Next Generation Sequencing (NGS) - die nächste Generation der Aufklärung von lebensmittelbedingten Erkrankungen

Dr. Jannika Fuchs (CVUA Karlsruhe), Dr. Christine Wind (CVUA Freiburg) und Dr. Ekkehard Hiller (CVUA Stuttgart)

 

Next Generation Sequencing (NGS) ist eine relativ neue Untersuchungsmethode, die es ermöglicht, die Gesamtheit der Erbinformation (DNA) eines Krankheitserregers zu entschlüsseln. Dieser genetische Code ist für einen Bakterienstamm individuell, sogar noch viel einzigartiger als ein menschlicher Fingerabdruck. Wenn man ihn kennt, kann man einen Krankheitserreger, der bei einem Patienten gefunden wurde, mit Bakterienstämmen aus Lebensmitteln vergleichen und so die wahrscheinlichste Quelle der Erkrankung ermitteln.

 

Schematische Darstellung von Bakterienstämmen entlang des Warenstroms „from stable to table“. Mittels NGS können Zusammenhänge bei Bakterienstämmen verschiedener Herkunft festgestellt werden

Schematische Darstellung von Bakterienstämmen entlang des Warenstroms „from stable to table“. Mittels NGS können Zusammenhänge bei Bakterienstämmen verschiedener Herkunft festgestellt werden.

 

Mittels NGS ist es möglich, die verschiedensten Krankheitserreger zu typisieren. Es kann sowohl bei einer Salmonellose im Altersheim, als auch bei über ganz Deutschland verteilten Listeriose-Fällen mit demselben Auslöser zur Ursachenermittlung beitragen.

 

Lebensmittelbedingte Erkrankungen mit bakterieller Ursache in Deutschland

Erkrankungen mit bakterieller Ursache in Deutschland (EHEC*: Enterohämorrhagische Escherichia coli) [1]

 

Häufig ist es Detektivarbeit die Krankheitsursache herauszufinden: Welches Bakterium ist der Übeltäter, durch welches Lebensmittel hat sich der Patient angesteckt, wo stammt dieses Lebensmittel her? Diese Fragen gilt es zu beantworten, um möglichst schnell die Quelle zu finden, damit weitere Ansteckungen verhindert werden. Die Nachforschungen werden erschwert, je länger der Zeitpunkt einer Ansteckung zurückliegt. Ein in dieser Hinsicht besonders tückischer Krankheitserreger stellt das Bakterium Listeria monocytogenes, Verursacher der Listeriose, dar. Die Zeitspanne zwischen Erregeraufnahme und Auftreten von Symptomen kann zwischen wenigen Tagen bis zu zehn Wochen betragen.

 

Weitere Informationen zu Listeria monocytogenes

 

Auch überregionale/nationale und internationale Warenströme erschweren die Detektivarbeit. Gerade in diesen Fällen kann die NGS-Technik zu einer schnellen Aufklärung beitragen, da die Ergebnisse durch internationale Datenbanken sehr gut vergleichbar sind. Die gute Unterscheidung von verschiedenen Stämmen und die moderne Vernetzung machen diese Technik so wichtig für die Zukunft der amtlichen Lebensmittelüberwachung.

 

Um Krankheitsfälle schneller aufklären zu können, bedarf es einer vorausschauenden Nutzung der Technik. Im Rahmen des regelmäßigen Monitorings kann durch die Untersuchung von Bakterienstämmen, die aus Lebensmitteln und aus dem betrieblichen Umfeld von Lebensmittelherstellern isoliert werden, mittels NGS eine Landkarte der Bakterien in Baden-Württemberg angelegt werden, die deren Verbreitung erkennen und im Fall einer Erkrankung die Verbindung zwischen Patient und Lebensmittel zeitnah aufdecken lässt. Dies schafft die Grundlage, um potentielle Gefahren frühzeitig zu identifizieren, damit die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg im Sinne eines vorsorglichen Verbraucherschutzes bestens gerüstet ist.

 

Wird Listeria monocytogenes in einem Betrieb nachgewiesen, ist die Gefahr einer Kontamination der Endprodukte hoch. Deshalb sind eine schnelle und effiziente Identifizierung und Beseitigung der Kontaminationsquelle essentiell, um den Verbraucherschutz sicherzustellen. Auch hier bringt NGS einen entscheidenden Vorteil, denn diese Technik ermöglicht es zu unterscheiden, ob betriebseigene Keime (sogenannte Hauskeime) oder ein Neueintrag durch Rohmaterialien in einen Betrieb vorliegen. Diese Unterscheidung ist wichtig, um zielgerichtete Bekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können, damit Betriebe das Problem an der Wurzel bekämpfen können.

 

Bisher wurde diese innovative, aber komplexe Technik nur von wenigen Laboren durchgeführt, da dabei tiefgehende mikrobiologische, molekularbiologische und auch bioinformatische Fachkenntnisse erforderlich sind und große Mengen an Daten entstehen, die analysiert und interpretiert werden müssen. Doch durch den schnellen Fortschritt der modernen Technik werden diese „Hürden“ überwindbar und NGS für viele Labore unverzichtbar. So gibt es auch an den CVUAs in Baden-Württemberg ein häuserübergreifendes NGS-Team, das sowohl ein NGS-Labor am CVUA Karlsruhe als auch externe Labore einsetzt, um in Zukunft die volle Bandbreite der Untersuchungsmethode nutzen zu können. So macht sich die amtliche Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg auf den Weg die nächste Generation der Aufklärung von lebensmittelbedingten Erkrankungen anzugehen.

 

Aus Bakterienstämmen gewonnene DNA wird mittels NGS analysiert um die genetische Verwandtschaft festzustellen

Aus Bakterienstämmen gewonnene DNA wird mittels NGS analysiert um die genetische Verwandtschaft festzustellen.

 

 

Bildnachweis

CVUA Karlsruhe

 

 

Literatur

[1] Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018, Berlin 2019

 

 

Artikel erstmals erschienen am 06.12.2019