Mykotoxine in Pistazien

Sylvia Neef, Margit Kettl-Grömminger

 

Zusammenfassung

Von Januar 2010 bis Februar 2012 wurden am CVUA Stuttgart insgesamt 133 Pistazienproben auf ihre Gehalte an den Aflatoxinen B1, B2, G1 und G2 untersucht, einige Proben wurden zusätzlich auf die Belastung mit Ochratoxin A (OTA) geprüft.

  • In 63 % der Proben wurden Aflatoxine nachgewiesen. Eine Charge Pistazien wies dabei den Spitzengehalt von 110 µg/kg an Gesamtaflatoxinen (Summe an den Aflatoxinen B1, B2, G1 und G2) auf und überschritt damit den aktuellen Grenzwert von 10 µg/kg um das 11-fache.
  • Pistazien können auch mit Ochratoxinen belastet sein. In den Jahren 2010, 2011 und im Januar/Februar 2012 wurden Pistazien stichprobenartig auf Ochratoxin A (OTA) untersucht. Bisher sind insgesamt 29 Proben untersucht worden, drei von ihnen wiesen positive Befunde auf. Ab diesem Jahr ist die Untersuchung von Pistazien auf OTA fest ins Untersuchungsspektrum für Mykotoxine aufgenommen. Mangels Höchstmenge erfolgte keine Bewertung. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde die Frage der Bewertung von Ochratoxin A in Pistazien vorgelegt.

 

Diagramm.

 

Hintergrund und Einleitung

Schmuckelement.Die ölhaltigen Samen der Pistazien werden in Deutschland auf vielfältige Art und Weise verzehrt. Geröstet und gesalzen sind sie als Knabbererzeugnisse sehr beliebt. Wegen ihres kräftigen mandelartigen Geschmackes werden sie in der Süßwarenproduktion (z.B. Feingebäck, Konfekt, Pralinen, u.a. Mozartkugeln!) und bei der Herstellung von Speiseeis eingesetzt. Grüne, geschälte Pistazien finden wegen ihrer charakteristisch grünen Farbe auch zur Dekoration von Süß- und Wurstwaren (z.B. Mortadella) Verwendung.

 

Pistazien wachsen auf immergrünen Laubbäumen, die mehrere hundert Jahre alt werden können. Botanisch werden sie zu den Steinfrüchten gezählt. Aufgrund ihrer Zweihäusigkeit (weibliche und männliche Blüten wachsen getrennt auf verschiedenen Bäumen) kann eine Befruchtung, und somit eine Ernte, nur stattfinden, wenn weibliche und männliche Bäume zusammen auf einer Plantage stehen.
Pistazien gedeihen in trockenen, wüstenähnlichen Gebieten mit kühlen Wintern und heißen, trockenen Sommern. Die Hauptanbaugebiete liegen im Iran (Urheimat der Pistazien), in Tunesien und der Türkei, auf Sizilien und in den Südstaaten der USA (v.a. Kalifornien)

 

Schmuckelement.

 

Infokasten

Anmerkungen am Rande

Pistazien sind uralte Kulturpflanzen. Bereits die legendäre Königin von Saba soll Pistazien sehr geschätzt haben. Dem einfachen Volk war damals der Verzehr dieser „königlichen“ Frucht verboten.
Pistazienkerne waren auch von den verwöhnten Haremsdamen des vorderen Orients sehr begehrt.
Von einer anderen Pistazienart wird Mastix (von griech.: mastiche bedeutet Pistazienharz) gewonnen, ein natürliches Harz, das als Überzugsmaterial von Zuckerwaren und Kakaoerzeugnissen Verwendung findet, als Grundlage für Kaugummi und als Glasurmittel für Kaffeebohnen dient. In Griechenland wird Mastix traditionell zum Harzen des für Griechenland typischen Retsina-Weines verwendet.

 

Die Möglichkeit der Belastung von Pistazien durch Mykotoxine ist nicht neu, sondern schon seit Jahrzehnten bekannt.

 

Aflatoxine sind Schimmelpilzgifte, die von niederen Pilzen der Gattung Aspergillus (vorwiegend der Spezies flavus und parasiticus) gebildet werden. Aflatoxinbildende Schimmelpilze zählen zu den sog. Lagerpilzen, d.h. bei unsachgemäßer Lagerung unter wachstumsbegünstigenden Bedingungen, wie hohen Temperaturen und Feuchtigkeit, können sie Aflatoxine bilden. Unter den Aflatoxinen unterscheidet man mehr als 20 verschiedene Toxine, von denen hauptsächlich die Aflatoxine B1, B2, G1 und G2 in Nahrungsmitteln eine Rolle spielen. Zu den am häufigsten kontaminierten Lebensmitteln zählen ölhaltige Samen (wie z.B. Pistazien, Erdnüsse) und Nüsse (z.B. Haselnüsse), Trockenfeigen aber auch Gewürze.
Aflatoxine führen schon in kleinsten Mengen zu Leberschäden, sind kanzerogen und können zu Schäden am Erbgut führen. Aflatoxin B1 ist als stärkste, natürliche krebsauslösende Substanz bekannt [1, 2].
Aufgrund ihrer hohen Toxizität wurden für Aflatoxine in Lebensmitteln europaweit geltende Höchstmengen festgelegt (s. Verordnung (EG) Nr. 1881/2006).
Die Grenzwerte für Pistazien liegen für Aflatoxin B1 bei 8,0 µg/kg und für die Summe der Aflatoxine B1, B2, G1 und G2 bei 10,0 µg/kg.

Ochratoxin A (OTA) ist ein Schimmelpilzgift, das von unterschiedlichen Pilzen der Gattungen Aspergillus und Penicillium gebildet werden kann. Bei diesen Pilzen handelt es sich ebenfalls um sogenannte Lagerpilze, welche bei unsachgemäßen Lagerbedingungen, wie z.B. Feuchtigkeit, in warmen Klimaregionen (Pilze der Gattung Aspergillus) aber auch in gemäßigten Klimaregionen (Pilze der Gattung Penicillium) das Mykotoxin Ochratoxin A bilden können.
OTA kann in vielen Nahrungsmitteln und Getränken auftreten. Es besitzt nephrotoxische, teratogene, immunotoxische und möglicherweise kanzerogene Eigenschaften [1, 2]. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA European Food Safety Authority) hat auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse eine tolerierbare wöchentliche Aufnahme (TWI) von 120 ng OTA/kg Körpergewicht abgeleitet [3].
Auf der Basis dieses TWI wurden in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 [4] europaweit geltende Höchstmengen für OTA in ausgewählten Produkten festgelegt. Für Nüsse und ölhaltige Samen existieren derzeit jedoch noch keine Höchstmengen für Ochratoxin A.

 

Infokasten

Tolerierbare wöchentliche Aufnahme - TWI-Wert (tolerable weekly intake)

Mit dem acceptable daily intake vergleichbarer Grenzwert für die max. zulässige Dosis eines Stoffs pro Woche und Kilogramm Körpergewicht, der bei lebenslanger Aufnahme zu keiner Gesundheitsgefährdung des Menschen führt. Die Werte werden aus den in Langzeitfütterungsversuchen an Tieren experimentell ermittelten „no effect level“ abgeleitet, wobei sie durch einen Sicherheitsfaktor, der in der Regel 100 beträgt, dividiert werden.

 

Ergebnis

Im Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2012 wurden 133 Pistazienproben auf ihre Belastung durch Aflatoxine untersucht. In 49 Proben (entspr. 37 % ) konnte keine Aflatoxinbelastung festgestellt werden. 84 Proben (63 %) waren mit Aflatoxinen belastet, 11 Proben (8 %) wiesen Aflatoxingehalte über den festgelegten Höchstmengen auf. Bei 10 der 11 beanstandeten Proben wurde die Überschreitung der Höchstmenge an der Summe der Aflatoxine hauptsächlich durch das sehr toxische Aflatoxin B1 hervorgerufen (siehe Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Untersuchungsergebnisse von Aflatoxinen in Pistazien in den Jahren 2010, 2011 und Januar - Februar 2012 (nur Januar und Februar)
Aflatoxin B1
Jahr
Probenzahl insgesamt
belastet mit Aflatoxinen
(> BG1)
Aflatoxin B1 über der HM
Höchster Gehalt Aflatoxin B1
[µg/kg]
Mittlerer Gehalt Aflatoxin B1 [µg/kg]2

2010

69

20

6

104

10,5

 

2011

52

18

4

81,5

8,1

2012

12

3

0

6,11

2,8

 

Summe der Aflatoxine
Jahr
Probenzahl insgesamt
belastet mit Aflatoxinen
(> BG1)
Summe
Aflatoxine über HM
Höchster Gehalt Summe Aflatoxine [µg/kg]
Mittlerer Gehalt Summe Aflatoxine [µg/kg]2

2010

69

45

6

110

11,5

2011

52

36

5

83,8

10,2

2012

12

3

0

6,67

3,5

1 BG: Bestimmungsgrenze 0,2 µg/kg Aflatoxine

2 Mittelwert wurde gebildet aus Gehalten > BG

HM: Höchstmenge

 

Da das Risiko für das Auftreten von Aflatoxinen stark klimaabhängig ist, spielt die Herkunft der Rohware in der Mykotoxinüberwachung eine wichtige Rolle.

Der Spitzengehalt im Jahr 2010 lag in einer Probe bei 110 µg/kg an Gesamtaflatoxinen und 104 µg/kg B1. Leider war die Herkunft dieser Ware nicht feststellbar.
Im Jahr 2011 wurde die höchste Belastung mit 84 µg/kg an Gesamtaflatoxinen und 82 µg/kg B1 in einer Probe Pistazien aus der Türkei gefunden.
Pistazien aus den Vereinigten Staaten waren nur in zwei Fällen mit Aflatoxinen belastet, eine Höchstmengenüberschreitung trat im beobachteten Zeitraum nicht auf (siehe Tabelle 2).

 

Tabelle 2: Auswertung der Belastung von Pistazien an Aflatoxinen nach Herkunft (Januar 2010 - Februar 2012)
Jahr
Herkunftsland der Rohware
Anzahl der Proben
Belastet mit Aflatoxinen
(> BG1)
Mittlerer
Gesamtgehalt
Aflatoxine 
[µg/kg]
Höchster
Aflatoxingehalt [µg/kg]
2010

Türkei

25

12

4

28

Iran

3

2

6

18

Vereinigte Staaten

19

1

0,2

4

Unbekannte Herkunft

22

4

5

110

2011

Türkei

21

9

8

84

Iran

3

2

1,2

3

Vereinigte Staaten

16

1

0,1

1,5

Unbekannte Herkunft

12

5

0,4

1,4

2012

Türkei

2

2

4

7

Iran

0

0

0

0

Vereinigte Staaten

7

0

0

0

Unbekannte Herkunft

3

0

0

n.b.

 

Fazit

Die Belastung von Pistazien durch Ochratoxin A wird derzeit beobachtet. Ein Bericht über das Ergebnis folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Aflatoxine treten in Pistazien immer wieder auf. Dabei ist vor allem dann mit einer Belastung zu rechnen, wenn die Waren aus Klimaregionen stammen, die für die Bildung von Aflatoxinen günstig sind.

 

Der Verbraucher kann sich nur bedingt vor belasteter Ware schützen, indem er bei der Wahl seiner Lebensmittel auf deren Herkunft achtet, sofern diese angegeben ist. Auch weisen unsere Untersuchungen auf den Trend hin, dass Ware aus dem unteren Preissegment eher belastet sein kann als teure Ware. Hochwertige Ausgangsware und eine sorgfältige Eigenkontrolle des Herstellers verursachen Kosten, die über den Preis an den Kunden weitergegeben werden.
Eine absolute Sicherheit vor derartigen Toxinen kann jedoch nicht garantiert werden, auch wenn die Kontrollfrequenz erheblich erhöhte würde.

 

Literatur

[1]   Weidenbörner, M. Lebensmittelmykologie, S.49ff., 1. Auflage, 1998, Behr´s Verlag GmbH & Co. Hamburg
[2]   Mücke, W., Lemmen, Ch., Schimmelpilze, S.90ff., 3. Auflage, 2004, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg Lech
[3]Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums der EFSA für Kontaminanten in der Lebensmittelkette auf Ersuchen der Kommission bezüglich Ochratoxin A in Lebensmitteln.
[4]   Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln vom 19. Dezember 2006 (ABl. Nr. L364/5), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 165/2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln hinsichtlich Aflatoxinen vom 26. Februar 2010 (ABl. Nr. L50/8).

 

Bildernachweis

Pistazien - noch nicht ganz reif, Doris Rennekamp, Pixelio.de, Image-ID=107885.,

Pistazien mit und ohne Schale, CVUAS

 

Artikel erstmals erschienen am 22.06.2012