Perchlorat in pflanzlichen Lebensmitteln – ein Update

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Ingrid Kaufmann-Horlacher

 

Schmuckelement.

 

Seit der Veröffentlichung unserer Untersuchungsergebnisse zu Perchlorat in pflanzlichen Lebensmitteln im Juni 2013[1] wurden über 3000 pflanzliche Lebensmittel auf Perchlorat untersucht. Die Situation hat sich seither nicht gravierend verändert, es konnte jedoch eine Verschiebung in Richtung niedrigerer Werte festgestellt werden. Nach wie vor kommen jedoch vereinzelt hohe Werte vor. Der Anteil der Proben mit Perchlorat über 0,1 mg/kg lag im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 bei 1,5 % mit einem sehr hohen Spitzenwert von 3,9 mg/kg in einem Spinat aus Deutschland. Von 1900 im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 untersuchten Proben lagen nur 2 Spinat-Proben (0,1 %) gesichert über dem bisher geltenden Referenzwert des Ständigen Ausschusses (StALuT)[2]. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Oktober 2014 eine Risikobewertung von Perchlorat in Lebensmitteln veröffentlicht[3] und damit einen im Vergleich zum bisherigen toxikologischen Referenzwert wesentlich niedrigeren Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (ADI) vorgegeben. Als Reaktion darauf hat der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SC PAFF) im März 2015 neue Referenzwerte für Perchlorat in pflanzlichen Lebensmitteln für den innergemeinschaftlichen Handel vereinbart[4]. Trotz des sehr niedrigen ADI-Wertes wurden die Referenzwerte nur moderat verändert. Wendet man diese neuen, ab 16. März 2015 geltenden Referenzwerte rückwirkend auf die im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 untersuchten Proben an, ergibt sich ein nur wenig verändertes Bild, maximal 7 Proben (0,4 %) würden die neuen Referenzwerte gesichert überschreiten.

 

Infokasten

Perchlorat

Perchlorate sind Salze der Perchlorsäure. Sie sind in Wasser leicht löslich und relativ stabil. Perchlorate sind in der Umwelt persistent und gelten als ubiquitär vorkommende Umweltkontaminanten. Ihr Vorkommen in der Natur kann sowohl aus anthropogenen als auch aus natürlichen Quellen stammen, z.B. aus der Verwendung von natürlichen Düngemitteln wie Chilesalpeter, aus industriellen Emissionen, durch die natürliche Bildung von Perchlorat in der Atmosphäre und im Oberflächenwasser und durch die Bildung von Perchlorat während der Desinfektion von Wasser mit Natriumhypochlorit.  
Pflanzen nehmen Perchlorat vor allem über die Wurzeln auf, die Verwendung von perchlorathaltigen Düngern, mit Perchlorat belastete Böden und das Bewässern mit Perchlorat kontaminiertem Wasser dürften die entscheidenden Eintragswege für Perchlorat in pflanzliche Lebensmittel sein.

 

Die Aufnahme von Perchlorat führt zu einer reversiblen (umkehrbaren) Hemmung der Jodaufnahme der Schilddrüse. Ein extremer Jod-Mangel kann beim Menschen zu einem Mangel an Schilddrüsenhormonen (Hypothyreoidismus) führen. Auch ein geringer bis moderater Jodmangel kann bereits zu einer Kropferkrankung und zu Hypothyreoidismus führen.

 

Unsere Untersuchungsergebnisse

Am 20. Juni 2013 wurden unter dem Titel "Neu entdeckt: Kontamination von pflanzlichen Lebensmitteln mit Perchlorat" unsere Untersuchungsergebnisse zu Perchlorat in pflanzlichen Lebensmitteln veröffentlicht. Knapp 25 % der untersuchten Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs wiesen Gehalte an Perchlorat oberhalb der Bestimmungsgrenze auf. Bei 2,1 % der Proben lag der Gehalt an Perchlorat über 0,1 mg/kg. Seit Veröffentlichung dieser Ergebnisse wurden weit über 3000 weitere pflanzliche Lebensmittel auf Perchlorat untersucht (siehe Abb. 1). In 76,2 % der seit Juni 2013 untersuchten Proben war Perchlorat nicht nachweisbar bzw. lagen der Gehalt unterhalb von 0,005 mg/kg. Der Anteil an Proben mit Gahalten über 0,1 mg/kg lag über diesen Zeitraum (Juni 2013 bis Februar 2015) bei 1,9 %.

 

Abbildung 1: Gesamtübersicht der nach unserem ersten Bericht im Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2015 auf Perchlorat untersuchten pflanzlichen Proben.

Abbildung 1: Gesamtübersicht der nach unserem ersten Bericht im Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2015 auf Perchlorat untersuchten pflanzlichen Proben.

 

Die Situation hat sich seit unserem letzten Bericht (Juni 2013) folglich nicht gravierend verändert. Der Anteil an Proben mit Perchlorat blieb nahezu unverändert, es ist jedoch insgesamt eine leichte Verschiebung in Richtung niedrigerer Werte zu beobachten. Abbildung 2 zeigt die prozentualen Anteile an Proben in verschiedenen Konzentrationsbereichen in drei Zeiträumen, wobei der erste Zeitraum dem Berichtszeitraum unseres ersten Berichtes entspricht (August 2012 bis Mai 2013). Im zweiten Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2014 wurde wie zuvor Perchlorat projektbezogen nur in ausgewählten Warengruppen untersucht. Ab März 2014 wurde die Untersuchung auf Perchlorat in die Routineuntersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände integriert und damit auf alle pflanzlichen Lebensmittel, die in Baden-Württemberg planmäßig zur Pestizidanalyse entnommen wurden, angewandt. Der dritte Zeitraum umfasst deshalb den Bereich vom März 2014 bis Februar 2015 und wird im Folgenden ausführlicher dargestellt.
Aus Abbildung 2 wird deutlich, dass die Anzahl an Proben mit Perchlorat im Bereich von 0,01 mg/kg bis 0,5 mg/kg rückläufig war. Der geringe prozentuale Anteil an Proben mit höheren Gehalten hat sich in den letzten Jahren kaum verändert, nach wie vor kommen vereinzelt höhere Gehalte vor.

 

Abbildung 2: Prozentanteil der Proben mit Perchlorat-Rückständen  in unterschiedlichen Konzentrationsbereichen in den drei Zeiträumen Juli 2012 bis Mai 2013, Juni 2013 bis Februar 2014 und März 2014 bis Februar 2015.

Abbildung 2: Prozentanteil der Proben mit Perchlorat in unterschiedlichen Konzentrationsbereichen in den drei Zeiträumen Juli 2012 bis Mai 2013, Juni 2013 bis Februar 2014 und März 2014 bis Februar 2015.

 

Aktuelle Untersuchungsergebnisse (März 2014 bis Februar 2015)

Seit März 2014 werden alle Pestizid-Proben routinemäßig auch auf Perchlorat untersucht. Die Auswertungen im Folgenden sind ausschließlich auf Untersuchungsergebnisse im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 bezogen. Abbildung 3 zeigt die Anzahl Proben in diesem Zeitraum in den dargestellten Konzentrationsbereichen. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 1900 Proben auf Perchlorat untersucht. In 76,6 % aller Proben lagen die Perchlorat-Gehalte unterhalb der Bestimmungsgrenze (<0,005 mg/kg). 283 Proben (14,9 %) wiesen Gehalte über 0,01 mg/kg auf. Bei vier Proben (0,2 %) lagen der Perchlorat-Gehalt über 0,5 mg/kg mit dem Spitzenwert von 3,9 mg/kg in einem deutschen Spinat.

 

Abbildung 3: Anzahl der Proben in Konzentrationsbereichen (in mg/kg) im Untersuchungszeitraum März 2014 bis Februar 2015.

Abbildung 3: Anzahl der Proben in Konzentrationsbereichen (in mg/kg) im Untersuchungszeitraum März 2014 bis Februar 2015.

 

In Blattgemüse, Fruchtgemüse und Zitrusfrüchten war Perchlorat am häufigsten nachweisbar, wobei insbesondere Blattgemüse auch höhere Gehalte aufwies. In Getreide und Getreideerzeugnissen und in Kartoffeln konnte im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015 Perchlorat nicht nachgewiesen werden, die gemessenen Gehalte in Kernobst, Sprossgemüse und in Steinobst lagen in diesem Zeitraum bei allen untersuchten Proben unterhalb von 0,02 mg/kg. In den Warengruppen Obsterzeugnisse und Pilzerzeugnisse befinden sind teilweise getrocknete Erzeugnisse; werden die gemessenen Werte auf frische Ware umgerechnet, liegen die Gehalte im unteren Konzentrationsbereich. Abbildung 4 zeigt die Anzahl Proben in Abhängigkeit von Konzentrationsbereichen, aufgeschlüsselt nach Warengruppen. Aus Tabelle 1 und 2 können zusätzlich die prozentualen Anteile der Proben mit Perchlorat, die Mittelwerte sowie die Maximalwerte je Warenobergruppe entnommen werden, getrennt nach konventioneller und ökologischer Erzeugung.

 

Abbildung 4: Übersicht zu Perchloratbefunden ab 0,005 mg/kg, aufgeschlüsselt nach Warengruppen im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015.

Abbildung 4: Übersicht zu Perchloratbefunden ab 0,005 mg/kg, aufgeschlüsselt nach Warengruppen im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015.

 

Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Erzeugung sind aus den Untersuchungsergebnissen zu Perchlorat nicht ersichtlich. Der Anteil Proben mit Perchlorat-Gehalten und die Mittelwerte lagen in beiden Erzeugnisgruppen in ähnlichen Bereichen, wie den Tabellen 1 und 2 entnommen werden kann.

 

Tabelle 1: Übersicht der Proben aus konventioneller Erzeugung im Untersuchungszeit-raum März 2014 bis Februar 2015.
Warengruppen
Anzahl Proben
Befunde über 0,005 mg/kg
%
Mittelwert* mg/kg
Maximum mg/kg
Beerenobst
231
21
9,1
0,020
0,14
Blattgemüse
298
149
50,0
0,073
3,9
Exotische Früchte
128
17
13,3
0,027
0,063
Fruchtgemüse
314
126
40,1
0,029
0,35
Gemüseerz./-mischungen
59
8
13,6
0,010
0,021
Getreide/-erzeugnisse
33
0
0
 
 
Gewürze/Tee
2
2
 
0,138
0,18
Hülsenfrüchte
3
1
 
 
0,044
Kartoffeln/Tapioka
33
0
0
 
 
Kernobst
94
1
1,1
 
0,006
Maronen
6
0
0
 
 
Obsterzeugnisse
41
7
17,1
0,028
0,14
Pilze
34
1
2,9
0,006
0,006
Pilzerzeugnisse
35
8
22,9
0,082
0,22
Säfte/Wein/Bier
9
1
11,1
 
0,057
Säuglingsnahrung
5
0
0
 
 
Sprossgemüse
84
7
8,3
0,008
0,010
Steinobst
107
5
4,7
0,012
0,019
Wurzelgemüse
68
10
14,7
0,012
0,026
Zitrusfrüchte
80
24
30,0
0,019
0,066
Gesamtergebnis
1664
388
23,3
0,045
3,9

* Mittelwert über alle Proben mit Gehalten über 0,005 mg/kg

 

Tabelle 2: Übersicht der Proben aus ökologischer Erzeugung.
Warengruppen
Anzahl Proben
Befunde über 0,005 mg/kg
%
Mittelwert* mg/kg
Maximum mg/kg
Beerenobst
13
1
7,7
 
0,028
Blattgemüse
36
19
52,8
0,025
0,092
Exotische Früchte
7
1
14,3
 
0,011
Fruchtgemüse
43
11
25,6
0,038
0,19
Gemüseerzeugnisse
26
14
53,8
0,037
0,13
Getreide/-erzeugnisse
3
0
0
 
 
Kartoffeln
7
0
0
 
 
Kernobst
13
0
0
 
 
Obsterzeugnisse
10
1
10,0
 
0,011
Pilze
12
0
0
 
 
Säfte
1
0
0
 
 
Säuglingsnahrung
8
1
12,5
 
0,007
Sprossgemüse
16
3
18,8
0,009
0,010
Steinobst
14
2
14,3
0,009
0,010
Tee
1
1
 
 
0,40
Wurzelgemüse
10
1
10,0
 
0,006
Zitrusfrüchte
16
2
12,5
0,009
0,010
Gesamtergebnis
236
57
24,2
0,034
0,40

* Mittelwert über alle Proben mit Gehalten über 0,005 mg/kg

 

Mit 3,9 mg/kg Perchlorat stellte konventionell angebauter Spinat aus Deutschland den im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015 mit weitem Abstand höchsten gemessenen Perchlorat-Gehalt dar. Alle Proben, die einen Perchlorat-Gehalt über 0,1 mg/kg aufwiesen, sind zusammen mit der Herkunftsangabe in Tabelle 3 zu finden. Auffällig häufig sind in dieser Tabelle frische Kräuter zu finden. Zusätzlich finden sich in dieser Tabelle auch die in diesen Proben gemessenen Chlorat-Rückstände wieder.

 

Tabelle 3: Proben mit höheren Perchlorat-Konzentrationen (>0,1 mg/kg) und die in diesen Proben gemessenen Chlorat-Rückstände im Zeitraum vom März 2014 bis Februar 2015.
Matrix Herkunftsland
Perchlorat mg/kg
Chlorat mg/kg
Spinat Deutschland 3,9 0,01
Basilikum Deutschland 0,69 0,024
Spinat Deutschland 0,64
 
Feldsalat Deutschland 0,54 0,059
Jasmintee China 0,4 0,055
Tomate Türkei 0,35 0,019
Estragon Deutschland 0,34
 
Tomate Deutschland 0,3 0,005
grüne Bohne Spanien 0,28
 
Basilikum Deutschland 0,27 0,048
Schnittlauch Deutschland 0,26
 
Schnittlauch Deutschland 0,24
 
Shiitakepilz getr. Thailand 0,22 0,068
Rucola Italien 0,21 0,36
Feldsalat Deutschland 0,19
 
Basilikum Deutschland 0,19 0,059
Melone Brasilien 0,19
 
Gemüsepaprika Niederlande 0,19
 
Thymian ohne Angabe 0,18
 
Shiitakepilz getr. ohne Angabe 0,17 0,078
grüne Bohnen Spanien 0,16 0,22
grüne Bohnen Spanien 0,15
 
Rosine ohne Angabe 0,14 0,024
Basilikum Deutschland 0,14
 
Tafeltraube Chile 0,14
 
Broccoli TK ohne Angabe 0,13 0,013
Dill Deutschland 0,13 0,061
Gemüsepaprika Türkei 0,11
 

Grün unterlegt: Proben aus ökologischer Erzeugung.

 

Die Häufung von Proben deutscher Herkunft unter den Proben mit höheren Perchloratwerten in Tabelle 3 hängt auch damit zusammen, dass insbesondere beim eher belasteten Blattgemüse (siehe Abbildung 4) die überwiegende Anzahl an Proben aus Deutschland stammte. (70 % des untersuchten Blattgemüses, wozu auch frische Kräuter zählen, stammte aus Deutschland).

Rund 37 % der untersuchten Proben stammten aus Deutschland. Bei Blattgemüse, wozu auch frische Kräuter zählen, lag dieser Anteil bei 70 %. Der Anteil an Proben aus Deutschland mit Perchlorat über 0,005 mg/kg lag mit 22,3 % nahe dem Durchschnitt aller Proben. Bei Proben aus Spanien und der Türkei lag dieser Prozentsatz mit über 37 % deutlich darüber. Bei Proben aus EU-Ländern ohne DE, ES, F, BE, NL und IT lag der Anteil Proben mit Gehalten über 0,005 mg/kg nur bei 2 %, während die Proben mit Perchlorat aus den Niederlanden und aus Nicht-EU-Ländern einen Anteil von 19,0 % bzw. 18,6 % aufwiesen. Proben ohne Herkunftsangabe zeigten in 19,9 % der Fälle Perchlorat oberhalb von 0,005 mg/kg. Eine Gesamtübersicht der Herkunft der untersuchten Proben zusammen mit den prozentualen Anteilen der Proben mit Perchlorat in unterschiedlichen Konzentrationsbereichen sowie die jeweiligen Höchstgehalte zeigt Tabelle 4.

 

Tabelle 4: Gesamtübersicht der auf Perchlorat untersuchten Proben (März 2014 bis Februar 2015) nach Herkünften.
Herkunft
Anzahl Proben
Befunde über 0,005 mg/kg
Befunde über 0,05 mg/kg
Befunde über 0,1 mg/kg
Mittelwert* mg/kg
Maximum mg/kg
Deutschland
708
158 (22,3%)
26 (3,7%)
13 (1,8%)
0,070
3,9
nicht-EU
393
73 (18,6%)
11 (2,8%)
4 (1,0%)
0,031
0,40
Spanien
225
87 (38,7%)
4 (1,8%)
3 (1,3%)
0,022
0,28
ohne Angabe
196
39 (19,9%)
10 (5,1%)
4 (2,0%)
0,041
0,18
Italien
145
37 (25,5%)
5 (3,4%)
1 (0,7%)
0,026
0,21
Türkei
64
24 (37,5%)
3 (4,7%)
2 (3,1%)
0,033
0,35
Niederlande
63
12 (19%)
4 (6,3%)
1 (1,6%)
0,045
0,19
andere EU-Länder
49
1 (2,0%)
0
0
0,010
0,010
Frankreich
37
9 (24,3%)
0
0
0,016
0,029
Belgien
20
5 (25,0%)
2 (10,0%)
0
0,038
0,094
Gesamtergebnis
1900
445 (23,4%)
65 (3,4%)
28 (1,5%)
0,044
3,9

* Mittelwert über alle Proben mit Gehalten über 0,005 mg/kg

 

Perchlorat und Chlorat

Von 1900 im aktuellen Berichtszeitraum (März 2014 bis Februar 2015) auf Perchlorat und Chlorat untersuchten Proben pflanzlicher Herkunft wurde in 445 Proben (23,4 %) Perchlorat über 0,005 mg/kg gefunden. In 109 Proben (5,7 %) wurde neben Perchlorat auch Chlorat (> 0,005 mg/kg) nachgewiesen. In 16 Proben (0,8 %) mit Perchlorat lag die Chlorat-Konzentration über 0,1 mg/kg.

Perchlorat über 0,1 mg/kg wiesen 28 aller Proben auf, in 14 davon, d.h. in der Häflte der Proben, die höhere Perchlorat-Gehalte (> 0,1 mg/kg) aufwiesen, konnte auch Chlorat nachgewiesen werden (> 0,005 mg/kg). In 2 Proben (0,1 %) lag sowohl Perchlorat als auch Chlorat jeweils über 0,1 mg/kg. Es handelte sich hier um grüne Bohnen aus Spanien mit 0,16 mg/kg Perchlorat und 0,22 mg/kg Chlorat und um Rucola aus Italien mit 0,21 mg/kg Perchlorat und 0,36 mg/kg Chlorat (siehe dazu auch Tabelle 3).

 

Infokasten

Kontaminanten

Als Kontaminant gilt jeder Stoff, der dem Lebensmittel nicht absichtlich hinzugefügt wird, jedoch als Rückstand der Gewinnung (einschließlich der Behandlungsmethoden in Ackerbau, Viehzucht und Veterinärmedizin), Fertigung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Aufmachung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung des betreffenden Lebensmittels oder infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt im Lebensmittel vorhanden ist (Artikel 1 der VERORDNUNG (EWG) Nr. 315/93).
Kontaminanten können auf jeder Stufe von der Herstellung bis zum Verbrauch in die Lebensmittel gelangen.

 

Kontaminanten sind […] auf so niedrige Werte zu begrenzen, wie sie durch gute Praxis auf allen […] Stufen sinnvoll erreicht werden können (Artikel 2) (ALARA-Prinzip: as low as reasonably achievable)

 

Duldbare tägliche Aufnahme (TDI)

Kontaminanten sind unerwünschte Stoffe. Der toxikologische Referenzwert für einen Kontaminanten wird deshalb als TDI (Tolerable Daily Intake), d.h. als duldbare tägliche Aufnahmemenge und nicht als Acceptable Daily Intake (ADI) wie z.B. bei Pflanzenschutzmittel bezeichnet.
Der TDI stellt dabei die tägliche Aufnahmemenge dar, die ein Leben lang zugeführt werden kann, ohne dass unerwünschte gesundheitliche Effekte auftreten.

 

Akute Referenzdosis (ARfD)

Bei Stoffen, die eine akute Toxizität (d.h. eine schädliche Wirkung nach einmaliger Aufnahme) aufweisen, wird i.d.R. eine akute Referenzdosis abgeleitet.
Die ARfD ist als die Substanzmenge definiert, die ein Verbraucher im Verlauf eines Tages bei einer Mahlzeit oder bei mehreren Mahlzeiten ohne erkennbares Gesundheitsrisiko mit der Nahrung aufnehmen kann. Zur Ableitung der ARfD werden meist Kurzzeitstudien verwendet.

 

Rechtliche Bewertung von Perchlorat in Lebensmitteln

Referenzwerte des Ständigen Ausschusses:

Im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (StALuT) wurden unter dem Vorsitz der EU-Kommission am 16.7.2013 mit einer gemeinsamen Erklärung Perchlorat-Referenzwerte für pflanzliche Lebensmittel für den innergemeinschaftlichen Handel vereinbart[2]. Tabelle 5 zeigt die im Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015 gemessenen Perchlorat-Gehalte über 0,1 mg/kg in verschiedenen Proben im Vergleich zu den Referenzwerten des StALuT vom 16. Juli 2013.

 

Tabelle 5: Proben mit erhöhten Perchlorat-Gehalten aus dem Zeitraum vom März 2014 bis Februar 2015 in Bezug zu den Referenzwerten des StALuT vom 16.Juli 2013.
Kategorie
Perchlorat-Referenz-Werte
(StALuT, 16.7.13)
Perchlorat-Gehalte verschiedener Proben in mg/kg
(März 2014 – Februar 2015)
(dargestellt sind Proben ab einem Gehalt von 0,1 mg/kg)
Anzahl Proben, die gesichert** den Referenzwert überschritten:
Kräuter aus Gewächshäusern oder dem Anbau unter Folie
1,0
Basilikum 0,69; 0,27; 0,19; 0,14;
Estragon 0,34
Schnittlauch 0,26; 0,24;
Thymian 0,18;
Dill 0,13
*
0
Blattgemüse (außer Spinat), Sellerie aus Gewächshäusern oder dem Anbau unter Folie
1,0
Feldsalat 0,54;
Rucola 0,21,
Feldsalat 0,19;
*
0
Zitrus, Kernobst, Wurzel- und Knollengemüse, Tafeltrauben, Spinat, Melonen, Wassermelonen
0,2
Spinat 3,9; 0,64;
Melone 0,19;
Tafeltrauben 0,14;
2
Obst und Gemüse mit Ausnahme o.g. Kategorien
0,5
Jasmintee 0,4;
Tomate 0,35; 0,3;
grüne Bohnen 0,28; 0,16; 0,15;
Spitzpaprika 0,19;
Rosine 0,14;
Broccoli 0,13;
Gemüsepaprika 0,11;
0

* Zuordnung unter der Annahme, dass diese Proben aus dem Anbau im Gewächshaus oder unter Folie stammen.
** Für die Feststellung, ob der Referenzwert überschritten wird, ist eine analytische Schwankungsbreite zu berücksichtigen, die bei pflanzlichen Proben 50% beträgt, wie die Auswertung einer großen Zahl EU-weiter Laborvergleichsuntersuchungen von Pestizidrückständen ergeben hat.

 

Von insgesamt 1900 im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 auf Perchlorat untersuchten Proben lagen lediglich zwei Spinat-Proben (0,1 %) gesichert über den Referenzwerten des StALuT. Das gilt auch unter der Annahme, dass die Feldsalate, der Rucola und die frischen Kräuter aus Freilandanbau stammten.

 

Die Anwendung der in Tabelle 5 genannten Referenzwerte des StALuT war beschränkt auf den Zeitraum, bis die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Risikobewertung für Perchlorat vorlegt.

 

Wissenschaftliches Gutachten der EFSA:

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM)) hat am 17. Oktober 2014 ihre Wissenschaftliche Stellungnahme[3] zu gesundheitlichen Risiken durch das Auftreten von Perchlorat in Lebensmitteln, insbesondere in Obst und Gemüse vorgelegt und in diesem Zusammenhang einen neuen TDI (Tolerable Daily Intake, tolerierbare tägliche Aufnahme) abgeleitet. Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge wurde festgesetzt auf:

0,3 µg pro kg Körpergewicht und Tag,

basierend auf der Hemmung der Jodaufnahme durch die Schilddrüse bei gesunden Erwachsenen (EFSA Journal 2014, 12(10); 3869). Dieser Wert liegt sehr deutlich unter dem im Jahr 2010 vom Gemeinsamen FAO/WHO-Sachverständigenausschuss für Lebenmittelzusatzstoffe (JECFA) abgeleiteten PMTDI (Provisional Maximum Tolerable Daily Intake) für Perchlorat von 10 µg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.

 

Die Ableitung einer akuten Referenzdosis (ARfD) wurde von EFSA als nicht erforderlich bewertet. Durch eine kurzzeitige Aufnahme von Perchlorat in Mengen, wie sie in Lebensmitteln und Wasser festgestellt wurden, seien unerwünschte gesundheitliche Effekte auch unter Einbeziehung von empfindlichen Personengruppen nicht zu erwarten.
Gleichwohl äußerte EFSA gewisse Bedenken hinsichtlich der chronischen Aufnahme von Perchlorat durch Vielverzehrer in den jüngeren Altersklassen mit einem geringen bis mittleren Jodmangel und der Kurzzeitexposition von gestillten Kindern und Kleinkindern mit geringer Jodaufnahme.

 

Ausgehend von der Risikobewertung der EFSA hat der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SC PAFF) in seiner Sitzung vom 10. März 2015 neue Referenzwerte[4] für den innergemeinschaftlichen Handel festgelegt (siehe Tabelle 6). Diese Werte sollen ab dem 16. März 2015 angewendet werden. Gleichzeitig sollen von den Mitgliedsstaaten weitere Daten zu Perchlorat in Lebensmitteln erhoben werden, um eine genauere Risikobewertung zu ermöglichen.

 

Tabelle 6: Referenzwerte für Perchlorat in pflanzlichen Lebensmitteln gemäß Beschluss des SC PAFF vom 10. März 2015
Kategorien
Perchlorat-Referenz-Werte
(SC PAFF, 10.03.2015)
mg/kg
Obst und Gemüse mit Ausnahme von:    
0,1
  Kürbisgewächsen und Blattgemüse mit Ausnahme von:  
0,2
    -Sellerie und Spinat aus dem Gewächshaus/unter Folie
0,5
    -Kräuter, Rucola, Kopfsalat, Salat,  aus dem Gewächshaus/unter Folie
1,0
Getrocknete Gewürze, getrockneter Hopfen    
0,5
Tee (Camilla sinensis)    
0,75
Kräuter- und Früchtetee    
1,0
Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder
-essfertig-
   
0,02
andere Lebensmittel    
0,05

 

Setzte man die neuen Referenzwerte in Beziehung zu den Untersuchungsergebnissen des vorgenannten Berichtszeitraumes (März 2014 bis Februar 2015), so ergäbe sich hinsichtlich möglicher Überschreitungen der neuen Referenzwerte nur ein leicht verändertes Bild: lediglich 4 (0,2 %) der insgesamt 1900 untersuchten Proben würden gesichert über den jetzt verarbschiedeten Referenzwerten liegen, sofern man davon ausgeht, dass diese Erzeugnisse aus dem Gewächshaus bzw. aus dem Folientunnel stammten. Ginge man davon aus, dass alle diese Erzeugnisse aus dem Freiland stammten, so würden 7 Proben (0,4 %) gesichert über dem jeweiligen Referenzwert liegen.

 

Das CVUA Stuttgart wird weiterhin Lebensmittel mit erhöhten Perchlorat-Gehalten nach der Kontaminanten-Verordnung beurteilen und das Untersuchungsergebnis unter Hinweis auf das Minimierungsgebot des Artikel 2 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 315/93 und die neuen Referenzwerte des Ständigen Ausschusses an die Lebensmitteluntersuchungsbehörden weiterleiten, um eine Minimierung dieses unerwünschten Kontaminanten zu erreichen.

 

Artikel erstmals erschienen am 09.04.2015