Feine Backwaren – süße Versuchung oder bittere Überraschung?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Melissa Kieferle

 

Wer kennt sie nicht: die süße Versuchung, in die wir nur allzu gerne geführt werden, wenn wir beim Bäcker oder in einem Café an der Theke stehen. Die Auslagen in den Bäckereien, Cafés oder Konditoreien bieten eine unglaubliche Vielfalt leckerer Köstlichkeiten. Egal, ob cremige Sahnetorte, süßer Obstkuchen oder gehaltvolle Buttercreme: die Auswahl an dekorativen Leckereien lässt meist keine Wünsche offen. Doch können wir diese Leckereien wirklich bedenkenlos verzehren? Wie sieht es in ihrem Innern aus? Täuschen möglicherweise aufwändige Dekorationen über erste Anzeichen von Verderb hinweg? Oder finden sich unter dieser Hülle vielleicht sogar krankmachende Keime?

 

Schmackhafte Füllungen – ein Paradies für Bakterien?!

 

Pistazientorte.

Pistazientorte

Feine Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung zählen zu den leicht verderblichen Lebensmitteln, welche kühl gelagert werden sollten. Die Füllungen aus Sahne, Buttercreme oder Pudding bieten sowohl verderbniserregenden als auch krankmachenden Keimen hervorragende Wachstumsbedingungen. Neben viel freier Flüssigkeit (hoher aw-Wert) sind diese Cremes sehr nährstoffhaltig – ein Paradies für unerwünschte Mikroorganismen.

 

Bei der Herstellung von Patisseriewaren, wie zum Beispiel aufwändigen Torten, ist ein hohes Maß an Handarbeit erforderlich, sodass bereits dabei durch mangelnde Personal- oder Betriebshygiene eine Kontamination der Backwaren, insbesondere der Füllungen, erfolgen kann. Auch durch kontaminierte Zutaten können verderbniserregende oder krankmachende Keime eingebracht werden, deshalb sollten Rohstoffe sorgfältig ausgewählt, aufbewahrt und, sofern möglich, vor der Verwendung gründlich gewaschen werden.

 

Damit die fertigen Leckereien möglichst lange frisch bleiben, sollten diese gekühlt werden, sodass insbesondere die Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen verhindert bzw. deutlich verlangsamt werden kann.

 

Mikrobiologischer Status von feinen Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung

Im Jahr 2022 hat das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt in Stuttgart 145 Proben feiner Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung (wie z. B. Butter- oder Sahnecremes) untersucht. Jede Probe wurde dabei zunächst einer grobsinnlichen Untersuchung (Geruch, Geschmack und Konsistenz) unterzogen. Erfreulicherweise war hierbei jede der 145 untersuchten Proben unauffällig.

 

Doch wie sieht es nun im Innern dieser Leckereien aus? Aufgrund mikrobiologischer Kriterien wurden insgesamt 19 der 145 untersuchten Proben beanstandet (13 %), wobei es sich überwiegend um erhöhte Gehalte an Verderbnis- und/oder Hygieneparameter handelte. Dies deutet auf Mängel in der Personal- und/oder Betriebshygiene gemäß VO (EG) Nr. 852/2004 [1] bzw. der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) [2] hin.

Lediglich 4 Proben davon (insgesamt 3 % aller untersuchter Proben) waren wegen zu hoher Keimgehalte nicht mehr zum Verzehr geeignet im Sinne von Artikel 14 Abs. 2 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 178/2002 [3]. Werden Lebensmittel als für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet beurteilt, gelten diese als nicht sicher und dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.

 

Diagramm.

 

Bei den aufgrund von Hygienemängeln beanstandeten Proben wurden überwiegend verderbniserregende Keime wie zum Beispiel Pseudomonaden, Milchsäurebakterien und/oder Hefen mit Keimgehalten von 105 KbE/g* bis > 108 KbE/g nachgewiesen. Daneben konnten in diesen Proben häufig die zu den Hygienekeimen zählenden Enterobacteriaceae in einer Größenordnung von 104 bis 107 KbE/g festgestellt werden. Diese Werte liegen über den von der deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) [4] für Patisseriewaren mit nicht durchgebackener Füllung empfohlenen Richt- und Warnwerte. Diese sind rechtlich zwar nicht bindend, gelten aber als Empfehlung in Bezug auf die mikrobiologische Beschaffenheit der jeweiligen Produktgruppe. Dabei zeigen die Richtwerte, welches produktspezifische Mikroorganismenspektrum zu erwarten ist bzw. welche Mikroorganismengehalte bei Einhaltung einer guten Hygienepraxis akzeptabel sind. Werden diese Richtwerte überschritten, ist dies ein Hinweis auf Schwachstellen in der Herstellungs- und Hygienepraxis. Das Überschreiten der Warnwerte dagegen weist darauf hin, dass die Prinzipien einer guten Hygiene- und/oder Herstellungspraxis verletzt wurden.

 

Neben diesen Verderbs- und Hygienekeimen gibt es die sogenannten „pathogenen“ Keime. Das sind krankmachende Keime, welche beim Verzehr von damit kontaminierten Lebensmitteln zu Erkrankungen führen können. Abhängig von Art und Menge der Erreger können Symptome wie zum Beispiel Durchfall und/oder Erbrechen auftreten. Insbesondere roh verzehrte Lebensmittel, welche vor dem Verzehr keinem keimreduzierenden oder –

-abtötenden Verfahren (wie zum Beispiel ausreichendes Durcherhitzen) unterzogen werden, können durch die Kontamination mit pathogenen Keimen zu einer Gefahr für den Verbraucher werden. So stehen auch die nicht durchgebackenen Füllungen der feinen Backwaren hierbei im Fokus. Bei der mikrobiologischen Untersuchung dieser Proben werden deshalb pathogene Keime wie zum Beispiel Salmonellen, Listerien, Bacillus cereus, Staphylococcus aureus oder Escherichia coli mit untersucht.

 

Für Aufregung im Labor sorgte eine Cremetorte mit einem sehr hohen Keimgehalt an präsumtiven Bacillus cereus. Diese Keime kommen überall in der Umwelt vor und können durch die Bildung von Toxinen im Lebensmittel zu Krankheitssymptomen führen. So führt das von Bac. cereus gebildete emetische Toxin Cereulid nach ca. 0,5 bis 6 Stunden nach Verzehr des Lebensmittels zu Erbrechen. Daneben können andere Spezies dieses Bakteriums ein sogenanntes „Diarrhoe-Toxin“ produzieren, das im Dünndarm freigesetzt wird. Dieses kann nach ca. 6 bis 24 Stunden zu Durchfall führen.

 

Für eine krankmachende Wirkung sind nach verschiedenen Angaben in der Literatur Keimgehalte von 105 KbE/g bis 106 KbE/g Lebensmittel notwendig. Solche Keimgehalte lagen in der besagten Cremetorte vor. Die weiterführende Untersuchung zeigte jedoch glücklicherweise, dass das emetische Bacillus cereus Toxin nicht in der Torte nachgewiesen werden konnte. Dennoch wurde diese Probe aufgrund des stark erhöhten Keimgehaltes an präsumtiven Bacillus cereus-Bakterien sowie darüber hinaus mit einer hohen Belastung mit Enterobacteriaceae als für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b i .V. m. Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 und somit als nicht sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 beurteilt.

 

Um herauszufinden, wodurch die starke Kontamination mit Bacillus cereus entstand, wurden nachfolgend einzelne Bestandteile dieser Torte erhoben. Dabei stellte sich heraus, dass der Keimeintrag in die Torte durch eine kontaminierte Buttercreme erfolgte. Dies zeigt uns einmal mehr, dass gerade bei der Herstellung dieser leckeren aber leicht verderblichen Bestandteile ganz besonders auf eine ordentliche Küchenhygiene geachtet werden muss.

 

Erfreulicherweise war diese Cremetorte die einzige, welche pathogene Keime in dieser Menge enthielt. Salmonellen und Listerien konnten in keiner Probe nachgewiesen werden und Staphylococcus aureus wurde lediglich in einer einzigen Probe in einer Konzentration von 200 KbE/g festgestellt. Ab einer Konzentration von 100.000 bis 1 Million Keime pro Gramm Lebensmittel, kann dieser Keim, sofern er Toxin bildet, zu Lebensmittelvergiftungen mit starkem Erbrechen führen. Dieser Keimgehalt war in der genannten Probe bei weitem noch nicht erreicht. Styphylococcus aureus kommt zum einen in eitrigen Wunden vor, jedoch findet sich dieser auch bei 30–50 % der gesunden Bevölkerung im Nasen-Rachen-Raum und auf der äußeren Haut, sodass dieser über Lappen, Tücher, Arbeitsflächen- oder Geräte verschleppt werden kann. Auch hier ist also eine einwandfreie Personalhygiene von großer Bedeutung.

 

Fazit

Unsere Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2022 zeigen, dass die Lebensmittelüberwachungsbehörde zurecht immer wieder einen prüfenden Blick in die Auslagen und hinter die Kulissen der Bäckereien, Cafés oder Konditoreien wirft. So fallen doch immer wieder einzelne Proben (13 %) aus der Produktgruppe der feinen Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung wegen erhöhter Keimgehalte, welche auf Mängel in der Personal- und/oder Betriebshygiene hinweisen, auf. Pathogene Keime konnten dagegen erfreulicherweise nur äußerst selten nachgewiesen werden und es war keine der Proben für den Menschen gesundheitsschädlich.

 

13 % der Proben wiesen lebensmittelchemische Auffälligkeiten wie z. B. eine fehlerhafte Kennzeichnung auf. Glücklicherweise ist jedoch ein Großteil (74 %) der Proben nach den Ergebnissen der Untersuchungen im CVUA Stuttgart unauffällig, sodass die verschiedenen Köstlichkeiten bedenkenlos genossen werden können.

 

Fotos aus unserem Laboralltag; links eine Sahnetorte mit hellem und dunklem Biskuit, kakaohaltiger und sahniger Creme sowie einem Topping aus Kakao; rechts eine Erdbeer-Sahneroulade mit hellem Biskuit und rosa Cremefüllung.

Fotos aus unserem Laboralltag; links eine Sahnetorte mit hellem und dunklem Biskuit, kakaohaltiger und sahniger Creme sowie einem Topping aus Kakao; rechts eine Erdbeer-Sahneroulade mit hellem Biskuit und rosa Cremefüllung

 

Infokasten

Tipps für die Verbraucher [5, 6]

Bei der Zubereitung von Torten etc. sollte auf eine ordentliche Küchenhygiene geachtet werden, um den Eintrag von unerwünschten Mikroorganismen zu verhindern bzw. zu reduzieren:

  • gründliches Händewaschen vor Beginn und zwischen den einzelnen Arbeitsschritten (mind. 20 s mit Wasser und Seife)
  • in die Armbeuge husten oder niesen und danach ebenfalls gründlich Händewaschen
  • offene Wunden wasserdicht abdecken
  • Arbeitsflächen und Küchengerätschaften auch zwischen den Arbeitsschritten reinigen
  • Geschirrtücher ausschließlich zum Trocknen von Geschirr verwenden
  • Spülutensilien (Lappen, Schwämme) regelmäßig austauschen
  • immer auf eine ausreichende Kühllagerung achten und nicht zu lange lagern

 

Bildernachweis

Fotos, Dr. Melissa Kieferle, CVUA Stuttgart

 

Quellen

[1] VO (EG) 852/2004: Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/382 vom 3. März 2021 (ABl. L 74/3)

 

[2] LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (BGBl. I S. 1469), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159)

 

[3] VO (EG) 178/2002: Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231/1)

 

[4] DGHM: Veröffentlichte mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln. Eine Empfehlung der Fachgruppe Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie

 

[5] Bundesinstitut für Risikobewertung: Schutz vor Lebensmittelinfektionen im Privathaushalt; Stand 12.09.2023

 

[6] Bundeszentrum für Ernährung: Lebensmittel hygienisch zubereiten; Stand 12.09.2023

 

Fußnote

* KbE/g = Koloniebildende Einheit pro Gramm; bezeichnet die Anzahl einzelner Mikroorganismen, welche durch Vermehrung (Zellteilung) einzelne Kolonien auf einem Nährmedium bilden können

 

Artikel erstmals erschienen am 27.09.2023