Giftiges Unkraut im Salat? – Kreuzkrautfund in Rucola

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Silvia Zechmann und Thomas Kapp

 

Vieles, was die Natur hervorbringt, ist bisweilen mit Vorsicht zu genießen. Erneut wurde in einer Packung Rucola-Salat giftiges Kreuzkraut gefunden, welches der Rucola-Pflanze zum Verwechseln ähnlich sehen kann. Problematisch hierbei ist, dass das auch als Greiskraut bezeichnete Unkraut hohe Konzentrationen der giftigen Pyrrolizidinalkaloide (PA) bildet. Diese können schwere Leberschäden verursachen und haben sich für manche Tierarten als krebserregend und erbgutschädigend erwiesen. Bereits in den vergangenen Jahren machten Kreuzkrautfunde als Verunreinigungen in Rucola immer wieder Schlagzeilen.

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Foto: Silvia Zechmann

 

Was ist Kreuzkraut und wie kann man es von Rucola unterscheiden?

Unter dem Begriff „Kreuzkraut“ werden die verschiedenen Pflanzenarten der botanischen Gattung Senecio zusammengefasst. Alle Senecio-Arten wiederum gehören zur Familie der Korbblütler

 

(Asteraceae). Von größerer Bedeutung sind hier insbesondere das weit verbreitete „Gewöhnliche Kreuzkraut“ (Senecio vulgaris L.) sowie das „Jakobskreuzkraut“ (Senecio jacobaea L.).

Die Knospen und Blüten von Korbblütlern, und damit auch von Kreuzkraut, unterscheiden sich deutlich von Blütenanlagen der Rucola-Pflanzen. Als typischer Kreuzblütler (Brassicaceae) bildet Rucola je nach Sorte leuchtend gelbe bis cremefarbene Blüten mit exakt vier Blütenblättern, die kreuzförmig angeordnet sind. Zudem sind die geschlossenen Blütenknospen bei Rucola tropfenförmig. Das unerwünschte Kreuzkraut hingegen bildet körbchenförmige Blütenstände (s. Abb. 1), die mit einer Vielzahl gelber Einzelblüten (sogenannte Röhrenblüten) gefüllt sind.

 

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Abb. 1 Gewöhnliches Kreuzkraut (Senecio vulgaris) mit den charakteristischen, körbchenförmigen Blütenknospen. Quelle: Pixabay.de, Image: senecio-vulgaris-844623, CC0 Public Domain.

 

Schwieriger ist die Unterscheidung, wenn keine Blütenanlagen vorhanden sind. Im Zweifelsfall sollten fremdartige Blätter daher prinzipiell aussortiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die fragwürdigen Blätter eine Behaarung zeigen oder eine ungewöhnliche Zahnung an den Blatträndern aufweisen. Auch ein Fehlen des charakteristischen Geruchs nach Rucola direkt nach dem Abzupfen eines Blattteils ist ein Unterscheidungsmerkmal.

 

 

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Abb. 2: Beispiele für Rucola, verschiedenes Blattalter bzw. Sorten. Bei sehr jungen Blättern ist die für Rucola typische gelappte Blattform mitunter noch nicht voll ausgeprägt. Foto: Silvia Zechmann.

 

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Abb. 3: Blattformen von Gewöhnlichem Kreuzkraut (Senecio vulgaris). Bei weniger stark gezahnten Blättern steigt die Verwechslungsgefahr mit Rucola. Foto: Silvia Zechmann.

 

Was sind Pyrrolizidinalkaloide und welche Wirkung haben sie auf den Menschen?

Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind eine Gruppe aus mehreren hundert strukturell verwandten Einzelverbindungen. Sie dienen den Pflanzen als Schutz gegen Fressfeinde und kommen natürlicherweise in über 6000 Pflanzenarten vor, die hauptsächlich drei Familien zuzuordnen sind:

  • den Korbblütlern (Asteraceae),
  • den Hülsenfrüchtlern (Fabaceae oder Leguminosae) und
  • den Rauhblatt- oder Borretschgewächsen (Boraginaceae).

 

Die Wirkung der PA ist in der Regel chronisch toxisch, das heißt die schädliche Wirkung tritt nach stetiger, geringer PA-Zufuhr über einen längeren Zeitraum hinweg auf. Akute Schadwirkungen oder gar Vergiftungen durch Lebensmittel sind unwahrscheinlich, da sie die Aufnahme sehr großer Substanzmengen innerhalb kurzer Zeit erfordern. Im Körper entfalten die PA in erster Linie eine stark leberschädigende Wirkung. Die 1,2-ungesättigten, zweifach veresterten Vertreter gelten als besonders giftig und stehen zudem im Verdacht, das Erbgut schädigen zu können sowie krebserregend zu sein. Aus diesem Grund können PA durchaus bereits in kleinen Mengen ein Risiko für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen. Insgesamt sind die vorhandenen toxikologischen Daten aber noch lückenhaft.

 

Abbildung der verschiedenen Strukturformeln.

Abb. 4: Strukturformeln verschiedener Pyrrolizidinalkaloide (PA). Alle PA enthalten ein ähnliches Grundgerüst (hier: Retronecin), das mit verschiedenen Carbonsäuren verestert sein kann. Neben freien Alkaloiden werden in Pflanzen insbesondere deren N-Oxide beobachtet. Grafik: Thomas Kapp.

 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in diesem Zusammenhang eine Tagesdosis von 0,007 µg ungesättigten PA/kg Körpergewicht nicht zu überschreiten. Für einen Erwachsenen mit einem Körpergewicht von 60 kg entspricht dies der außerordentlich kleinen Menge von 0,42 µg PA pro Tag. Noch kleiner fällt die entsprechende PA-Menge bei Kindern oder Kleinkindern aus.

Zum Vergleich: In der aktuellen, mit Kreuzkraut verunreinigten Rucola-Probe waren insgesamt rund 260 µg PA enthalten. Bei einem Mitverzehr des Fremdmaterials wäre dadurch die empfohlene maximale Tagesdosis für einen Erwachsenen um mehr als das 500-fache überschritten worden. Die Probe war damit nicht mehr zum Verzehr geeignet und wurde als nicht sicheres Lebensmittel beanstandet.

 

Was wurde bisher untersucht?

Dass PA in Lebensmitteln vorkommen können, ist bereits seit Jahrzehnten zumindest theoretisch bekannt. Die für den Nachweis von PA im Spurenbereich erforderliche Analysentechnik ist jedoch erst seit einigen Jahren verfügbar. Nach einem Kreuzkrautfund in einer Packung Rucola-Salat ist das Thema im Sommer 2009 erstmals in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gelangt. Inzwischen ist die PA-Untersuchung ein fester Bestandteil der Lebensmittelüberwachung. Die Analytik der giftigen Stoffe wurde in den vergangenen Jahren zügig vorangetrieben, so dass heute am CVUA Stuttgart 30 der wichtigsten PA bestimmt werden können. Darunter befinden sich auch die von Kreuzkräutern gebildeten Alkaloide Senecionin, Senecivernin, Seneciphyllin, Integerrimin sowie deren N-Oxide.

 

Nach den ersten Kreuzkraut-Funden in Rucola stellte sich bald heraus, dass auch Honige nicht unerheblich mit PA belastet sein können (siehe hierzu die Untersuchungsergebnisse der CVUAs Freiburg und Stuttgart). Seit 2013 sind PA darüber hinaus in Tees und insbesondere in Kräutertees ein Thema. So sind Tees bei der Lebensmittelüberwachung bereits mehrfach aufgrund ihrer Belastung mit PA aufgefallen und damit auch in die Schlagzeiten geraten (siehe hierzu die Untersuchungsergebnisse der CVUAs Karlsruhe und Stuttgart).

 

Anlässlich des aktuellen Fundes von Kreuzkraut in Rucola wurden zwei Vergleichsproben desselben Herstellers sowie 11 weitere Rucola-Proben auf Fremdbestandteile von Kreuzkraut hin untersucht. Hierzu wurde bei den Proben (jeweils bestehend aus bis zu 8 Einzelpackungen Rucola) Blatt für Blatt einer morphologischen Sichtprüfung unterzogen. Unabhängig davon wurden alle Proben zusätzlich analytisch auf Spurengehalte an PA getestet. In keiner der insgesamt 13 untersuchten Proben wurden optisch erkennbare Fremdbestandteile von giftigem Kreuzkraut festgestellt. Allerdings wurden gelegentlich andere, ungiftige Unkräuter in sehr geringen Mengen gefunden. Diese können jedoch auch ohne botanische Fachkenntnis leicht als Unkraut erkannt und damit vom Verbraucher beim Putzen des Salats aussortiert werden. Bei der chemischen Analyse waren ebenfalls in keiner der 13 Rucola-Proben PA nachweisbar. Für Rucola-Liebhaber ist dies eine erfreuliche Nachricht. So deuten die Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass es sich bei den Kreuzkrautfunden in Rucola um vergleichsweise seltene Einzelfälle handelt. Weiterhin liegen keine Anhaltspunkte für eine PA-Grundbelastung in Rucola vor, die beispielsweise durch kleine und damit leicht übersehbare Fremdpflanzenteile verursacht worden sein könnte.

 

Damit ist Kreuzkraut in Rucola als bekanntes Problem in der Lebensmittelüberwachung jedoch nicht vom Tisch und auch die herstellenden Betriebe sollten die Problematik weiter im Auge behalten. Der Verbraucher hingegen kann seinen Rucola-Salat in der Regel bedenkenlos genießen. Dennoch wird empfohlen, Rucola vor dem Verzehr grundsätzlich zu putzen und dabei auf abweichend aussehende oder auffällige Blätter zu achten und diese auszusortieren. In den allermeisten Fällen wird es sich dabei aber nur um harmloses Unkraut handeln.

 

Artikel erstmals erschienen am 28.09.2016