Unsere Frühstückseier – wo kommen sie her und sind sie auch wirklich „bio“?

Dr. Matthias Fromm

 

Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist am Sonntag das gekochte Ei auf dem Frühstückstisch obligatorisch. Doch kann man sich auf Angaben zur Herkunft oder zur Haltungsform „Bio“ bei Eiern auch verlassen? Diesen Fragen ist das CVUA Stuttgart in einem aktuellen Forschungsprojekt nachgegangen. So wurden 2014 mit einer speziell für Hühnereier etablierten Stabilisotopen-Methode zum Aufbau einer Referenzdatenbank Eier aus Baden-Württemberg (23), Niedersachsen (5), Schleswig-Holstein (12) und den Niederlanden (7) untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass sich Eier aus Baden-Württemberg deutlich von den anderen marktrelevanten Herkünften unterscheiden lassen. Auch konnte das Stickstoffisotopenverhältnis erfolgreich für die Bestätigung der Haltungsform „Bio“ bei den untersuchten Proben herangezogen werden. Anfang 2015 wurden deshalb erste amtliche Planproben aus dem Regierungsbezirk Stuttgart (15) untersucht. Der Fokus dieser ersten kleineren Planprobenserie lag hier vor allem auf Direktvermarktern, Wochen- und Biomärkten. Erfreulicherweise ergaben sich in dieser ersten Momentaufnahme keine Hinweise auf die Verwendung falscher Angaben bezüglich der Herkunft „Baden-Württemberg“ und der Angabe „Bio“.

 

Hintergrund

Durch ein stetig zunehmendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher erfreuen sich regionale oder unter ökologischen Bedingungen erzeugte Lebensmittel wie Hühnereier zunehmender Beliebtheit. Auch sind viele Verbraucher bereit für solche Produkte einen Mehrpreis zu bezahlen.

 

Da sich Angaben zur geographischen Herkunft oder Angaben wie „Bio“ mit herkömmlichen Analysenmethoden allerdings nur schwer überprüfen lassen, besteht ein erhebliches Potential, Billigware durch die Verwendung falscher Angaben zur Herkunft oder Erzeugung für den Verbraucher attraktiver zu machen. Dadurch werden nicht nur die Verbraucher getäuscht, sondern auch die regionalen und nach ökologischen Standards arbeitenden Erzeuger geschädigt. Für den Schutz des Verbrauchers vor derartiger Täuschung kann der Einsatz der Stabilisotopenanalytik (Isotope Ratio Mass Spectrometry, IRMS) einen unverzichtbaren Beitrag leisten.

 

Prinzip der Stabilisotopenanalytik (IRMS)

Bei dieser im Lebensmittelbereich zunehmend angewandten Analysenmethode macht man sich zu Nutze, dass Elemente wie Sauerstoff (O), Wasserstoff (H), Kohlenstoff (C), und Stickstoff (N) natürlicherweise in leichter und schwerer Form als stabile Isotope vorkommen. Durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie geographische Lage, Klima, landwirtschaftliche Praxis, Bodenbeschaffenheit und Stoffwechselprozesse bilden schwere und leichte Isotope charakteristische Mengenverhältnisse aus, die sog. Isotopenverhältnisse. Nach Überführung der Probe in messbare Gase (H2, CO, CO2, N2) können deren Isotopenverhältnisse mittels Massenspektrometrie bestimmt werden [1]. Während die Wasserstoff- und Sauerstoff-Isotopenverhältnisse vor allem das Klima (Temperatur, Niederschläge) der Erzeugerregion widerspiegeln, erlaubt die Bestimmung der Kohlenstoff- und Stickstoff-Isotopenverhältnisse Aussagen über Fütterungs- und Erzeugungsbedingungen [2].

 

Bevor Angaben bezüglich Herkunft oder „Bio“ bei Handelsproben allerdings beurteilt werden können, muss zunächst eine statistisch ausreichende Anzahl an authentischen Vergleichsproben untersucht werden. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die Angaben zur Herkunft oder zur Erzeugung gesichert sind. Ziel ist es dabei als zukünftige Beurteilungsgrundlage eine Vergleichsdatenbank für die jeweilige Fragestellung aufzubauen. Dies stellt einen sehr hohen Aufwand dar. Doch dieser Aufwand lohnt sich, denn letztlich können durch den Vergleich der Isotopenverhältnisse der Handelsproben mit denen der entsprechenden Vergleichsproben die Herkunft und die Angabe „Bio“ analytisch überprüft werden.

 

Infokasten

Isotopenverhältnisse – die δ-Skala

Allgemein berechnet sich das Isotopenverhältnis (R) eines Elementes aus der Menge des schweren Isotops (höhere Neutronenzahl, z.B. 18O) zur Menge des leichten Isotops (niedrigere Neutronenzahl, z.B. 16O):

 

Formel.

 

Da die die leichteren Isotope in der Natur mengenmäßig bei weitem überwiegen (mind. 90 % relative Häufigkeit), sind die ermittelten Verhältnisse sehr klein. Deshalb wird das Ergebnis mit dem Faktor 1000 multipliziert, um sinnvolle Zahlen angeben zu können. Die Angabe der Ergebnisse erfolgt deshalb in ‰ (Promille).

 

Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass jedes Probenergebnis nicht absolut, sondern als Differenz zu einem internationalen Referenzstandard mit bekanntem Isotopenverhältnis angegeben wird. Dadurch können auch negative Werte erhalten werden. Dies bedeutet lediglich, dass der Anteil des schwereren Isotops in der untersuchten Probe im Vergleich zu dessen Anteil im internationalen Referenzstandard geringer ist (vgl. Formel unten).

 

Formel.

 

Verschiedene Bezeichnungen:

In der IRMS sind unterschiedliche Bezeichnungen für die jeweiligen Isotopenverhältnisse üblich:

Wasserstoff: δ2H = δD = D/H = 2H/1H

Sauerstoff: δ18O = 18O/16O

Kohlenstoff: δ13C = 13C/12C

Stickstoff: δ15N = 15N/14N

 

Ergebnisse unserer aktuellen Untersuchungen

2014 musste am CVUA Stuttgart zunächst eine Methode für die Untersuchung von Eiern mittels IRMS entwickelt und validiert werden. Um einen besseren Überblick über die Verteilung innerhalb einer Eiercharge zu bekommen, wurden in der Regel fünf zufällig ausgewählte Eier separat aufgearbeitet. Mit diesem Vorgehen ist es möglich Vermischungen innerhalb einer vermeintlich identischen Probencharge („Packung“) zu erkennen und gleichzeitig natürliche Schwankungsbreiten abzuschätzen. Die Bestimmung der Wasserstoff- und Sauerstoffisotopenverhältnisse erfolgte aus der isolierten Eiwasserfraktion. Die Stickstoff- und Kohlenstoffisotopenverhältnisse wurden aus der fettfreien Trockenmasse bestimmt.

 

In Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg sowie mit dem Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V. (KAT), die das authentische Vergleichsmaterial zur Verfügung stellten, wurden dann die Isotopenverhältnisse von Eiern aus Baden-Württemberg (23), Niedersachsen (5), Schleswig-Holstein (12) sowie den Niederlanden (7) zum Aufbau der Referenzdatenbank ermittelt. Um die Analysenmethode in der Routine zu testen und um einen ersten Eindruck über die Situation am Eiermarkt zu erhalten, wurden Anfang 2015 erste amtlich entnommene Proben (15) aus dem Regierungsbezirk Stuttgart untersucht. Der Fokus der Probenahme lag hierbei auf Direktvermarktern, Wochen- und Biomärkten.

 

Überprüfung der Herkunft bei Hühnereiern

Neben Eiern aus Baden-Württemberg wurden entsprechend der relevanten Warenströme weitere wichtige Herkünfte in die Untersuchungen einbezogen. So haben wir insbesondere Eier aus den Niederlanden und aus Norddeutschland (Niedersachsen, Schleswig-Holstein) analysiert und die Ergebnisse mit denen der Proben aus Baden-Württemberg verglichen. Mit ca. 4.4 Mrd. nach Deutschland exportierten Schaleneiern (ca. 75 % des Gesamtimports im Jahr 2013) sind die Niederlande mengenmäßig das bedeutendste Exportland für Eier in Europa. Innerhalb Deutschlands spielt Niedersachsen mit ca. 37 % der bundesweiten Gesamterzeugung an Schaleneiern (2013: ca. 4.1 Mrd. Stück) eine ebenfalls sehr wichtige Rolle [3].

 

Abbildung 1: Wasserstoff- und Sauerstoffisotopenverhältnisse für Hühnereier mit unterschiedlichen Herkünften.

Abbildung 1: Wasserstoff- und Sauerstoffisotopenverhältnisse für Hühnereier mit unterschiedlichen Herkünften.

 

Aus Abbildung 1 geht hervor, dass sich die Referenzproben (blau) aus Baden-Württemberg deutlich von Eiern aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und den Niederlanden unterscheiden. So lagen für die Eierproben aus Baden-Württemberg die δD- und δ18O-Werte zwischen -65 ‰ und -50 ‰ bzw. zwischen -7,5 ‰ und -6 ‰. Die Handelsproben aus den Niederlanden, Schleswig-Holstein sowie aus Niedersachsen dagegen zeigten deutlich stärker angereicherte Isotopenwerte (δD: -45 ‰ bis -35 ‰ und δ18O: -5,5 ‰ bis -4 ‰). Insgesamt konnte somit eine deutliche Unterscheidung von Proben aus Baden-Württemberg und Norddeutschland oder den Niederlanden als wichtigstem Eierexporteur in der EU festgestellt werden.

 

Die Isotopenwerte der mit Herkunftsangabe „Baden-Württemberg“ erhobenen amtlichen Planproben (rot) lagen zwischen -65 ‰ und ‑50 ‰ (δD) bzw. zwischen -8 ‰ und -5,5 ‰ (δ18O). Damit waren insbesondere die Wasserstoffisotopenverhältnisse nahezu identisch mit den authentischen Eierproben aus Baden-Württemberg (δD: ‑62 ‰ bis -50 ‰ und δ18O: -7,5 ‰ bis -6 ‰). Da eine der amtlichen Proben zufällig von einem Erzeuger stammte, von dem bereits im Rahmen der Methodenentwicklung Eier untersucht wurden und der in seinem Betrieb über Bodenseewasser verfügt, konnte somit auch die vergleichsweise stark abgereicherte, einzeln gelegene Probe (bei ca. ‑62 ‰;-8 ‰) als unauffällig eingestuft werden.

 

Insgesamt ergaben sich keine Auffälligkeiten in Bezug auf die Herkunftsangabe „Baden-Württemberg“. Auch konnte für die untersuchten amtlichen Proben die Herkunft Norddeutschland bzw. Niederlande ausgeschlossen werden, da diese Referenzproben deutlich angereicherte Wasserstoff- und Sauerstoffisotope aufweisen.

 

Überprüfung der Haltungsform („Bio“) bei Hühnereiern

Für die Beurteilung, ob es sich um ein ökologisch erzeugtes Ei handelt, spielt das Stickstoffisotopenverhältnis eine entscheidende Rolle. In der ökologischen Landwirtschaft ist nur der Einsatz von organischem Dünger erlaubt. Da dieser gegenüber mineralischem Dünger ein deutlich angereichertes Stickstoffisotopenverhältnis aufweist, kann dies für die Unterscheidung von ökologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln herangezogen werden. So führt eine Düngung mit organischem Material (Mist, Gülle) über die Futterpflanzen auch zu angereicherten Stickstoffisotopenverhältnissen im Tier sowie letztlich in dessen Produkten (z.B. Eier).

 

Für die untersuchten Referenzproben lagen die δ15N-Werte in einem Bereich von ca. 3 ‰ - 6,5 ‰. Nach dem derzeitigen Wissensstand können Eierproben mit einem Stickstoffisotopenverhältnis ab 5 ‰ als ökologisch verifiziert werden [4]. Zwischen 4,5 ‰ und 5 ‰ ergeben sich jedoch Einschränkungen. So können durch die Verwendung von Leguminosen als Futter bzw. bei Verwendung von Klee als Pflanzendünger in der ökologischen Erzeugung derart abgereicherte Isotopenwerte erreicht werden. Hier müssen für eine abschließende Beurteilung, ob es sich um „Bio“-Eier handelt, zusätzliche Informationen zum Futter vorliegen bzw. Nachforschungen vor Ort (z.B. zeitnahe Futtermitteluntersuchungen) durchgeführt werden. Nur dann kann die Angabe „Bio“ abschließend bestätigt werden.

 

Abbildung 2: Stickstoff- und Kohlenstoffisotopenverhältnisse für Hühnereier mit unterschiedlichen Erzeugungsbedingungen (Haltungsformen).

Abbildung 2: Stickstoff- und Kohlenstoffisotopenverhältnisse für Hühnereier mit unterschiedlichen Erzeugungsbedingungen (Haltungsformen).

 

Alle untersuchten „Bio“-Proben wiesen in der Regel δ15N-Werte über 5 ‰ („Schranke“) auf (s. Abb. 2). Aufgrund der vorhandenen Informationen zur Fütterungspraxis waren auch die Proben mit Werten um 4,7 ‰ unauffällig. Des Weiteren hatten einige konventionelle Proben deutlich angereicherte δ15N-Werte. Wahrscheinlich geht dies auf die Düngung mit organischem Material zurück. Diese findet auch in der konventionellen Landwirtschaft durchaus Anwendung. Der Großteil der konventionellen Eierproben lag jedoch im Bereich zwischen 3 ‰ und 4,5 ‰. Folglich ist über das Stickstoffisotopenverhältnis keine Unterscheidung zwischen Eiern aus Freiland oder Bodenhaltung möglich, da es hier keine festgelegten Fütterungsbedingungen gibt.

 

Alle amtlichen Planproben (rot), welche unter der Bezeichnung „Bio“ vermarktet wurden, wiesen Stickstoffisotopenverhältnisse von mindestens 5 ‰ auf und konnten somit auch als „Bio“ verifiziert werden.

 

Bezüglich der δ13C-Werte konnte erwartungsgemäß keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Haltungsformen festgestellt werden. So variierten die δ13C-Werte in einem Bereich zwischen -20 ‰ und -26 ‰. Zwar kann anhand des δ13C-Wertes keine Überprüfung der Haltungsform erfolgen, aber als wichtiger Parameter für die Erzeugungspraxis vor Ort im Legebetrieb kann er bei der Überprüfung der Chargenidentität (sog. Tracking) eine wichtige Rolle spielen. Dadurch könnte im Einzelfall durch den Abgleich einer Verdachtsprobe mit einer Vergleichsprobe aus dem jeweiligen Betrieb beurteilt werden, ob diese wirklich von dort stammt.

 

Fazit:

In einer ersten kleineren Untersuchungskampagne ergaben sich bei Eiern von Wochenmärkten und Direktvermarktern aus Baden-Württemberg erfreulicherweise keine Hinweise auf falsche Angaben zu Herkunft oder Erzeugung („Bio“). Regelmäßige Untersuchungen müssen nun jedoch zeigen, ob es sich dabei nur um eine „Momentaufnahme“ handelt.

 

Mit der am CVUA Stuttgart etablierten IRMS-Methode wird der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg ein viel versprechendes Werkzeug an die Hand gegeben, um den Schutz des Verbrauchers vor Täuschung noch effizienter zu machen. Damit ist es zukünftig möglich, analytisch zu prüfen, woher ein Ei tatsächlich kommt und ob es sich dabei wirklich um ein „Bio“-Ei handelt. Denn diese Fragen gewinnen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern immer mehr an Bedeutung– nicht nur beim Frühstück.

 

Quellen

[1] Wiezorek, C. Deutsche Lebensmittelrundschau (DLR), Ausgabe September 2009, S. 46-49A.
[2] Meylahn, K. Deutsche Lebensmittelrundschau (DLR), Ausgabe März 2010, S. 145-151.
[3] EMA Europäische Marketing Agentur EMA-Marktbilanz Eier (2014), S. 31 und 42.
[4] Boner, M. Abschlussbericht Bundesprogramm ökologischer Landbau BÖL-Projekt-Nr. 02OE542 (2003), S. 25-27.

 

Artikel erstmals erschienen am 22.01.2016