Chiasamen enthaltenen Nährstoffe ähneln in vielen Bereichen denen von Leinsamen, mit denen sie oft verglichen werden. Es gibt aber auch Unterschiede, z. B. beim Calciumgehalt. Eine Auswahl enthaltener Nährstoffe in Chiasamen und Leinsamen ist zum Vergleich in Tabelle 1 aufgelistet.

 

Tabelle 1: Inhaltsstoffe von Chia- und Leinsamen im Vergleich
Inhaltsstoffe
Chiasamen
Leinsamen
Fett
31–40 %
31 %
gesättigte Fettsäuren*
2,8–4,0 %
2,5–2,8 %
einfach ungesättigte Fettsäuren**
2,2–4,4 %
5,90 %
mehrfach ungesättigte Fettsäuren***
25–33 %
23 %
Eiweiß
17–24 %
24–29 %
Ballaststoffe
30–34 %
27–39 %
Calcium
456–631 mg/100 g
198 mg/100 g
Zink
5–6 mg/100 g
5,5 mg/100 g

* hauptsächlich Palmitin- und Stearinsäure
** hauptsächlich Oleinsäure
*** hauptsächlich Linol (Omega-6-Fettsäure)- und Linolensäure (Omega-3-Fettsäure)
Quellen:
Kulczynski et al. The Chemical Composition and Nutritional Value of Chia Seeds – Current State of Knowledge-Review. Nutrients 2019, 11, 1242; doi:10.3390/nu11061242

S. W. Souci, W. Fachmann und H. Kraut, Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen, Version 8. Stuttgart: MedPharm Scientific Publishers 2016, S. 885

 

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Historie des Novel Foods „Chiasamen“

Bereits im Jahr 2009 wurde entschieden Chiasamen (Salvia hispanica) als neues Lebensmittel und sogenanntes „Novel Food“ zuzulassen. Damals durften sie allerdings nur als Lebensmittelzutat in Broterzeugnissen mit einem Höchstgehalt von 5 % verwendet und verkauft werden.

Reine, vorverpackte Chiasamen waren für den Verbraucher erst seit der Erweiterung der Verwendungszwecke von Chiasamen 2013 erhältlich. Dabei war es verpflichtend, den Verbraucher noch auf der Verpackung darauf hinzuweisen, eine tägliche Aufnahme von 15 g Chiasamen pro Tag nicht zu überschreiten. Aber auch die Verwendung in Frühstückscerealien, Backwaren oder Mischungen aus Früchten, Nüssen und Samen (mit jeweils max. 10 % Chiasamenanteil) war nun erlaubt.

Ende 2017 wurde die Unionsliste der neuartigen Lebensmittel erstellt, in der Anfang 2018 auch die Chiasamen mit nochmals erweiterten, erlaubten Verwendungen aufgeführt wurden. Darunter beispielsweise Fruchtsaft und Frucht-/Gemüsesaftmischungen, allerdings ebenfalls mit der Angabe einer Mengenbegrenzung von 15 g/Tag. Im Jahr 2020 entfielen sämtliche Einschränkungen zur maximalen empfohlenen Tagesverzehrsmenge, sowie manche der vorgegebenen Höchstmengen von Chiasamen in Lebensmitteln. Auch weitere Vermarktungsmöglichkeiten kamen 2020 hinzu, die 2021 in der Unionsliste nochmals erweitert wurden und sich seitdem nicht mehr geändert haben.

 

Und wie sieht es mit der Pestizidbelastung der Chiasamen aus?

Im Jahr 2022 hat das CVUA Stuttgart 20 Proben Chiasamen auf Rückstände und Kontaminanten untersucht. Davon 15 Proben aus ökologischem Anbau, bei dem der Pestizideinsatz nicht erlaubt ist, und 5 Proben aus konventionellem Anbau, bei dem die Pestizidanwendung zwar erlaubt ist, vorgegebene Grenzwerte aber eingehalten werden müssen.

Insgesamt wurden bei den Untersuchungen nur Rückstände von vier verschiedenen Pestiziden festgestellt (nur Rückstände > 0,01 mg/kg wurden berücksichtigt). Hier eine Übersicht:

 

Tabelle 2: Zusammenfassung der festgestellten Pestizidrückstände in 20 Proben Chiasamen im Jahr 2022
Pestizidrückstände
(> 0,01 mg/kg)
Menge und Anzahl betroffener Proben
Beurteilung durch das CVUA Stuttgart
Bio (15)
Konventionell (5)
Phosphonsäure
-
60 % (3)
3x Ohne Beanstandung
Haloxyfop
7 % (1)
-
1x Hinweis/Bemängelung*
Pirimiphos-methyl
7 % (1)
-
irreführende Bio-Kennzeichnung
Paraquat
7 % (1)
80 % (4)
3x nicht verkehrsfähig (2x Konventionell, 1x Bio), zusätzlich eine irreführende Bio-Kennzeichnung

* eine Höchstmengenüberschreitung wurde festgestellt, diese gilt jedoch auf Grund der analytischen Streubreite als nicht gesichert.

 

Das Fungizid Phosphonsäure wurde in drei konventionellen Proben unterhalb der erlaubten Höchstmenge gefunden. Diese Proben waren nicht zu beanstanden.
Das Herbizid Haloxyfop wurde in einer Bio-Probe über dem Orientierungswert für Bio-Produkte von 0,01 mg/kg gefunden, der in diesem Fall auch dem allgemein festgelegten Höchstgehalt für konventionelle Produkte entspricht. Die Überschreitung war hier jedoch statistisch nicht gesichert, so dass ein Hinweis zum festgestellten Pestizidgehalt erfolgte.
Rückstände des Insektizids Pirimiphos-methyl wurden ebenfalls in einer Bio-Probe über dem Orientierungswert für Bio-Produkte von 0,01 mg/kg festgestellt. Die Bio-Kennzeichnung dieser Probe wurde auf Grund der gesicherten Überschreitung des Bio-Orientierungswertes als irreführend beurteilt.
Das Herbizid Paraquat wurde in insgesamt fünf und damit in 25 % der Proben nachgewiesen. Dieses Pestizid wurde bereits vor einigen Jahren im Zusammenhang mit Höchstmengenüberschreitungen in Chiasamen zusammen mit dem artverwandten Stoff Diquat in der Presse erwähnt worden. Drei der fünf untersuchten und mit Paraquat belasteten Chiaproben wurden als nicht verkehrsfähig beurteilt, darunter auch eine Bio-Probe, deren Kennzeichnung zusätzlich als irreführend beurteilt wurde.

 

Insgesamt beträgt die Beanstandungsquote auf Grund von irreführend beurteilter Kennzeichnung von Bio Proben 13 % (Rückstände gesichert über dem Bio-Orientierungswert von 0,01 mg/kg). Die Beanstandungsquote auf Grund der drei gesicherten Höchstmengenüberschreitungen von Paraquat beträgt 15 %. Allein auf die konventionellen Proben bezogen wäre die Beanstandungsquote hier sogar mit 40 % anzugeben, allerdings ist die Anzahl der konventionellen Proben von fünf Stück wenig aussagekräftig.

 

Dennoch, zum Vergleich – bei Leinsamen wurde im Jahr 2022 keine gesicherte Höchstmengenüberschreitung festgestellt, weder bei Bio- noch in konventioneller Ware. Im Großen und Ganzen sind die Ergebnisse unserer Untersuchungen zur Pestizidbelastung von Chiasamen nicht alarmierend - aber auch nicht unauffällig. In jedem Fall sind Chiasamen am CVUA Stuttgart auch dieses Jahr wieder fest als Proben eingeplant.

 

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Die Analytik von Paraquat und Diquat – keine leichte Aufgabe

Diquat/Paraquat sind Kontaktherbizide die oft gemeinsam eingesetzt werden und gehören zur Substanzklasse der Bipyridine. Der Wert für die akute Referenzdosis ist bei Paraquat mit 0,005 mg/kg Körpergewicht relativ niedrig (Diquat 0,01 mg/kg Körpergewicht), was die hohe akute Humantoxizität dieses Stoffes wiederspiegelt. Dies ist auch der Grund dafür, warum Paraquat aber auch Diquat in der EU und in vielen anderen Ländern verboten wurden.

Die Bipyridine Diquat und Paraquat sind keine leicht zu messenden Pestizide und halten für Analytiker in gleich mehreren Bereichen Herausforderungen bereit. Zum einen handelt es sich um stark polare Pestizide, so dass eine gesonderte Extraktionsmethode speziell für polare Pestizide erforderlich ist. Die hier oft eigesetzte QuPPe-Methode muss bei diesen anspruchsvollen Pestiziden jedoch nochmals angepasst werden, um eine sinnvoll hohe Extraktion zu erreichen. Und dennoch neigen Diquat und Paraquat dazu mit Matrixbestandteilen oder auch mit Glasgefäßen zu interagieren, was die Bestimmung der Stoffe weiter verkompliziert.

Bei der Chromatographie (erste Bestimmung und Abtrennung von etwaigen anderen Stoffen und Matrixbestandteilen) warten bereits nächste Schwierigkeiten. Die Trennung der Stoffe geht oft nicht ohne Tailing vonstatten und auch Verluste, beispielsweise durch carry-over, sind häufig ein Problem. Zudem neigen die Substanz-Standards – einmal in Lösung – zur Zersetzung.

Die Messung am Analysegerät selbst erfordert ebenfalls eine Sonderbehandlung der Stoffe. Am besten gelingt die spezifische Bestimmung hier nicht, und wie sonst üblich, über einfachgeladene Moleküle (die in diesem Fall oft gleichzeitig Radikale sind), sondern über doppelt geladene Tochterionen.

Letztendlich ist die Analytik von Diquat/Paraquat anspruchsvoll, aber gut machbar – sofern man die nötige Erfahrung und das Know-How mitbringt. Letzteres findet sich unter quppe.eu.

 

Bildernachweis

Archivbild, Pexels/Jubair Bin Iqbal.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 20.01.2023