Unterscheidung von Listeria monocytogenes Stämmen per Infrarotspektroskopie anhand ihrer Serogruppe
Dr. Helene Oberreuter, Martin Dyk, Dr. Jörg Rau
Der bakterielle Krankheitserreger Listeria monocytogenes wird oft über Lebensmittel übertragen. Immer wieder verursachen einzelne Listerien-Stämme Erkrankungsausbrüche mit u. U. zahlreichen Betroffenen, in seltenen Fällen auch mit Todesfolge. Um solche Ausbrüche aufzuklären und Gegenmaßnahmen zu ergreifen ist es wichtig, zwischen verschiedenen Bakterienstämmen derselben Art unterscheiden zu können. Für Listerien kann die Fourier-Transform-Infrarot (FTIR)-Spektroskopie zur schnellen Typisierung der Serogruppe eingesetzt werden. In unserem Labor wurde ein mithilfe Künstlicher Intelligenz trainiertes Spektrometer-Software-System umfangreich auf seine Leistungsfähigkeit getestet. Das Ergebnis: Alles richtig. Das Verfahren ist fester Bestandteil in unserem akkreditierten Arbeitsgang.
Das CVUA Stuttgart ist das Zentrallabor für Lebensmittelerkrankungsproben in Baden-Württemberg: Alle Lebensmittel, die im Südwesten der Republik im Verdacht stehen, an einer Humanerkrankung ursächlich beteiligt zu sein, werden hier untersucht.
Im unserem Lebensmittelmikrobiologie-Labor analysieren wir pro Jahr ca. 1800 Lebensmittelproben auf Listerien. Hierin eingeschlossen sind sowohl Erkrankungsproben als auch risikoorientiert geplante Proben. Das verwendete Untersuchungsverfahren ist uns durch die internationale Norm ISO 11290 [1, 2] vorgegeben. Falls im Arbeitsablauf auf den Selektivagarplatten Listerien-verdächtige Kolonien sichtbar sind, müssen diese in weiteren Arbeitsschritten bestätigt werden. Dazu durchlaufen die Isolate in unserem Labor für Identifizierende Spektroskopie zunächst eine massenspektrometrische MALDI-TOF-Analyse, in der die Bakterienart festgestellt wird. Bestätigt sich der Verdacht auf Listeria monocytogenes? Falls Ja, schließen wir die FTIR-Spektroskopie an, eine schnelle, einfache und kostengünstige Methode zur Feindifferenzierung auch unterhalb des Artniveaus (für verschiedene Serogruppen, Pathogenitätsfaktoren, Impfstämme) [3–5].
Bei L. monocytogenes wurden bislang vier unterschiedliche Serogruppen (SG) beschrieben: die Kombigruppe 1/2, außerdem die Gruppen 3, 4 und 7. An humanen Erkrankungsausbrüchen sind die beiden Serogruppen 1/2 und 4 am häufigsten beteiligt und daher besonders relevant.
Zur Unterscheidung verschiedener L. monocytogenes Stämme anhand ihrer Serogruppen wurde in unserem Labor nun ein sogenannter Klassifikator getestet, der vom Hersteller des Infrarotspektrometers, Bruker Daltonics, Bremen, kommerziell erhältlich ist. Der Klassifikator besteht im Wesentlichen aus einem Künstlichen Neuronalen Netz, das so lange trainiert wurde, bis es die bestmögliche Trennschärfe zwischen den verschiedenen Gruppen erreichte. Bei uns musste das aus FTIR-Gerät und Klassifikator bestehende Komplettsystem den Praxistest in einer formellen Validierung bestehen, was den Einsatz in unserer akkreditierten Laborumgebung erleichtert.
Die Trennschärfe der FTIR-Spektroskopie in der Unterscheidung verschiedener Serogruppen wurde dabei in einer externen Validierung in Anlehnung an die Richtlinien zur MALDI-TOF Validierung überprüft [6]. Dazu wurden 94 verschiedene Listeria monocytogenes Stämme aus unserer hauseigenen Kulturensammlung verwendet, deren Serogruppe zuvor durch das Nationale Referenzlabor für Listeria monocytogenes am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin bestimmt worden war. Bei diesen Stämmen waren alle Serogruppen vertreten bis auf SG 7, die nur extrem selten vorkommt und in unserem Labor bisher noch nie in einer Probe nachgewiesen wurde.
Von diesen Stämmen wurden insgesamt 630 Infrarotspektren erstellt und durch den Klassifikator typisiert. Die Richtig-Positiv-Rate der Zuordnung betrug für die Serogruppen 1/2 und 4 jeweils 100 %. Im Verlauf der Validierung wurden die seltene Serogruppe 3 und die noch seltenere Serogruppe 7 zusammengefasst, was in einer Richtig-Positiv-Rate für die SG 3&7 – Einheit von ebenfalls 100 % resultierte. Die Trennung der beiden Serogruppen 3 und 7 mit diesem Klassifikator konnte – mangels Isolaten – bisher nicht gezeigt werden. Dies ist allerdings für die Praxis aufgrund ihrer Seltenheit nicht relevant.
Mit dem nun erfolgreich validierten Klassifikator können in unseren Laboren also L. monocytogenes Isolate schnell und kostengünstig anhand ihrer Serogrupppen-Zugehörigkeit unterschieden werden. Im Bedarfsfall können wir im nächsten Schritt die Infrarotspektren einer spektroskopischen Clusteranalyse unterziehen und so sehr einfach und sicher die für die Probe repräsentativen Isolate auswählen. Diese werden im Anschluss mit Hilfe einer Vollgenomsequenzierung (WGS) noch feiner typisiert. Durch diesen Gesamtarbeitsablauf können wir einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung von Listeriose-Erkrankungsausbrüchen oder Kontaminationsrouten in lebensmittelverarbeitenden Betrieben leisten.
Die oben genannten Arbeiten wurden kürzlich in der Zeitschrift Clinical Spectroscopy veröffentlicht und stehen Open Access zur Verfügung [7] .
Abb. 1: Vom Lebensmittel zum durchleuchteten Krankheitserreger: Arbeitsablauf der Isolierung und Feintypisierung von Listeria monocytogenes in den Laboren für Lebensmittelmikrobiologie und Identifizierende Spektroskopie am CVUA Stuttgart
Infokasten
Listeria monocytogenes
… ist ein gut erforschter Erkrankungserreger, für den in Europa pro Jahr ca. 2000 Fälle gemeldet werden. Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet und ziemlich robust gegenüber für Mikroben schwierigen Lebensbedingungen wie Gefrieren, Trocknen und Behandlungen mit Säure oder Alkohol. Insbesondere geschützt in Biofilmen können sie gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsmitteln unerfreulich resistent sein. Darüber hinaus sind sie, wenn auch langsam, sogar noch bei Kühlschranktemperaturen vermehrungsfähig. Listerien werden im Allgemeinen über kontaminierte Lebensmittel übertragen. Gesunde Erwachsene spüren bei einer Infektion mit L. monocytogenes möglicherweise nur leichte grippe-ähnliche Anzeichen. Immungeschwächte Personen (Kleinkinder, alte und chronisch kranke Menschen sowie Schwangere) erfahren bei einer Listeriose jedoch unter Umständen deutlich ernstere gesundheitliche Folgen wie Magen-Darm-Symptome, Sepsen und Hirnhautentzündungen. Bei Schwangeren kann es sogar zum Abort des Fötus kommen. Zum Schutz vor Lebensmittelinfektionen wird empfohlen, auf den Verzehr ausgewählter Lebensmittel zu verzichten [8].
Abb 2: Listeria monocytogenes auf ALOA-Agar
Bildernachweis
© CVUA Stuttgart
Quellen
1. Microbiology of the food chain – Horizontal method for the detection and enumeration of Listeria monocytogenes and of Listeria spp. – Part 1: Detection method [ISO 11290-1:2017]. 2017, ISO 11290-1:2017.
2. Microbiology of the food chain – Horizontal method for the detection and enumeration of Listeria monocytogenes and of Listeria spp. – Part 2: Enumeration method [ISO 11290-2:2017]. 2017, ISO 11290-2:2017.
3. Wenning M., Scherer S., Identification of microorganisms by FTIR spectroscopy: perspectives and limitations of the method. Appl Microbiol Biotechnol, 2013. 97(16): p. 7111-20 DOI: 10.1007/s00253-013-5087-3.
4. Kuhm A. E., Suter D., Felleisen R., Rau J., Identification of Yersinia enterocolitica at the species and subspecies levels by Fourier transform infrared spectroscopy. Appl Environ Microbiol, 2009. 75(18): p. 5809-13 DOI: 10.1128/AEM.00206-09.
5. Oberreuter H., Rau J., Artificial neural network-assisted Fourier transform infrared spectroscopy for differentiation of Salmonella serogroups and its application on epidemiological tracing of Salmonella Bovismorbificans outbreak isolates from fresh sprouts. FEMS Microbiol Lett, 2019. 366(15) DOI: 10.1093/femsle/fnz193.
8. Schutz vor Lebensmittelinfektionen mit Listerien. Bundesinstitut für Risikobewertung, 2017