Gefahren durch Alltagsgegenstände bei der Lebensmittelzubereitung

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Melinda Sattler, Anna Kaufmann

 

Ob Blumentöpfe als Muffinförmchen, Abwasserrohre aus Polyvinylchlorid (PVC) als Dessertringe, Luftballons zum Herstellen von Schokoladendessertschalen, Müllbeutel und Gelbe Säcke zum Einfrieren von Lebensmitteln oder Topfdeckelhalter zum Grillen von Spare Ribs – die Liste von Alltagsgegenständen, die als Lebensmittelkontaktmaterialien zweckentfremdet werden, ist lang. Immer wieder gibt es Internetbeiträge und Videoanleitungen von findigen Verbrauchern und Köchen, die Alltagsgegenstände kreativ zur Lebensmittelzubereitung nutzen. Hier gilt es allerdings vorsichtig zu sein!

 

Abbildung 1: Exemplarisch dargestellte Verwendung eines zweckentfremdeten Blumentopfs als Backform.

Abbildung 1: Exemplarisch dargestellte Verwendung eines zweckentfremdeten Blumentopfs als Backform

 

Was sind die Gefahren?

Ein Tontopf für Blumen oder ein Topfdeckelhalter wurde vermutlich nicht auf einen möglichen Übergang an Schwermetallen, ein Luftballon nicht auf einen möglichen Übergang an Additiven und ein Müllbeutel nicht auf einen möglichen Übergang von unerwünschten, gesundheitlich relevanten Kunststoffbestandteilen in das Lebensmittel untersucht. Sofern der Inverkehrbringer nicht damit wirbt, dass die Gegenstände auch für den Lebensmittelkontakt geeignet sind, besteht hierzu seinerseits keine Verpflichtung. Für die zweckentfremdete Verwendung eines Gegenstandes als Lebensmittelkontaktmaterial, liegt die Verantwortung beim Verbraucher.

 

Abbildung 2: Beispiele für zweckentfremdete Alltagsgegenstände im Lebensmittelkontakt. Links: Luftballon zur Herstellung einer Dessertschale aus Schokolade; Rechts: Verwendung eines Müllbeutels zur Lagerung von Teig.

Abbildung 2: Beispiele für zweckentfremdete Alltagsgegenstände im Lebensmittelkontakt. Links: Luftballon zur Herstellung einer Dessertschale aus Schokolade; Rechts: Verwendung eines Müllbeutels zur Lagerung von Teig. Es können Bestandteile des Luftballons bzw. Müllbeutels in das Lebensmittel übergehen. Da die Produkte nicht für den Lebensmittelkontakt vorgesehen sind, liegt die Verantwortung beim Anwender.

 

Dass sich durch die zweckentfremdete Verwendung von Gegenständen zur Lebensmittelzubereitung gesundheitsrelevante Risiken ergeben können, hat sich beispielsweise beim „Bierdosen-Hähnchen“ gezeigt. Bei dieser Praxis wird ein ganzes Hähnchen über eine halbvolle Bierdose gestülpt und zusammen mit dieser gegrillt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) riet bereits in seiner Mitteilung aus dem Jahr 2014 von einer solchen Anwendung ab, da mit dem Übergang von Druckfarbenbestandteilen von der Dosenaußenseite auf das Lebensmittel zu rechnen ist [1]. Bei der Bierdose handelt es sich zwar um ein Lebensmittelkontaktmaterial, das dazu bestimmt ist, mit dem Lebensmittel Bier in Berührung zu kommen, allerdings kommt hier nur die Doseninnenseite bestimmungsgemäß mit dem Lebensmittel in Kontakt. Das Aluminium oder Weißblech bildet eine funktionelle Barriere zur bedruckten Dosenaußenseite [1]. Auf diese Weise wird verhindert, dass Stoffe von der Dosenaußenseite auf das Lebensmittel im Inneren der Dose übergehen. Bei der Zubereitungspraxis des „Bierdosen-Hähnchens“ kommt das Hähnchen hingegen direkt mit der bedruckten Dosenaußenseite in Berührung. Ein Kontakt, der so nicht vorgesehen ist. Es kann zu einem Übergang von nicht toxikologisch bewerteten und möglicherweise gesundheitsschädlichen Stoffen auf das Lebensmittel kommen [1]. Durch die Hitze beim Grillen und den hohen Fettgehalt des Hähnchens werden mögliche Übergänge zusätzlich begünstigt [1].

 

Für die oben genannten Produktkategorien, die nicht zu den Lebensmittelkontaktmaterialien zählen, gibt es zwar ebenfalls gesetzliche Anforderungen, beispielsweise im Rahmen des Chemikalienrechts, allerdings stehen hier vor allem der Umweltschutz und der Schutz des Verbrauchers durch Inhalation oder Körperkontakt – sofern dieser vorgesehen ist – im Vordergrund. Die Anforderungen für Lebensmittelkontaktmaterialien bezüglich eines möglichen Übergangs unerwünschter oder gesundheitlich relevanter Stoffe auf Lebensmittel und der damit verbundenen oralen Aufnahme, finden hier hingegen keine Anwendung.

 

Welche Anforderungen gelten für Lebensmittelkontaktmaterialien?

Für Lebensmittelkontaktmaterialien (siehe Infokasten) gelten strenge Anforderungen an Herstellung, Zusammensetzung und Prüfungen bezüglich möglicher Übergänge an kritischen Stoffen unter realistischen Verwendungsbedingungen. Den Rahmen gibt die VO (EG) Nr. 1935/2004 [2] vor, für einige, bestimmte Materialien gelten zusätzliche Anforderungen. Grundsätzlich dürfen aus Lebensmittelkontaktmaterialien keine Stoffe auf Lebensmittel übergehen, die die gesetzlichen Grenz- oder Richtwerte überschreiten oder die organoleptischen Eigenschaften der darin abgefüllten Lebensmittel beeinträchtigen. Mögliche Übergänge aus Lebensmittelkontaktmaterialien können beispielsweise vor dem Inverkehrbringen anhand von Migrationsversuchen mit Lebensmitteln oder Lebensmittelsimulanzien untersucht werden. Für die Auswahl des Lebensmittelsimulanzes und die Wahl der Kontaktbedingungen (Temperatur und Dauer) sind dabei die tatsächlichen Verwendungsbedingungen zugrunde zu legen. Hier wird u.a. berücksichtigt, welche Art von Lebensmitteln vorhersehbar mit dem Gegenstand oder Material in Berührung kommen, also ob diese zum Beispiel fettig, trocken, sauer oder neutral sind und ob der Kontakt unter Raumtemperatur oder Erhitzung stattfindet und wie lange dieser andauert.

 

Hieraus folgt auch, dass Hinweise des Herstellers zur Verwendung des Lebensmittelkontaktmaterials oder -gegenstands, beispielweise eine maximale Verwendungstemperatur oder ein Hinweis auf die Nichteignung für die Mikrowellenerhitzung, vom Verbraucher unbedingt ernst genommen werden sollten (vgl. Abbildung 3). Geschirr aus Melaminharz ist beispielsweise nicht zum Kochen oder zum Erhitzen von Lebensmitteln in der Mikrowelle geeignet, da unter diesen Bedingungen vermehrt Melamin und Formaldehyd freigesetzt werden [3]. Der Hersteller muss entsprechende Produkte mit einem Hinweis kennzeichnen. Nur bei korrekter Handhabung der Produkte entsprechend den Verwendungshinweisen kann die Sicherheit gewährleistet werden. Hiervon ausgenommen sind selbstverständlich unrealistische Verwendungshinweise, die dem Zweck des Gegenstands widersprechen. So muss sich eine Kuchenbackform für die Nutzung im Ofen eignen und ein Kochlöffel der Hitze beim Umrühren einer Sauce standhalten.

 

Abbildung 3: Beispiele für Materialveränderungen aufgrund von falscher Handhabung von Lebensmittelbedarfsgegenständen. Links: Verformte Kunststoffverpackung nach Erhitzen in der Mikrowelle; Rechts: Kunststofflöffel, bei dem sich die Beschichtung nach Reinigung in der Spülmaschine abpellt.

Abbildung 3: Beispiele für Materialveränderungen aufgrund von falscher Handhabung von Lebensmittelbedarfsgegenständen. Links: Verformte Kunststoffverpackung nach Erhitzen in der Mikrowelle; Rechts: Kunststofflöffel, bei dem sich die Beschichtung nach Reinigung in der Spülmaschine abpellt.

 

Infokasten

Woran erkenne ich, welche Materialien und Gegenstände für den Lebensmittelkontakt geeignet sind?

Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenstände sind gemäß Art. 1 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1935/2004 [2] Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen oder bereits mit Lebensmitteln in Berührung sind und dazu bestimmt sind, oder vernünftigerweise vorhersehen lassen, dass sie bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder ihre Bestandteile an Lebensmittel abgeben.

 

Antiquitäten, Überzugs- und Beschichtungsmaterialien, beispielsweise zum Überziehen von Käserinden, die mit dem Lebensmittel ein Ganzes bilden und mit diesem verzehrt werden können sowie ortsfeste öffentliche oder private Wasserversorgungsanlagen fallen hingegen nicht unter die Regelungen der VO (EG) Nr. 1935/2004 (vgl. Art. 1 Abs. 3 der Verordnung).

 

Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a der VO (EG) Nr. 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände, die noch nicht mit Lebensmitteln in Berührung sind, wenn sie in den Verkehr gebracht werden, mit

  • der Angabe „Für Lebensmittelkontakt“ oder
  • einem besonderen Hinweis auf den Verwendungszweck wie zum Beispiel dem als Kaffeemaschine, Weinflasche oder Suppenlöffel oder
  • mit dem in Anhang II abgebildeten Symbol (Abb. 4)

zu kennzeichnen.

 

Gegenstände, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eindeutig dafür bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, sind jedoch von der genannten Kennzeichnungspflicht ausgenommen (vgl. Art. 15 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1935/2004). Dies betrifft beispielsweise Essbesteck.

 

Abbildung 4: Glas-Gabel-Symbol.

Abbildung 4: Glas-Gabel-Symbol, das nach Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang II der VO (EG) Nr. 1935/2004 zur Kennzeichnung von Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenständen verwendet werden kann [2].

 

Trägt ein Produkt also mindestens eines der genannten Kennzeichnungselemente oder ist aufgrund seiner Beschaffenheit eindeutig für den Lebensmittelkontakt vorgesehen, so gelten für dieses Produkt umfassende Anforderungen an Herstellung, Zusammensetzung und Prüfung der Eignung für den Lebensmittelkontakt durch verschiedene europäische und nationale Verordnungen.

 

Auch Produkte, die bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen, müssen den Anforderungen für Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenständen genügen. Hierzu zählt beispielsweise Puppengeschirr, das von Kindern vorhersehbar zum Verzehr von Lebensmitteln genutzt wird. Bei Baumaterialien wie PVC-Rohren oder Gartenprodukten wie Blumentöpfen kann eine Verwendung als Lebensmittelkontaktmaterial hingegen nicht ohne Weiteres als normale und vorhersehbare Verwendung eingestuft werden. Sind diese vom Inverkehrbringer nicht mit der oben genannten Kennzeichnung versehen, so sollten sie nicht als Lebensmittelkontaktmaterial genutzt werden.

 

Fazit

Wer also bei der Lebensmittelzubereitung auf Nummer sichergehen möchte, sollte nur als Lebensmittelkontaktmaterial bzw. -gegenstand gekennzeichnete Produkte verwenden oder solche, die eindeutig für den Lebensmittelkontakt vorgesehen sind (beispielsweise Essbesteck). Nur bei diesen ist die Eignung für den Lebensmittelkontakt und unter den besonderen Kontaktbedingungen, zum Beispiel im Ofen, gewährleistet. Verbraucher sollten sich bewusst sein: Aus zweckentfremdeten Alltagsgegenständen können unter Umständen unerwünschte oder gesundheitlich bedenkliche Stoffe auf Lebensmittel übergehen.

 

Bildernachweis

Eigene Bilder, CVUA Stuttgart.

 

Quellen

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Mitteilung Nr. 024/2014 vom 1. Juli 2014.

[2] VO (EG)  1935/2004: Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG (ABl. L 338/4), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231/1). Im Internet abrufbar unter: www.eur-lex.eu

[3] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Stellungnahme Nr. 012/2011 „Freisetzung von Melamin und Formaldehyd aus Geschirr und Küchenutensilien“ vom 09.03.2011.

 

Artikel erstmals erschienen am 07.06.2021