Cremiges Softeis – ein Eldorado für Salmonellen?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Melissa Kieferle

 

Auch wenn der Sommer in diesem Jahr etwas auf sich warten ließ: zwischendurch eine kalte, süße Erfrischung in Form eines leckeren Eises geht immer! Egal ob am kleinen Eisstand in der Fußgängerzone oder im gemütlichen Café ums Eck, die Auswahl ist oft riesig und fällt nicht selten schwer. Wer es gerne besonders cremig mag, entscheidet sich häufig für ein Softeis. Dieses stand lange Zeit aufgrund der speziellen Herstellungsweise immer wieder im Verdacht, gegenüber herkömmlichem Speiseeis besonders empfänglich für mikrobiologische Verunreinigungen zu sein. Insbesondere das Vorkommen von Salmonellen in Softeis wird immer wieder diskutiert – doch wie sieht es wirklich aus?

 

Abbildung 1: Softeis mit Vanille-Geschmack in Probenahmedose.

Abbildung 1: Softeis mit Vanille-Geschmack in Probenahmedose

 

Was macht das Softeis so besonders?

… und vor allem: Was unterscheidet Softeis vom klassischen Speiseeis?

 

Im Vergleich zu herkömmlichem Speiseeis wird die Eismischung bei der Herstellung in einer speziellen Eismaschine statt auf -18 °C lediglich auf -6 °C abgekühlt. Zusätzlich wird die Eismasse im Gefrierzylinder mit Luft aufgeschäumt, was dem Eis die charakteristische, cremige Konsistenz verleiht [1]. Ein weiterer Unterschied ist das intensivere Geschmackserlebnis bei dem Genuss von Softeis. Da unsere Geschmacksknospen auf der Zunge kälteempfindlich sind, empfinden wir den Geschmack des etwas „wärmeren“ Softeises im Vergleich zum klassischen Eis intensiver [2].

 

Außerdem ist Softeis anfälliger für mikrobiologische Kontaminationen. Die Eismasse an sich stellt grundsätzlich bereits einen idealen Nährboden für Bakterien dar. In Verbindung mit den geringeren Gefriertemperaturen und dem durch den Luftaufschlag bedingten höheren Anteil an Luft ist Softeis für unerwünschte Mikroorganismen deutlich attraktiver und somit anfälliger als das herkömmliche Speiseeis. Zudem sterben bei den geringeren Gefriertemperaturen des Softeises im Vergleich zum klassischen, kälteren Speiseeis Bakterien nicht ab. Es wird lediglich die Stoffwechselaktivität der Keime reduziert und die Vermehrung unterdrückt, jedoch findet keine Keimreduktion statt [1].

 

Softeis im Fokus der mikrobiologischen Untersuchung

Im Zeitraum von 2022 bis heute wurden an den 4 Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämtern in Baden-Württemberg insgesamt 33 Softeis-Proben mikrobiologisch untersucht.

 

Einen Teil der Untersuchung nimmt dabei die „grobsinnliche“ Prüfung ein. Hier werden die Proben zunächst genauer in Augenschein genommen und hinsichtlich ihres Aussehens, ihres Geruchs, ihres Geschmacks und ihrer Konsistenz beurteilt. Erfreulicherweise waren alle 33 untersuchten Softeis-Proben dabei unauffällig. Der nächste Schritt ist die eigentliche mikrobiologische Untersuchung. Dabei wird eine bestimmte Teilmenge jeder Probe auf bzw. in bestimmte Nährmedien überführt. Diese Nährmedien beinhalten unterschiedliche Nährstoffe, und je nach Zusammensetzung fördern sie gezielt das Wachstum bestimmter Keime, sofern diese in der Probe vorhanden sind. So können die mikroskopisch kleinen Bakterien für das bloße Auge sichtbar gemacht werden.

 

Darstellung der ausgewerteten Untersuchungsergebnisse als Kuchendiagramme.

 

Von allen 33 im Untersuchungszeitraum erhobenen Softeis-Proben waren lediglich drei Proben aufgrund erhöhter Gehalte an Hygiene- und Verderbskeimen auffällig. Dabei wurden Enterobacteriaceae und Escherichia coli als typische Hygieneindikatoren sowie verderbniserregende Hefen nachgewiesen. Zwei weitere Proben wurden aufgrund mangelhafter Kennzeichnung beanstandet.

 

Enterobacteriaceae wurden bei allen drei Proben mit einem Keimgehalt zwischen 480 und 5000 KBE/g nachgewiesen.

 

Im Anhang I der Verordnung (EG) 2073/2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel finden sich in Kapitel 2.2 Nr. 2.2.8 Prozesshygienekriterien für Speiseeis und vergleichbare gefrorene Erzeugnisse auf Milchbasis. Ein „Prozesshygienekriterium“ ist dabei laut Definition in Artikel 2 Absatz d) der o. g. Verordnung ein Kriterium, das die akzeptable Funktionsweise des Herstellungsprozesses angibt. Ein solches Kriterium gilt nicht für im Handel befindliche Erzeugnisse. Mit ihm wird ein Richtwert für die Kontamination festgelegt, bei dessen Überschreitung Korrekturmaßnahmen im Herstellerbetrieb erforderlich sind, damit die Prozesshygiene in Übereinstimmung mit dem Lebensmittelrecht erhalten wird [3]. Nach dem darin festgelegten Probenplan darf demnach zum Ende des Herstellungsprozesses der Gehalt an Enterobacteriaceae den Höchstwert (M) von 100 KBE/g in keiner Probe und den Schwellenwert (m) von 10 KBE/g nur in max. 2 von 5 Proben überschreiten [3]. Dies kann anhand von Eigenkontrollen des Herstellers überprüft werden.

 

Auf der Stufe des Handels empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) für Speiseeis bei loser Abgabe an den Verbraucher einen Richtwert für Enterobacteriaceae von 50 KBE/g und einen Warnwert von 500 KBE/g [4]. Der Richtwert gibt an, welche Mikroorganismengehalte im entsprechenden Lebensmittel bei Einhaltung einer guten Hygienepraxis akzeptabel sind. Wird der Richtwert im Rahmen einer betrieblichen Kontrolle überschritten, ist dies ein Hinweis auf Schwachstellen in der Herstellungs- und Hygienepraxis und zeigt, dass es nötig ist die Wirksamkeit der vorbeugenden Maßnahmen zu überprüfen und die Hygienesituation zu verbessern. Die Überschreitung des Warnwertes dagegen zeigt, dass die Prinzipien einer guten Hygiene- und/oder Herstellungspraxis verletzt wurden.

 

Enterobacteriaceae gelten, wie bereits erwähnt, als Hygieneindikatoren. Sie kommen sowohl als Teil der natürlichen Darmflora von Mensch und Tier als auch überall in der Umwelt vor. Um eine Kontamination des Softeises zu vermeiden ist eine ordentliche Hygiene bei der Herstellung unerlässlich. Kritische Punkte dabei sind die Lagerdauer und -temperatur des Speiseeisansatzes im Vorratsbehälter sowie die Reinigungs- und Desinfektionsintervalle des gesamten Softeisautomaten [5].

 

Zusätzlich wurde in einer der drei mikrobiologisch auffälligen Proben Escherichia (E.) coli mit einem Keimgehalt von 110 KBE/g nachgewiesen (DGHM-Richtwert 10 KBE/g, Warnwert 100 KBE/g). Da E. coli insbesondere im menschlichen und tierischen Darm vorkommt, kann der Nachweis dieser Bakterien in der Probe auf eine fäkale Verunreinigung durch Mängel in der Personal- und/oder Betriebshygiene hindeuten. So kann eine Kontamination mit E. coli zum Beispiel durch unzureichende Reinigung und Desinfektion der Arbeitsflächen, -geräte und Hände oder durch die Verwendung von Putz- und Spüllappen, die mit diesen Keimen behaftet sind, entstehen.

 

Das Vorkommen von Hygiene- bzw. Fäkalkeimen in den Proben zeigt eine nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel an. Zudem besteht der Verdacht, dass im Rahmen der Herstellung/Behandlung oder des Inverkehrbringens die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gemäß VO (EG) Nr. 852/2004 sowie § 3 LMHV nicht beachtet wurde [6,7].

 

Krankmachende Keime, wie zum Beispiel Salmonellen, wurden erfreulicherweise in keiner der untersuchten Proben nachgewiesen. Lediglich in einer Probe wurde Bacillus (B.) cereus in geringer Konzentration festgestellt. Bei diesem Bakterium handelt es sich um einen ubiquitär, also überall, vorkommenden, potentiellen Lebensmittel­intoxikations­erreger, welcher Magen-Darm-Erkrankungen auslösen kann. Dabei führt sein emetisches Toxin (Cereulid-Toxin) ca. 0,5 bis 6 Stunden nach Verzehr zu Erbrechen, sein Diarrhoe-Toxin nach ca. 6 bis 24 Stunden zu Durchfall. Nach hiesigem Kenntnisstand und den Angaben in der Literatur sind zur Auslösung einer Lebensmittelintoxikation Keimgehalte von i. d. R. mehr als 100.000 KBE/g Lebensmittel notwendig [8]. Die hier nachgewiesene Menge wird deshalb als zu gering angesehen, um Erkrankungen auszulösen, weshalb die Probe in der vorliegenden Form noch nicht beanstandet wurde.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Softeis durchaus Potential für mikrobiologische Verunreinigungen bietet. Bei der Herstellung sollte deshalb penibel auf eine ordentliche Hygiene inklusive regelmäßiger Reinigung und Desinfektion der Softeisautomaten geachtet werden. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen jedoch, dass der negative Ruf des Softeises unbegründet ist: alle untersuchten Proben waren zum Verzehr geeignet und krankmachende Keime, insbesondere die häufig darin vermuteten Salmonellen, konnten nicht nachgewiesen werden – dem cremig-süßen Genuss steht diesen Sommer also nichts mehr im Wege.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart, Abt. Mikrobiologie und Trinkwasser

 

Quellen

[1] Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Softeis, zuletzt aufgerufen am 14.08.2024

 

[2] Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Softeis aus Automaten – kühl, cremig, geschmacksintensiv, zuletzt aufgerufen am 14.08.2024

 

[3] VO (EG) 2073/2005: Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel (ABl. L 338/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2020/205 vom 14. Februar 2020 (ABl. L 43/63)

 

[4] DGHM Richt- und Warnwerte: Veröffentlichte mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln – eine Empfehlung der Fachgruppe Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie

 

[5] Ages: Mikrobiologie von Softeis, zuletzt aufgerufen am 14.08.2024

 

[6] VO (EG) 852/2004: Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/382 vom 3. März 2021 (ABl. L 74/3)

 

[7] LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (BGBl. I S. 1469), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159)

 

[8] BfR-Stellungnahme 048/2020 Bacillus cereus-Bakterien in Lebensmitteln können Magen-Darm-Erkrankungen verursachen

 

Artikel erstmals erschienen am 22.08.2024