Rückstände von Pflanzenschutzmitteln

Was sind Pestizide, was Pflanzenschutzmittel und wie werden sie angewendet?

Der Begriff Pestizid wird häufig als Synonym für das Wort Pflanzenschutzmitte verwendet [1, 2]. Pestizide werden eingesetzt, um Pflanzen oder pflanzliche Produkte vor Krankheiten, schädigenden Mikroorganismen und tierischen oder pflanzlichen Schädlingen (z. B. Unkräutern) zu schützen. Durch ihre Anwendung können in vielen Fällen höhere Erträge erzielt werden. Die Wirkungsweise von Pestiziden wird durch die enthaltenen Wirkstoffe bestimmt. Anhand ihres Wirkungsziels werden sie in folgende Klassen eingeteilt:

  • Herbizide gegen Unkräuter
  • Fungizide gegen Pilze
  • Insektizide gegen Insekten
  • Akarizide gegen Milben
  • Nematizide gegen Nematoden bzw. Äalchen
  • Molluskizide gegen Schnecken
  • Rodentizide gegen Nagetiere
  • Synergisten verstärken die Wirkung von Pestiziden
  • Wachstumsregulatoren zur Wachstumsregulierung
  • Keimhemmungsmittel verhindern das Auskeimen

 

Weltweit werden mehr als 700 verschiedene Pestizidwirkstoffe angewendet. In Deutschland sind insgesamt mehr als 250 Wirkstoffe offiziell zugelassen und im Einsatz.

 

Die verschiedenen Pestizidwirkstoffe werden nicht nur einzeln verkauft und angewendet sondern oft auch als Stoffgemische mit zwei oder mehr Pestizidwirkstoffen vertrieben [3], die sich in ihrer Wirkung ergänzen können (sog. Kombinationspräparate). Neben den Pestizidwirkstoffen können weitere Substanzen wie z.B. Synergisten oder Beistoffe in den Pestiziden enthalten sein. Synergisten sind Stoffe, die alleine nur eine schwache oder überhaupt keine Wirkung auf Schadorganismen haben, die Wirkung von Pestizidwirkstoffen aber verstärken können. Beistoffe hingegen können die Haftung der Pestizidwirkstoffe auf Pflanzen verbessern oder die Ausbringung des Pflanzenschutzmittels auf Feldern erleichtern [4]. Stoffgemische aus diesen Substanzen und ggf. mehreren Pestizidwirkstoffen werden im Allgemeinen unter dem Begriff Pestizide zusammengefasst oder auch als Pflanzenschutzmittel bezeichnet.

 

Zusätzlich können Pestizide auch noch direkt vor ihrer Verwendung mit Beistoffen vermischt werden, die dann als Zusatzstoffe bezeichnet werden [4]. Auch in diesem Fall können sie letztendlich die Wirkung der Pestizidwirkstoffe verbessern, indem sie z. B. die Benetzung oder die Haftung auf den Pflanzen vergrößern.

 

Untersuchung von Pestizidrückständen zum Schutz der Verbraucher

Die Anforderungen an die Landwirtschaft bezüglich der Produktionsmenge und der Qualität der Erzeugnisse waren noch nie höher. Durch den Ausbau des Welthandels und die ständig steigenden Bevölkerungszahlen sind die Landwirte gezwungen große Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse immer preiswerter zu produzieren. Zur Verwirklichung dieses Ziels wird intensiver Anbau in großflächigen Monokulturen und in Gewächshäusern betrieben. Bei dieser Form des Anbaus sind die Pflanzen in besonderem Maße durch Schädlinge gefährdet, so dass häufig Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden um die gewünschten Ertragsmenge zu erwirtschaften.

 

Um die negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier zu minimieren bestehen zahlreiche nationale und internationale Regelungen bezüglich Zulassung, Anwendung und erlaubter Rückstandsmengen.

 

Trotz all dieser vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt sind Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukte in unseren Lebensmitteln und in Futtermitteln nicht zu vermeiden.

So sind für Rückstände in Lebensmitteln Höchstwerte festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen, wenn das Lebensmittel an Verbraucher abgegeben werden soll. Diese EU-weit festgelegten Grenzwerte gelten nicht nur für die in Deutschland erzeugten Produkte, sondern auch für alle Lebensmittel, die aus dem Ausland importiert werden. Sowohl die amtliche Lebensmittelüberwachung als auch die Industrie überprüfen laufend die Einhaltung dieser Höchstmengen durch die Untersuchung zahlreicher Proben. In Baden-Württemberg wird die amtliche Pestizidanalytik pflanzlicher Lebensmittel am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart, die amtliche Untersuchung tierischer Lebensmittel auf Pestizidrückstände am CVUA Freiburg durchgeführt.

Pflanzenschutzmittelrückstände sind in vielen Lebensmitteln zu finden, insbesondere in pflanzlichen Produkten. Aber auch tierische Lebensmittel wie Milch, Eier und Fleisch können Pestizidrückstände enthalten, die von Tieren über das Futter aufgenommen wurden.

 

Durch Versickerung können wasserlösliche Pestizidwirkstoffe oder deren Abbauprodukte aus dem Erdboden (Äcker, Obstwiesen, Weinberge etc.) ins Grundwasser und schließlich auch ins Trinkwasser gelangen. Für Trinkwasser gelten sehr strenge Grenzwerte, ebenso wie für ausgewiesene Nahrung für Baby- und Kleinkinder.

 

Im biologischen Anbau ist eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nur bedingt erlaubt, so dass die nachgewiesenen Pestizidgehalte in Bio-Lebensmitteln meist sehr gering sind. Auch die Anzahl der verschiedenen Pestizidrückstände ist in Bio-Produkten generell sehr viel niedriger als in konventionellen („nicht bio“) Produkten.

Weitere Informationen

Pestizideinsatz bei der Produktion von Bio-Lebensmitteln? - Das Ökomonitoring-Programm Baden-Württemberg

 

Wie gefährlich sind Pestizide?

Bewertung von Pflanzenschutzmittelrückständen

Wie die zweite vom Bund beauftragte, nationale Verzehrsstudie zeigt, zählen rund 80 % der Deutschen Pestizidrückstände zu den größten Lebensmittelrisiken denen Verbraucher ausgesetzt sind [5].

 

Tatsächlich liegen die Höchstgehalte für Pestizidwirkstoffe in der Regel weit unter den Werten, die gesundheitliche Auswirkungen zur Folge haben. Die Höchstgehalte werden so festgelegt, dass auch eine zehn- oder teilweise hundertfache Überschreitung der Höchstmenge für den Verbraucher kein gesundheitliches Risiko darstellt (nach dem Stand der Wissenschaft bei der Höchstmengenfestlegung).

 

Obwohl die Überschreitung nicht bedeutet, dass ein Risiko für den Verbraucher besteht, darf ein Lebensmittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden, sobald eine Überschreitung von Höchstgehalten festgestellt wurde.

Darüber hinaus wird bei „kritischen“ Pestizidrückständen (und im Zweifelsfall immer) neben der Überprüfung der Höchstgehalten auch eine toxikologische Betrachtung des Rückstandsgehalts in der Probe durchgeführt. Um entscheiden zu können, ob der Pestizidrückstandsgehalt möglicherweise gesundheitlich bedenklich sein könnte, wird in der Regel die sogenannte Akute Referenzdosis (ARfD) herangezogen. Die akute Referenzdosis (ARfD) ist die Menge eines Stoffes, die pro kg Körpergewicht an einem Tag ohne gesundheitliche Gefährdung aufgenommen werden kann. In diese Berechnung fließen neben dem ARfD-Wert für den jeweiligen Pestizidrückstand auch die Art der Probe (ob Traube oder Rettich) und die damit verbundene größte, noch wahrscheinliche Verzehrsmenge pro Tag ein. Da Kinder auf Grund des geringeren Körpergewichts und der in Relation dazu hohen Nahrungsaufnahme allgemein gefährdeter sind als Erwachsene, wird meist ein Berechnungsmodell verwendet, welches auch für Kinder und Kleinkinder ausgelegt ist (EFSA-PRIMo-Modell).

 

Wird der ARfD-Wert überschritten, hat gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b der AVV Schnellwarnsystem (Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel, Lebensmittelbedarfsgegenstände und Futtermittel) eine Meldung über das Schnellwarnsystem zu erfolgen. In diesem Fall werden europaweit alle Überwachungsbehörden über das Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) informiert und daraufhin Maßnahmen ergriffen, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Das Schnellwarnsystem selbst liegt Art. 50 der VO (EG) 178/2002 zugrunde. Mehr Informationen finden Sie auf der offiziellen Seite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Portal der Bundesländer und des BVL über aktuelle Lebensmittelwarnungen.

 

Die Überschreitung der ARfD ist nur eine Gelegenheit, bei der das Schnellwarnsystem RASFF zum Einsatz kommen kann. Auch wenn aus anderen Gründen von Lebensmitteln ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht, wie z.B. bei Salmonellen in Eiersalat oder bei Glassplittern in Gewürzgurkengläsern, sind Meldungen in das Schnellwarnsystem einzustellen. In bestimmten Fällen, wenn z.B. kein Wert für die ARfD vorliegt, werden entsprechende Rückstandsbefunde dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zur gesundheitlichen Bewertung vorgelegt.

 

Höchstmengenüberschreitungen der letzten Jahre

Der prozentuale Anteil von Obst- und Gemüse-Proben mit Höchstmengenüberschreitungen in den letzten vier Jahren ist in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt:

 

Proben über der Höchstmenge
Proben Inland
Proben anderer EU-Länder
Proben Drittländer
konventionell
3,8 %
5,8 %
11 %
bio
1,8 %
1,8 %
5,3 %

 

Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig die unabhängige Überwachung der Lebensmittel ist, trotz der zunehmenden Eigenkontrollen der Hersteller und der in vielen Betrieben umfassenden Qualitätsmanagementsysteme. Eine Kontrolle der Eigenkontrolle zum Schutz der Verbraucher bleibt notwendig und wichtig.

 

Die Höchstgehalte für Pestizidrückstände in Lebensmitteln werden in der Regel so niedrig festgesetzt, dass eine zehn- oder auch eine hundertfache Überschreitung der Höchstmenge für den Verbraucher noch kein gesundheitliches Risiko darstellt. Dadurch ergibt sich eine deutlich geringere Anzahl an Überschreitungen der Akute Referenzdosis (ARfD) im Vergleich zur Anzahl der Höchstmengenüberschreitungen. Der Anteil der als möglicherweise gesundheitlich bedenklich angesehenen Proben liegt deutlich unter einem Prozent.

 

Wie wird kontrolliert?

Lebensmittelüberwachung ist Ländersache und wird somit in Baden-Württemberg, wie auch in jedem anderen Bundesland, auf Länderebene durchgeführt. Im Bereich der Pestizide wird die Produktion von Obst und Gemüse in landwirtschaftlichen Betrieben bereits vor der Ernte durch Kontrolleure der Pflanzenschutzdienste geprüft. Im Rahmen der Lebensmittelüberwachung werden auf allen Stufen des Handels Proben durch ausgebildete Lebensmittelkontrolleure entnommen (z.B. direkt beim Hersteller oder im Supermarkt). Dabei ist die Probenahme nach Vorschrift von entscheidender Bedeutung für die Verwertbarkeit analytischer Untersuchungsergebnisse.

Welche Lebensmittel als Proben untersucht werden sollen, wird nicht zufällig entschieden. Stattdessen erfolgt die Probenahme risikobasiert. So werden insbesondere Proben entnommen, die erfahrungsgemäß häufiger erhöhte Rückstände aufweisen oder die aktuell problematisch sind. Da aktuelle Problematiken und auch die Reifezeit der Produkte nicht vorherzusagen ist, wird die genaue Probenplanung für Rückstände und Kontaminanten in Obst und Gemüse deutlich kurzfristiger durchgeführt, als dies in vielen anderen Untersuchungsbereichen der Fall ist.

 

Die entnommenen Proben werden schließlich den Sachverständigen des amtlichen Labors am CVUA zur Untersuchung vorgelegt. Insgesamt werden pro Jahr über 2 500 Obst und Gemüse-Proben am CVUA Stuttgart auf Rückstände an Pestiziden und Kontaminanten untersucht.

 

Neben deutscher Ware wird auch Ware aus anderen EU-Ländern oder aus Drittländern untersucht. Teilweise werden Importe auch direkt bei der Einfuhr nach Deutschland beprobt. Anhand der Untersuchungsergebnisse und der Sachverständigen-Gutachten des CVUA Stuttgart können dann von den Lebensmittelkontrolleuren in den unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden weitere Schritte eingeleitet werden.

 

Im Allgemeinen dient die Lebensmittelüberwachung zur Kontrolle der Eigenkontrolle von Betrieben. Die Wirtschaft ist selbst dazu verpflichtet umfangreiche Eigenkontrollen durchzuführen. Sie ist für die Sicherheit der Produkte verantwortlich. Liegen die nachgewiesenen Rückstandsgehalte über den gesetzlich festgelegten Grenzwerten, dürfen die Produkte nicht in den Verkehr gebracht werden.

 

Spezielle Kontrollprogramme

Neben den zuvor beschriebenen Proben, den sogenannten Planproben, werden Lebensmittel für spezielle Monitoring-Programme untersucht. Neben dem EU-Monitoring gibt es das nationale Lebensmittel-Monitoring-Programm des Bundes. Dabei werden repräsentative Daten über das Vorkommen gesundheitlich unerwünschter Stoffe wie Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln erhoben, um Informationen über die Rückstandsbelastung von Produkten zu gewinnen. Aus den Ergebnissen des Kontrollprogramms werden Rückschlüsse auf zukünftige Schwerpunkte gezogen und ermittelt, ob die bestehenden Rechtsgrundlagen angepasst werden müssen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wertet die Daten der Bundesländer aus und veröffentlicht diese zudem in der „Nationalen Berichterstattung Pflanzenschutzmittelrückstände“ [6].

 

Darüber hinaus führt das Land Baden-Württemberg seit 2002 jedes Jahr ein spezielles Überwachungsprogramm im Bereich der ökologisch erzeugten Lebensmittel durch, das sogenannte „Ökomonitoring". Die Untersuchungsergebnisse werden ebenfalls jährlich in einem Bericht veröffentlicht.

 

Die Analytik von Pestiziden

Jedes Jahr werden am CVUA Stuttgart über 2 500 Obst und Gemüseproben auf Rückstände an Pestiziden und Kontaminanten untersucht. Dabei umfasst das Untersuchungsspektrum rund 1 000 Pestizidwirkstoffe und Metaboliten.

 

Die Pestizidanalytik ist aufgrund der zahlreichen Substanzklassen mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften sehr schwierig. Zudem nimmt die Zahl der weltweit eingesetzten Pestizidwirkstoffe laufend weiter zu. Somit müssen bestehende Untersuchungsverfahren ständig für neue Stoffe optimiert werden oder gänzlich neue Verfahren entwickelt werden. In Verbindung mit den geringen Konzentrationen, in denen die Rückstände in den Lebensmitteln auftreten, ist ihre Analytik eine große Herausforderung, die neben einer ständigen Weiterentwicklung auch viel Know-how und modernste analytische Geräte voraussetzt.

 

Bei der Untersuchung der großen Anzahl an Pestizidrückständen nutzt das CVUA Stuttgart, wie die meisten Laboratorien auch, die sogenannten Multimethoden. Das sind Verfahren, mit denen eine große Anzahl von Rückständen mit nur einer Probenaufarbeitung erfasst werden können (siehe QuEChERS und QuPPe). Die Messung der aufgearbeiteten Proben erfolgt auf Grund der verschiedenen Eigenschaften der Pestizidwirkstoffe an unterschiedlichen analytischen Messgeräten anhand spezieller Messmethoden.

 

Literatur

1 http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/pesticides.htm

2 RL 2009/128/EG Artikel 3 Nummer 10 Buchstabe a

3 Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel vom BVL

4 VO (EG) 1107/2009 Artikel 2

5 Offizielle Seite der NVS II

6 Pflanzenschutzkontrollprogramm des BVL

 

Artikel erstmals erschienen am 23.06.2004