Pflanzenschutzmittelrückstände in verarbeiteten Lebensmitteln, Pilzen, Getreide und Kartoffeln 2013
Ein Bericht aus unserem Laboralltag
Ellen Scherbaum, Marc Wieland
Zusammenfassung der Rückstandsbefunde in Erzeugnissen aus konventionellem Anbau
Hintergrund der Untersuchungen
Der Schwerpunkt der Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände liegt in der Regel auf frischem Obst und Gemüse. Verarbeitete Erzeugnisse wie Tiefkühlprodukte, Trockenobst und -gemüse, Konserven und Säfte werden ebenfalls in großem Maße konsumiert. Aus diesem Grund wurden auch weiterverarbeitete Erzeugnisse untersucht. Häufig führt eine Weiterverarbeitung zu einer Reduzierung enthaltener Pflanzenschutzmittelrückstände. Doch bei der Beurteilung, ob ein Produkt die EU-weit festgesetzten Rückstandshöchstmengen einhält, muss diese Veränderung des Gehaltes durch die Verarbeitung berücksichtigt werden.
Zusammenfassung
Im Jahr 2013 wurden, zusätzlich zu 1753 Proben Frischgemüse und Frischobst aus konventionellem Anbau, 344 Proben verarbeitete Lebensmittel, Pilz-, Getreide- und Kartoffelproben aus konventionellem Anbau auf Rückstände von über 650 Pflanzenschutzmitteln untersucht. 254 dieser Proben (74 %) wiesen Rückstände von insgesamt 153 verschiedenen Wirkstoffen auf. Bei 18 der 344 Proben (5,2 %) wurden Höchstmengenüberschreitungen festgestellt (siehe Tabelle 1), damit liegt die Beanstandungsquote niedriger als im Vorjahr (7,5%).
Anzahl Proben | 344 |
davon mit Rückständen | 254 (74%) |
Proben über HM* | 18 (5,2%) |
mittlerer Pestizidgehalt | 1,05 mg/kg |
mittlerer Pestizidgehalt ohne Fosetyl** (Summe aus Fosetyl und Phosphonsäure) |
0,30 mg/kg |
Stoffe pro Probe | 3,0 |
Die Pestizidbelastung wies je nach Matrix z.T. große Unterschiede auf. Die Ergebnisse der Rückstandsuntersuchungen bei verarbeiteten Lebensmitteln, Pilz-, Getreide und Kartoffelproben, differenziert nach Matrix, sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Matrix | Anzahl Proben | mit Rückständen | mit Mehrfach-rückständen | Proben > HM* | Anzahl Stoffe > HM* |
Stoffe über der HM (Probenart, Herkunft) |
Getreide | 7 | 4 (57%) | 2 (29%) | 0 | 0 | - |
Getreideerzeugnisse | 9 | 8 (89%) | 6 (67%) | 0 | 0 | - |
Hülsenfrüchte | 18 | 16 (89%) | 6 (33%) | 2 (11%) | 2 | Pirimiphos-methyl (Linsen, unbekannt); Trimethylsulfonium-Kation (Bohnen, Argentinien) |
Schalenobst | 15 | 8 (53%) | 4 (27%) | 1 (6,7%) | 1 | Fosetyl, Summe (Walnuss, USA) |
Kartoffel | 40 | 35 (88%) | 28 (70%) | 2 (5,0%) | 2 | Chlormequat (I); DDAC (NL) |
Gemüseerzeugnisse | 37 | 29 (78%) | 23 (62%) | 6 (16%) | 39 | DDAC (verzehrsfertige Karotten, NL); alles andere: 5 x Weinblätter (Türkei) Acetamiprid (1x); Ametoctradin (1x) ; Azoxystrobin (2x); Boscalid (2x); Cymoxanil (1x); Cypermethrin (2x); Dithiocarbamate (1x); Endosulfan, Summe (1x); Famoxadon (1x); Flufenoxuron (1x); Iprodion (1x); Kresoxim-methyl (1x); Lambda-Cyhalothrin (3x); Mandipropamid (2x); Metalaxyl/Metalaxyl M (2x); Methoxyfenozide (1x); Metrafenone (1x); Myclobutanil (2x); Penconazol (1x); Propargit (1x); Pyraclostrobin (1x); Pyrimethanil (2x); Quinalphos (1x); Quinoxyfen (2x); Triadimefon/Triadimenol (1x); Triazophos (1x); Trifloxystrobin (2x) |
Kulturpilze | 50 | 35 (70%) | 26 (52%) | 1 (2,0%) | 1 | DDAC (Austernpilze, PL) |
Wildpilze | 19 | 16 (84%) | 8 (42%) | 3 (16%) | 3 | DEET (Pfifferlinge, 2xPL, 1xD) |
Kulturpilzerzeugnisse | 2** | 2 | 2 | 1 | 1 | Fipronil, Summe (Mu Err, Vietnam) |
Obsterzeugnisse | 33 | 27 (82%) | 22 (67%) | 0 | 0 | - |
Fruchtsäfte | 34 | 15 (44%) | 5 (15%) | 0 | 0 | - |
Wein | 39 | 31 (80%) | 28 (72%) | 0 | 0 | - |
Hopfen | 2** | 2 | 2 | 1 | 1 | Captan (D) |
Tee | 11 | 9 (82%) | 3 (27%) | 0 | 0 | - |
Säuglingsnahrung | 14 | 4 (29%) | 0 | 0 | 0 | - |
Gewürze | 9 | 9 (100%) | 5 (56%) | 1 (11%) | 1 | Cyromazin (Ingwer, China) |
Sonstiges | 5** | 4 | 3 | 0 | 0 | - |
Summe | 344 | 254 (74%) | 173 (50%) | 18 (5,2%) | 51 | - |
Ausführliche Darstellung ausgesuchter Themen
Weinblätter
Weinblätter, die mit verschiedenen Zutaten gefüllt werden, sind ein beliebtes und weitverbreitetes Gericht in der südosteuropäischen und orientalischen Küche. Da beim Anbau von Wein- bzw. Tafeltrauben üblicherweise verschiedene Pflanzenschutzmittel angewendet werden, sind entsprechende Rückstände auch in Weinblättern zu erwarten.
Im Jahr 2013 wurden acht Proben Weinblätter aus konventionellem Anbau auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Die Weinblätter lagen entweder in Salzlake eingelegt in Schraubdeckelgläsern oder vakuumverpackt in Fertigpackungen vor. Sieben Proben stammten aus der Türkei, eine aus Griechenland. In sechs von sieben Proben aus der Türkei wurden Rückstände mehrerer Pestizide bestimmt und in fünf Proben Überschreitungen der für Weinblätter geltenden Höchstmengen hinsichtlich mehrerer Pestizide festgestellt. In einer Probe wurde die Höchstmenge für jeweils 18 Wirkstoffe überschritten(!), insgesamt enthielt die Probe 37 verschiedene Pestizide. Dass es auch anders geht, zeigt die Probe aus Griechenland: hier wurden nur Spuren eines Wirkstoffes nachgewiesen.
Der mittlere Rückstandsgehalt an Pestiziden beträgt 4,4 mg/kg und liegt damit erheblich höher als in sonstigem frischem Obst oder Gemüse, wo er seit Jahren im Mittel bei etwa 0,4 mg/kg liegt (Quelle: Jahresberichte des CVUAS).
Weinblätter stellen ein Nebenprodukt der Traubenerzeugung dar und werden üblicherweise nicht als eigenständige Kultur angebaut. Das hat zur Folge, dass bisher sehr wenig spezielle Pestizidhöchstmengen für Weinblätter beantragt wurden und infolgedessen für Weinblätter überwiegend sehr niedrige, allgemeine Höchstmengen auf dem Niveau der analytischen Bestimmungsgrenze festgesetzt sind. Die Erzeuger von Weinblättern könnten höhere Höchstmengen beantragen, doch die Erarbeitung der hierzu notwendigen Datengrundlage, wie beispielsweise die Durchführung von Rückstandsversuchen, ist aufwändig und teuer. Angesichts der im Vergleich zu Tafeltrauben deutlich geringeren Verzehrsmenge von Weinblättern und den teilweise deutlich höheren zulässigen Höchstmengen für Tafeltrauben, ist eine Beeinträchtigung der Verbraucher durch die festgestellten Höchstmengenüberschreitungen in Weinblättern zwar nicht zu erwarten, unabhängig davon sind die bestehenden, rechtlich verbindlichen Höchstmengen jedoch einzuhalten.
Pfifferlinge
Pfifferlinge gehören zu den Wildpilzen und sollten daher keine Rückstände enthalten, da sie im Wald gesammelt und nicht kultiviert werden.
Bereits seit Jahren werden gerade in Pfifferlingen Rückstände des Repellents DEET nachgewiesen, die vermutlich dadurch auf die Pilze gelangen, dass sich die Pilzsammler gegen Stechmücken schützen. Die Ergebnisse (Tabelle 3) zeigen, dass häufig nur Spuren des Repellents nachzuweisen sind, in einzelnen Fällen sind die Gehalte jedoch auch höher (bis zu 0,98 mg/kg). Die allgemeine Höchstmenge liegt bei 0,01 mg/kg, jedoch können Importeure Ausnahmegenehmigungen gemäß § 68 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des LFGB erwirken, die die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Pfifferlingen, die Rückstände bis zu 1,0 mg/kg DEET enthalten, ermöglichen. Von diesen Ausnahmegenehmigungen wird vielfach Gebrauch gemacht, wie Tabelle 3 ebenfalls zeigt.
Herkunftsland | Stoff | Messwert [mg/kg] | keine Ausnahmegenehmigung vorhanden |
Deutschland | DEET | 0,003 | |
Deutschland | DEET | 0,035 | x |
Polen | DEET | 0,047 | x |
Polen | DEET | 0,009 | |
Polen | DEET | 0,040 | x |
Portugal | DEET | 0,026 | |
Russland | DEET | 0,026 | |
Russland | DEET | 0,980 | |
Russland | DEET | 0,009 | |
Russland | DEET | 0,003 | |
Russland | DEET | 0,002 | |
Weißrussland | DEET | 0,210 | |
Weißrussland | DEET | 0,001 | |
Weißrussland | DEET | 0,003 | |
Weißrussland | DEET | 0,025 | |
Weißrussland | DEET | 0,011 |
Quaternäre Ammoniumverbindungen: BAC und DDAC
Nachdem Rückstände der bakterizid wirksamen quaternären Ammoniumverbindungen DDAC und Benzalkoniumchlorid (BAC) 2012 in pflanzlichen Lebensmitteln häufiger nachweisbar waren, wurden die Untersuchungen auch 2013 fortgeführt. In 3 der 344 Proben (0,9%) konnten Rückstände an QAV über der allgemeinen Rückstandshöchstmenge von 0,01 mg/kg nachgewiesen werden. Damit hat sich die Situation deutlich verbessert: 2012 waren noch 5,3 % der Proben positiv. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in Tabelle 4 aufgeführt.
Die Rückstände können entweder durch den Einsatz von QAV enthaltenden Desinfektionsmitteln in lebensmittelverarbeitenden Prozessen, wie Waschen und Verpacken, aber auch durch die Anwendung von Pflanzenstärkungsmitteln, die diese Stoffe illegalerweise enthalten, verursacht worden sein. Eine akute und chronische Gesundheitsgefährdung aufgrund der bisher gefunden DDAC-Rückstände ist laut BfR-Gutachten unwahrscheinlich.
Probenart | Herkunftsland | Stoff | Messwert [mg/kg] |
Vorgekochte Kartoffeln | Niederlande | DDAC | 0,37 |
Austernpilze | Polen | DDAC | 0,041 |
Verzehrsfertige Karotten | Niederlande | DDAC | 0,058 |
Rechtliche Aspekte: Da keine spezifischen Rückstandshöchstmengen für QAV in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgesetzt sind, gilt die allgemeine Rückstandshöchstmenge von 0,01 mg/kg gemäß Artikel 18 Absatz 1b der Verordnung (EG) Nr. 396/2005. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rückstände aus der Anwendung als Biozid oder Pflanzenschutzmittel stammen.
Da 2012 viele Erzeugnisse auf dem Markt nicht verkehrsfähig gewesen wären, hat der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit (StALuT/SCoFCAH) am 13. Juli und 25. Juli 2012 Leitlinien veröffentlicht. Resultieren die festgestellten Rückstände aus einer Kreuzkontamination im Rahmen der Verarbeitung, so ist vorläufig, bis der SCoFCAH eine weitere Entscheidung getroffen hat, ein Eingriffswert festgesetzt, um vorübergehend die Vermarktung von Erzeugnissen mit Gehalten an DDAC sowie BAC, die gesundheitlich unbedenklich sind, zu ermöglichen: Lebens- und Futtermittel pflanzlichen und tierischen Ursprungs (frisch, gefroren oder verarbeitet) mit einem DDAC- bzw. BAC-Wert, der 0,5 mg/kg überschreitet, sollten nicht in den Verkehr gebracht und aus dem Handel genommen und sicher entsorgt werden.
Bei keiner der untersuchten Probe wurde dieser Eingriffswert überschritten.
Chlorat und Perchlorat
Die neu aufgedeckte Kontamination von Lebensmitteln mit Perchlorat sowie die Problematik um das Herbizid Chlorat, deren Ursache noch nicht bekannt ist, sind nicht Gegenstand dieses Berichtes. Auswertungen zu diesen Themen sind bereits veröffentlicht (siehe folgende Internetbeiträge unter www.cvuas.de):
- Neu entdeckt: Kontamination von pflanzlichen Lebensmitteln mit Perchlorat vom 20.06.2013
- Herkunft unbekannt: Rückstände von Chlorat in pflanzlichen Lebensmitteln vom 10.03.2014
Bildernachweis
CVUA Stuttgart.