Lebensmittel als Ansteckungsquellen für EHEC

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Sabine Horlacher

 

Das CVUA Stuttgart untersucht für ganz Baden-Württemberg Lebensmittel, die im Zusammenhang mit Erkrankungsfällen stehen. Im Idealfall werden uns mit den Lebensmittelproben Berichte über die Symptome sowie vermutete oder sogar bereits bekannte Ursachen der Erkrankungen von der Lebensmittelüberwachungsbehörde vor Ort mitgeteilt. Besonders gravierend sind Fälle, in denen Kinder und/oder Kleinkinder betroffen sind. Im Folgenden werden Ansteckungsquellen für Erkrankungen mit EHEC (enterohämorragische Escherichia coli) vorgestellt.

 

Jedes Jahr erkranken wenige hundert Personen an den Folgen von Shigatoxin-bildenden Escherichia coli (STEC), die auch als Verotoxin-bildende E. coli (VTEC) bezeichnet werden. STEC sind grundsätzlich als potentielle EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) anzusehen.

 

Bei einer Infektion mit EHEC kommt es nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 3–5 Tagen zu wässrigem bis blutigem Durchfall, der bei empfindlichen Personen auch zu akutem Nierenversagen – dem sogenannten hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) – führen kann. Dabei haben sehr kleine Kinder unter 4 Jahren eine höhere Empfindlichkeit als ältere Kinder, ebenso wie Personen über 75 Jahren [1]. Als Ansteckungsquelle werden vorrangig Rinder und andere Wiederkäuer z. B. in Streichelzoos oder bei Ferien auf dem Bauernhof genannt [2]. Der Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln wie rohen Rindfleischpatties oder Rohmilch und deren Produkte sind allgemein als Infektionsquelle bekannt. Seit 2011 EHEC in Sprossen nachgewiesen wurden, die zu einem länderübergreifenden Ausbruch mit fast 4.000 Erkrankten und über 50 Toten führte [3], stehen auch pflanzliche Lebensmittel wie z. B. Salate im Fokus. Eine noch nicht so bekannte Ansteckungsquelle ist Mehl in Backteigen oder Kuchenmischungen, die im rohen Zustand probiert werden. Gemäß Daten aus dem Zoonosen-Monitoring 2020 wurden in 9 % der bundesweit untersuchten Weizenmehl-Proben STEC nachgewiesen [4].

 

Untersuchungen im Jahr 2023

Als Zentrallabor für Lebensmittelproben, die im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Krankheitsfällen stehen, untersucht das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart immer wieder verdächtige Lebensmittel auf das Vorkommen von Shigatoxin-bildenden Escherichia coli. Im Jahr 2023 erhielten wir bislang von vier Fällen bei Kleinkindern Kenntnis. Diese sind mit zwei Arten von Ansteckungsquellen in Verbindung zu bringen, was im Folgenden dargestellt wird.

 

Gefahren, die im rohen Kuchenteig lauern

Kuchenteig besteht je nach Rezept zumeist aus Mehl, Zucker, Bindemittel (z. B. Ei) sowie Fett (z. B. Butter oder Margarine) und einer Flüssigkeit (z. B. Milch, Wasser oder Fruchtsaft). Bereits beim Zusammenrühren der guten Zutaten bekommt man Appetit und möchte auch mal probieren. Insbesondere das gemeinsame Backen mit Kindern endet oftmals mit dem genüsslichen Abschlecken des Löffels oder der Reste in der Schüssel. Aber Achtung! Manche der Zutaten können bakterielle Verunreinigungen in sich tragen und die Gesundheit ihrer Kinder gefährden. Beim Stichwort Ei fällt den meisten die Salmonelle ein. Die Kontaminationsraten sind zwar in den letzten Jahrzehnten deutlich gefallen, allerdings kommen sie immer noch vor [5]. Je älter das Ei oder je schmutziger die Schale, desto höher ist das Risiko, an einer Magen-Darm-Infektion zu erkranken. Die Zutat Mehl steht jedoch in den letzten Jahren auch zunehmend mit dem Nachweis von STEC in Verbindung.

 

Abbildung 1: Schüssel mit Zutaten für einen Kuchenteig.

Abbildung 1: Schüssel mit Zutaten für einen Kuchenteig

 

In unserem Beispiel wiesen Isolate (EHEC O157:H7) aus Stuhlproben von Kleinkindern, die nachweislich rohen Kuchenteig gegessen hatten, identische Gensequenzen auf wie Isolate einer Lebensmittelprobe Weizenmehl. Dies wurde beim routinemäßigen Abgleich von krankmachenden Bakterien aus menschlichen Proben und aus Lebensmitteln mittels NGS (next generation sequencing) festgestellt. Im Nachgang hierzu untersuchte das CVUA Stuttgart verschiedene Mehle desselben Herstellers (Weizen-, Dinkel-, Pizzamehl). In der Probe Pizzamehl wurden sogar zwei verschiedene STEC-Stämme nachgewiesen, was eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen kann. Unsere weitere Analytik mittels NGS ergab jedoch Unterschiede zu den EHEC-Isolaten des Erkrankungsfalls. So wurden die Serotypen O155:H21 und O103:H2 gefunden, wobei sich letzterer genetisch in der Nähe eines anderen Krankheitsclusters befand.

Für die Gesundheit ihrer Kinder ist es daher sicherer, erst das gebackene Endprodukt zu verzehren.

 

Rohmilch mit Vorsicht zu genießen

Abbildung 2: Milch im Glas.

Abbildung 2: Milch im Glas

 

In Jahr 2023 wurden uns getrennt voneinander gleich drei Fälle von an Nierenversagen erkrankten Kleinkindern berichtet. In all diesen Fällen bestand der Verdacht, dass getrunkene Rohmilch als Erkrankungsursache in Frage kommt. In zwei Fällen wurde uns neben Rohmilch auch Kot von Kälbern bzw. Haustieren zur Untersuchung überbracht. Der Nachweis von Shigatoxin-bildenden Escherichia coli war im Kälberkot positiv, nicht jedoch in den Proben von den Haustieren und der überbrachten Rohmilchprobe. Leider konnte in diesem Fall keine weitere Abgleichsuntersuchung mittels NGS durchgeführt werden, da auf der Humanseite kein Isolat vorlag. Ob sich das erkrankte Kind durch den direkten Kontakt mit den Kälbern infiziert hatte, ließ sich daher nicht mehr abschließend klären.

 

Im dritten Fall erkrankte ein 2jähriges Kind ebenfalls an akutem Nierenversagen. Hier wurde berichtet, dass dem Kind nicht abgekochte Milch aus dem Rohmilchautomaten an einem Bauernhof zum Trinken gegeben worden war, da der Automat mehr Milch ausgab, als die mitgebrachte Flasche fasste. Am Automaten hing zwar vorschriftsmäßig ein Schild mit dem Hinweis, dass die Milch vor dem Verzehr abzukochen ist [6], dies wurde jedoch von der Mutter des Kleinkindes ignoriert. Die vorgelegte Probe Rohmilch aus dem Automaten wies nach dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchung STEC auf. Das Rohmilch-Isolat konnte mit einem Isolat aus dem Stuhl des Kindes mittels NGS abgeglichen werden und war identisch. Der direkte kausale Zusammenhang zwischen dem Rohmilchverzehr und der EHEC-Erkrankung konnte somit eindeutig hergestellt werden.

 

Da Rohmilch bei unseren Routineuntersuchungen immer wieder mit STEC belastet ist, sollte auf einen Rohverzehrverzichtet werden. Dies gilt insbesondere für empfindliche Personen. Dass es sich hierbei nicht nur um Kleinkinder handelt, sondern auch ältere Menschen treffen kann, wurde vom CVUA Stuttgart 2020 bereits berichtet [7].

 

Wie kann ich eine Ansteckung verhindern?

Eine effektive Abtötung dieser Keime erfolgt ausschließlich durch Erhitzungsverfahren wie Kochen, Braten, Backen und Pasteurisieren. Das Lebensmittel sollte hierbei für mindestens zwei Minuten eine Temperatur von 70 °C erreichen [2].

 

Regelmäßige Kontrollen erhöhen die Sicherheit

Die Lebensmittelüberwachungsbehörden vor Ort, die Gesundheitsämter sowie das CVUA Stuttgart und das Landesgesundheitsamt arbeiten in Erkrankungsfällen oder -ausbrüchen intensiv zusammen. Insbesondere werden Information über nachgewiesene Keime ausgetauscht, die in weiteren analytischen Untersuchungen wie NGS zum Abgleich der Identität genutzt werden. Hierdurch können Erkrankungsfälle noch besser aufgeklärt werden [8]. Daneben werden wir nicht müde regelmäßig alle Arten von Lebensmitteln zu untersuchen, um mikrobiologische Missstände frühzeitig festzustellen und so den Verbraucher vor möglichen Gefahren zu schützen.

 

Bildernachweis

Pixabay

 

Quellen

[1] RKI, 2020: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2020, S. 74–77 und 116–118

[2] Nationale Forschungsplattform für Zoonosen, 2023: Zoonose des Monats – April 2023 Erregersteckbrief Escherichia coli/Shigatoxin-bildende E. coli.

[3] RKI, 2011: Abschließende Darstellung und Bewertung der epidemiologischen Erkenntnisse im EHEC O104:H4 Ausbruch, Deutschland 2011

[4] BVL, 2020: Zoonosen-Monitoring 2020. S. 29–33

[5] LGL, Bayern: Daten zum Nachweis von Salmonella spp. bei Konsumeiern in Deutschland aus den Zoonosen-Trendbericht gem. RL 2003/99/EG; Warengruppe 05 Eier; Jahre 1969–2013

[6] Elisa Scheib, 2023: Untersuchungen von Rohmilch aus Automaten im CVUA Stuttgart in den Jahren 2020 bis 2022.

[7] Helene Oberreuter, 2020: Rohmilchkonsum führt zu schwerer Erkrankung eines 76-Jährigen.

[8] Sabine Horlacher, Ekkehard Hiller, Matthias Contzen (2023): Ausbruchsaufklärung mit Eigenkontrollisolaten – Nutzen einer hochauflösenden Typisierung.

 

Artikel erstmals erschienen am 04.10.2023