Natürliche Potenzmittel für Frau und Mann?

CVUA Stuttgart: Sonja Beyerlein, Melisa Güneri, Thomas Kapp; Arzneimittelteam des CVUA Karlsruhe

 

Ob als Herzschokolade für Sie und Ihn, als „Wonder-Honey“, in Kaffee- oder Kapselform – rein „natürliche“ Potenzmittel bieten eine scheinbar harmlose Alternative zu verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Seit dem Jahr 2022 wurden am CVUA Stuttgart insgesamt 20 dieser kuriosen Proben untersucht. Die Natürlichkeit der Wirkversprechen konnte nicht bestätigt werden – 19 Proben enthielten den Arzneistoff Sildenafil.

 

Aufmachung der Proben

Angefangen mit den typischen honigartigen Pasten mit Kräutern und Gewürzen bis hin zu Kaffee oder Schokolade mit Ginseng, die Produktvielfalt wird augenscheinlich größer. Der überwiegende Teil der Produkte enthielt zwar keine deutsche Kennzeichnung – die Produktaufmachung war jedoch unmissverständlich: die Produkte sollen zu einem erfüllten Liebesleben verhelfen, ganz natürlich mit Pflanzenextrakten aus z. B. Ginseng, Epimedium oder Tribulus terrestris.

 

Abb. 1: Beispiele der untersuchten Produkte.

Abb. 1: Beispiele der untersuchten Produkte

 

Für diese Pflanzen kursieren im Internet zahlreiche Wirkversprechungen hinsichtlich der sexuellen Gesundheit und Steigerung der Libido. Jedoch ist für keine eine gesundheitsbezogene Angabe (Health Claim) durch die Europäische Kommission zugelassen. Eine Bewerbung der Produkte bezüglich der sexuellen Gesundheit ist daher unzulässig. Zudem handelt es sich bei „Epimedium“ – der Elfenblume – um ein zulassungspflichtiges neuartiges Lebensmittel. Weder die Pflanze selbst noch Extrakte daraus sind derzeit in Lebensmitteln, einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln, zugelassen.

 

Woher stammen die Proben?

Insgesamt 12 Proben wurden im stationären Handel aus Kiosken und bei einem Betreiber eines Onlineshops erhoben, drei Proben wurden zudem als Vergleichsproben im Internet bestellt. Die Probenahme von vier weiteren Proben erfolgte am Zoll des Flughafens Stuttgart als sogenannte Importproben.

 

Zudem wurde eine Probe von einem Verbraucher bei der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde als Beschwerdeprobe eingereicht und zur Untersuchung an das CVUA Stuttgart weitergeleitet. Diese honigartige Paste wurde vom Verbraucher über Amazon bei einem Anbieter aus Baden-Württemberg bezogen. Nach der Einnahme des Produktes traten Bluthochdruck und weitere Beschwerden auf. Der Verbraucher unterzog sich einer ärztlichen Untersuchung, woraufhin der Arzt den Verdacht äußerte, dass das Produkt den Arzneistoff Sildenafil enthält. Die Untersuchung in unserem Toxin-Labor bestätigte die Vermutung.

 

Neben Sildenafil wurde auch die wirkstoffverwandte Substanz Tadalafil sowie Coffein und das Schmerzmittel Paracetamol qualitativ nachgewiesen. Alle Substanzen waren weder im Onlineshop noch auf dem Etikett der Probe angegeben.

 

Was ist wirklich drin?

In 19 der untersuchten Proben konnte der Arzneistoff Sildenafil qualitativ nachgewiesen werden, der in verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Behandlung von Erektionsstörungen eingesetzt wird. Am CVUA Karlsruhe wurden die Gehalte an Sildenafil in den Lebensmitteln zudem quantifiziert. Bei 17 Proben lagen diese im Bereich des zulassungspflichtigen Arzneimittels und unterschieden sich erheblich in ihren Mengen (21 mg bis 110 mg pro deklarierter Tagesverzehrsmenge des Lebensmittels). Bei zwei Proben war Sildenafil zwar nachweisbar, aber aufgrund der geringen Menge nicht bestimmbar, bzw. nicht signifikant. Bei nur einer Probe, welche beim Inverkehrbringer und Betreiber eines Onlineshops vor Ort erhoben wurde, konnte der Arzneistoff Sildenafil nicht nachgewiesen werden. Die Vergleichsprobe, die über den Onlineshop bestellt wurde, enthielt dagegen Sildenafil. Auch weitere Vergleichsproben des gleichen Herstellers, bezogen über andere Onlineplattformen, waren Sildenafil-positiv.

 

In fünf der vorgelegten Proben konnte zudem der Arzneistoff Tadalafil nachgewiesen werden, welcher ebenfalls Bestandteil von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Behandlung von Erektionsstörungen ist. Auch das Schmerzmittel Paracetamol konnte in vier Proben qualitativ nachgewiesen werden.

 

Während Ärzte oder Packungsbeilagen über Nebenwirkungen von Sildenafil wie Kopfschmerzen bis hin zu Herzrhythmusstörungen aufklären, erwartet der Verbraucher bei Lebensmitteln keine gesundheitlichen Risiken. Anhand der Kennzeichnung aller untersuchten Produkte konnte nicht auf das Vorhandensein von Sildenafil, Tadalafil oder Paracetamol geschlossen werden. Der Zusatz derartiger verschreibungspflichtiger Arzneistoffe ist in Lebensmitteln verboten.

 

Der Nachweis von Sildenafil im Gehaltsbereich zulassungspflichtiger Arzneimittel führte dazu, dass die Proben als gesundheitsschädlich im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchstabe a der VO (EG) Nr. 178/2002 eingestuft wurden. Zudem erfolgte eine arzneimittelrechtliche Beurteilung als Funktionsarzneimittel i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a des Arzneimittelgesetzes durch das Arzneimittelteam des CVUA Karlsruhe.

 

Fazit

Wir raten ausdrücklich vom Verzehr verdächtiger „natürlicher“ Potenzmittel ab. Gerade aufgrund der Unkenntnis über ein mögliches Vorhandensein von Sildenafil und weiterer Arzneistoffe birgt die Einnahme derartiger Produkte erhebliche Gesundheitsrisiken. Häufig fehlt zudem eine entsprechende Dosierungsanleitung oder Warnhinweise, wodurch das Risiko einer Überdosierung zusätzlich erhöht wird. Auch eine mögliche Wechselwirkung mit anderen Medikamenten kann nicht ausgeschlossen werden. Wir empfehlen, sich bei Bedenken an die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde zu wenden.

 

Infokasten

Zoll online

Auch der Zoll warnt in seinen Pressemitteilungen regelmäßig vor „Potenzhonig“ und anderen „natürlichen“ Potenzmitteln. Ob für den Eigenbedarf oder als Mitbringsel für Freunde und Familie, es handelt sich um einen Verstoß gegen das deutsche Arzneimittelgesetz.

Weitere Infos sind unter dem Suchbegriff „Sildenafil“ auf der Internetseite des Zolls abrufbar.

 

Weiterführende Informationen

 

Artikel erstmals erschienen am 03.04.2025