Fortführung der Chlorat-Untersuchungen: Befunde im Trinkwasser

Jasmin Tafel, Dr. Diana Ströher-Kolberg

 

Im Laufe des Jahres wurden 109 Trinkwasser-Proben mit einer am CVUA Stuttgart entwickelten Methode auf Chlorat untersucht. Die gemessenen Gehalte bewegten sich größtenteils in Bereichen bis 0,10 mg/L. Lediglich 5 % aller untersuchten Proben wiesen Gehalte über 0,10 mg/L auf. Derzeit ist jedoch aufgrund von fehlenden Grenzwerten für Trinkwasser und mangels Daten zur toxikologischen Bewertung noch keine rechtliche Einstufung der ermittelten Chloratgehalte möglich. Die Ergebnisse der Untersuchungen dienen daher zur Erweiterung der Daten für eine toxikologische Bewertung.

Einführung

Im Rahmen eines landesweiten Monitoringprogramms fand das CVUA Stuttgart bereits im Jahr 2013 in diversen Obst-, Gemüse- und Getreideproben Chlorat-Rückstände.

Eine ausführliche Darstellung der Problematik von Chlorat in pflanzlichen Lebensmitteln findet sich auf unserer Homepage:

 

 

Als möglicher Eintragsweg für die in pflanzlichen Lebensmitteln gefundenen Chloratbefunde ist u.a. die Verwendung von gechlortem Trinkwasser bei der Verarbeitung (Waschen, Blanchieren etc.) der Produkte in Betracht zu ziehen.

 

So wird bei der Aufbereitung von Trinkwasser durch die Wasserversorger häufig eine Desinfektion des Wassers durch Zugabe von Chlorgas, Chlordioxid oder Natriumhypochlorit praktiziert. Aus diesen kann, je nach den vorherrschenden Bedingungen wie pH-Wert und Wassertemperatur, Chlorat als Nebenprodukt entstehen. Darüber hinaus ist ein weiterer Eintrag von Chlorat in das aufbereitete Trinkwasser auch über die verwendete Chlordesinfektions-Lösung möglich. In dieser kann sich bereits während der Lagerung Chlorat gebildet haben.

 

Um das Ausmaß der Chlorat-Rückstände in desinfiziertem Trinkwasser ermitteln zu können, wurden ab Februar 2014 auch Trinkwässer auf diesen Parameter untersucht. Hierzu konnte die bereits für die Untersuchung von pflanzlichen Lebensmitteln etablierte LC‑MS/MS-Messmethode, die auf die veränderte Matrix angepasst wurde, verwendet werden [1].

 

Infokasten

Was ist Chlorat?

Als Chlorate bezeichnet man die Salze der Chlorsäure (HClO3). Natrium- und Kaliumchlorat wurden in der Vergangenheit zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. In der EU sind heutzutage keine Anwendungen von chlorathaltigen Pflanzenschutzmitteln oder Biozidprodukten mehr gestattet. Chlorat kann jedoch bei der Verwendung von chlorhaltigen Substanzen zur Reinigung oder Desinfektion als Nebenprodukt entstehen.


Die Aufnahme von Chlorat kann eine Schädigung der roten Blutkörperchen sowie eine reversible Hemmung der Jodidaufnahme in die Schilddrüse bewirken. Bei empfindlichen Verbrauchergruppen kann die gehemmte Jodidaufnahme möglicherweise zu Veränderungen des Schilddrüsenhormonspiegels führen.

Quelle: http://www.bfr.bund.de [2].

 

Rechtliche Situation

Für Chlorat in Trinkwasser liegt derzeit kein Grenzwert nach der Trinkwasser-Verordnung vor. Das BfR empfiehlt in der Stellungnahme Nr. 028/2014 vom 12. Mai 2014 [2] lediglich für Lebensmittel, wie z.B. Obst und Gemüse, die von der Weltgesundheitsorganisation für Chlorat abgeleitete akzeptable Tagesdosis (ADI) von 0,01 mg/kg Körpergewicht als vorläufige Basis sowohl für die chronische als auch für die akute Risikobewertung (= akute Referenzdosis, ARfD) von Chlorat zu verwenden. Eine derartige vorläufige Bewertung liegt für Trinkwasser derzeit jedoch nicht vor.

 

Untersuchungsergebnisse

Insgesamt wurden bisher 109 Trinkwasser-Proben untersucht. Etwa die Hälfte dieser Proben repräsentiert einen Querschnitt von Trinkwässern mit verschiedener Herkunft (Eigenwasserversorgungen, Fernwasserversorgung etc.) und unterschiedlicher Aufbereitung mit Desinfektionsmitteln. Die andere Hälfte dieser Proben wurde risikoorientiert nach folgenden Kriterien angefordert:

  • gemeindeeigenes Wasservorkommen oder Wasser eines Verbandes, allenfalls Mischwasser mit geringem Fernwasser­anteil
  • Desinfektion mit Chlor(-bleichlauge) oder Chlordioxid
  • Probenahmestellen ausschließlich im Ortsnetz.

In 33 % aller untersuchten Proben konnten Chloratgehalte unter 0,01 mg/L ermittelt werden. Rund die Hälfte der Proben (51 %) wiesen Gehalte zwischen 0,01 mg/L und 0,05 mg/L auf, während in 16 % der Proben Chloratgehalte über 0,05 mg/L gefunden wurden (siehe Abbildung 1).

 

Der Median aus den Chloratgehalten von allen untersuchten Proben liegt bei 0,02 mg/L (Mittelwert 0,03 mg/L). Der höchste ermittelte Gehalt ist mit 0,39 mg/L somit etwa 20-fach höher als der Median. Dieses Trinkwasser stammt jedoch nicht, wie die Mehrzahl der untersuchten Wässer, aus dem öffentlichen Leitungsnetz, sondern von einem Eigenwasserversorger. Lediglich 5 von insgesamt 109 untersuchten Trinkwässern (4,6 %) wiesen mit Chloratgehalten größer als 0,10 mg/L auf.

 

Grafik "Verteilung der Chloratgehalte in allen untersuchten Proben".

 

Abbildung 1: Verteilung der Chloratgehalte in allen untersuchten Proben.

 

Bei der gesonderten Betrachtung der Chloratgehalte der nach obigen Kriterien entnommenen Proben zeigen erste Erkenntnisse, dass Proben, die einem gemeindeeigenen Wasservorkommen bzw. dem eines Verbandes entstammen überwiegend höhere Chloratrückstände aufweisen, als der Querschnitt aus allen untersuchten Wässern. So konnten nur in 18 % der gesondert angeforderten Proben Gehalte < 0,01 mg/L bestimmt werden, während dies bei der Betrachtung aller untersuchten Proben 33 % waren (siehe Abbildung 1 und 2). Diese Feststellung begründet sich vor allem darin, dass die Trinkwässer, die größtenteils durch Fernwasser gespeist werden, i.d.R. lediglich mit einer geringen Transportchlorung versetzt und nur wenig nachgechlort werden, während Wasserversorger mit gemeindeeigenen Wässern aus hygienischen Gründen häufiger zu höheren Chlorzugaben greifen müssen.

 

Grafik: "Verteilung der Chloratgehalte in den gesondert angeforderten Proben".

 

Abbildung 2: Verteilung der Chloratgehalte in den gesondert angeforderten Proben.

 

Setzt man die ermittelten Chloratgehalte mit dem jeweils verwendeten Chlorungsmittel in Verbindung (siehe Abbildung 3), so wird deutlich, dass sich bei der Wasseraufbereitung mit Chlorgas seltener Chlorat bildet. Das dennoch gebildete Chlorat überschreitet in nur 5 % der untersuchten Proben einen Gehalt von 0,05 mg/L.

Bei der Trinkwasseraufbereitung mit Chlordioxid oder auch mit Chlorbleichlauge wurden unterdessen häufiger Chloratgehalte über 0,05 mg/L (27 % bzw. 23 %) nachgewiesen. Diese beiden Chlorungs­mittel zeigen zudem ähnliche Tendenzen bei der Konzentrationsverteilung des gebildeten Chlorats.

 

Grafik:"Chloratgehalte von 75 Proben in Bezug zu deren Chlorungsmittel; berücksichtigt wurden alle untersuchten Wässer, bei denen das eingesetzte Desinfektionsmittel bekannt ist".

 

Abbildung 3: Chloratgehalte von 75 Proben in Bezug zu deren Chlorungsmittel; berücksichtigt wurden alle untersuchten Wässer, bei denen das eingesetzte Desinfektionsmittel bekannt ist.

 

Fazit

Eine rechtliche Einstufung der ermittelten Chloratgehalte ist aufgrund von fehlenden Grenzwerten für Trinkwasser und mangels Daten zur toxikologischen Bewertung derzeit nicht möglich.

Die Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Chloratrückstände auch im Trinkwasser präsent sind. Daher wird die Bestimmung von Chlorat in Trinkwasser weiterhin fortgeführt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen dienen zur Erweiterung der Daten für eine toxikologische Bewertung. Sie ermöglichen langfristig betrachtet somit ein besseres Verständnis zum Vorkommen und zu möglichen Eintragsquellen der Chloratrückstände sowie zur Bewertung eines von Chlorat möglicherweise ausgehenden Gefahrenpotentials.

 

Quellen

[1]     Europäisches Referenzlabor für Einzelbestimmungsmethoden, 29.10.2014 (LC-Method 1.3: http://www.eurl-pesticides.eu/library/docs/srm/meth_QuPPe.pdf).
[2]     BfR-Stellungnahme  Nr. 028/2014 „Vorschläge des BfR zur gesundheitlichen Bewertung von Chloratrückständen in Lebensmitteln“ vom 12.05.2014.

 

Artikel erstmals erschienen am 10.12.2014