Indianerbanane – lecker, aber problematisch

Thomas Kapp

 

In Gartenmärkten und Baumschulen findet man sie bereits häufiger im Angebot, und manche haben sie womöglich bereits im heimischen Garten stehen und erfreuen sich im Herbst an den leckeren Früchten der exotischen Pflanze. Die Rede ist von der sogenannten Indianerbanane, auch bekannt als Papaufrucht (botanisch: Asimina triloba) – einer exotischen Frucht aus der Familie der Annonengewächse oder Annonaceae, die durch ihren aromatischen Geschmack besticht und auch in heimischem Klima gedeiht. Doch ist der Verzehr bedenkenlos möglich? Wir klären auf.

 

Steckbrief Indianerbanane/Papaupflanze

Bei der Papaupflanze handelt es sich um eine Pflanze mit geringen Standortansprüchen, die als Strauch oder Baum Wuchshöhen von zwei bis maximal zehn Metern erreichen kann und als unanfällig gegenüber Krankheiten oder Schädlingen gilt. Nach der Blüte im Mai bilden sich etwa faustgroße Früchte, deren Aussehen an knubbelige Mangos erinnert (Abb. 1). Die auch nach der Ernte nachreifenden Früchte (Reifezeit: September und Oktober) besitzen eine glatte, dünne Schale, die druckempfindlich ist und sich leicht braun färbt. Im reifen Zustand ist das schmackhafte Fruchtmark gelblich und weich und erinnert in seiner Konsistenz an Avocado, darin eingebettet befinden sich 10 bis 20 vergleichsweise große, dunkelbraune Samenkerne. Der exotische Geschmack des Fruchtmarks erinnert an Mango, Banane und Ananas. Die Haltbarkeit der reifen Früchte ist allerdings gering und beträgt bei Raumtemperatur nur wenige Tage.

 

Heimisch ist die Indianerbanane in den subtropischen bis gemäßigten Bereichen Nordamerikas. Ihre Früchte wurden bereits von den amerikanischen Ureinwohnern verzehrt und gelten gemeinhin als essbar. In Europa hingegen ist die Papau nach wie vor ein Exot, der sich jedoch wachsender Beliebtheit erfreut und bislang vor allem privat angebaut wird.

 

Zur botanischen Verwandtschaft gehört die ursprünglich aus Südamerika stammende Cherimoya (Annona cherimola) sowie die hierzulande weniger bekannte Stachelannone (Annona muricata, auch als Graviola bezeichnet). Eine Verwandtschaft mit der Banane besteht hingegen – abgesehen vom Namen – nicht.

 

Abb. 1: Etwa faustgroße Früchte der Indianerbanane bzw. Papau (Asimina triloba).

Abb. 1: Etwa faustgroße Früchte der Indianerbanane bzw. Papau (Asimina triloba)

 

Verzehr unbedenklich?

Im Herbst dieses Jahres erreichte uns die Anfrage einer Lebensmittelüberwachungsbehörde, ob uns nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit nach dem Verzehr von sogenannten Indianerbananen bekannt wären. Auslöser für die Anfrage war eine Verkostung privat angebauter Früchte, die an Bekannte eines Hobbygärtners weitergegeben wurden. Nach dem Verzehr klagten mehrere Personen über Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden.

 

Während uns hierzu bislang keine Fälle bekannt waren, nahmen wir die Familienzugehörigkeit der Annonengewächse zum Anlass, die stoffliche Zusammensetzung der Papaufrucht einmal näher zu beleuchten. Von anderen Annonengewächsen ist durchaus bekannt, dass sie auch potentiell toxische Inhaltsstoffe wie Acetogenine oder Isochinolinalkaloide bilden können (siehe Infokasten). Ob und inwieweit dies auch für die Indianerbanane zutrifft, konnte ohne eine Analyse der Fruchtbestandteile zunächst nicht beantwortet werden.

 

Infokasten

Acetogenine und Isochinolinalkaloide der Annonengewächse

Acetogenine sind unpolare Verbindungen, bestehend aus einer langen Kohlenwasserstoffkette aus meist 35 oder 37 Kohlenstoffatomen mit einer endständigen γ-Lactongruppe und einem oder mehreren Tetrahydrofuran-Ringen innerhalb des Moleküls (siehe Abb. 2, Annonacin). Die Substanzklasse weist mit mehreren hundert bekannten Einzelstoffen eine hohe strukturelle Vielfalt auf. Acetogenine kommen ausschließlich in Annonengewächsen vor und gelten als neurotoxisch und zytotoxisch, sie wirken also als Nervengift und schädigen Zellen und Gewebe. Aufgrund ihrer Lipophilie können sie die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und sich im Hirngewebe anreichern. Sie wirken hemmend auf die mitochondriale Atmungskette und stören damit den Energiestoffwechsel. Chronischer Verzehr von acetogeninhaltigen Früchten wie Stachelannonen (Annona muricata) wird für ein gehäuftes Auftreten von atypischem Parkinsonismus, einer neurodegenerativen Erkrankung, in Lateinamerika verantwortlich gemacht [1]. Ihre zytotoxische Wirkung machen Acetogenine andererseits zum Forschungsobjekt bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen Krebs.

 

Neben Acetogeninen enthalten Annonengewächse eine Vielzahl an Isochinolinalkaloiden, hauptsächlich aus den Untergruppen der Aporphinalkaloide (z. B. Annonain, Asimilobin) und Benzyltetrahydroisochinolinalkaloide (z. B. Reticulin, Coclaurin). Die gesundheitlichen Effekte dieser Alkaloide sind nur wenig untersucht, einzelnen Stoffen werden jedoch ebenfalls zytotoxische bzw. neurotoxische Effekte zugeschrieben.

 

Abb. 2: Beispielhafte Strukturformeln für Acetogenine (Annonacin), Benzyltetrahydroisochinolinalkaloide (Reticulin) und Aporphinalkaloide (Annonain).

Abb. 2: Beispielhafte Strukturformeln für Acetogenine (Annonacin), Benzyltetrahydroisochinolinalkaloide (Reticulin) und Aporphinalkaloide (Annonain)

 

Untersuchungsergebnisse

Neben der Indianerbanane untersuchten wir in unserem Toxinlabor eine Cherimoya-Frucht sowie einen Fruchtnektar der Stachelannone, also insgesamt drei Vertreter der Annonengewächse auf ihren Gehalt an Alkaloiden und Acetogeninen. Während Acetogenine im Fall der Cherimoya ausschließlich in den Samenkernen nachweisbar waren und damit erfreulicherweise nicht im Fruchtmark, fiel der Nachweis im Fruchtmark der Stachelannone bereits positiv aus. Deutlich auffällig waren hingegen die Befunde für die Papaufrucht. Die höchsten Acetogeningehalte zeigten sich zwar auch bei der Papau in den Samenkernen und in der Fruchtschale, das Fruchtfleisch selbst wies jedoch um ein Vielfaches höhere Gehalte auf als das Mark der Stachelannone. Auch in der Literatur sind Veröffentlichungen zu finden, die der Indianerbanane einen hohen Acetogeningehalt bescheinigen und sie deswegen als neurotoxisch einstufen [2].

 

Für den Alkaloidgehalt ließ sich eine ähnliche Abstufung erkennen. Grundsätzlich waren sowohl bei Cherimoya als auch bei Papau die höchsten Gehalte in der Fruchtschale zu erkennen, gefolgt von den Gehalten in den Samenkernen. Das Fruchtmark der Cherimoya wies nur vergleichsweise geringe Gehalte an Alkaloiden auf. Demgegenüber waren im Fruchtfleisch der Indianerbanane deutlich ausgeprägte Alkaloidgehalte nachweisbar (Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Zusammenfassung und Vergleich der Untersuchungsergebnisse für Indianerbanane, Stachelannone (nur Nektar aus Fruchtmark untersucht) und Cherimoya
 
Acetogenine
Alkaloide
Schale
Fruchtmark
Kerne
Schale
Fruchtmark
Kerne
Indianerbanane (Asimina triloba)
+++
++
+++
+++
++
++
Stachelannone (Annona muricata)
 
+
 
 
+++
 
Cherimoya (Annona cherimola)
-
-
+++
++
+
++

Legende:
-: negativ; +: positiv, geringe Gehalte; ++: positiv, deutliche Gehalte; +++: positiv, sehr hohe Gehalte

 

Fazit

Insgesamt wurden im Fruchtmark der Papau über 80 verschiedene Acetogenine sowie 15 Isochinolinalkaloide nachgewiesen. Von den drei untersuchten Annonengewächsen wurden die höchsten Acetogeningehalte in der Papaufrucht beobachtet, während die höchsten Alkaloidgehalte im Mark der Stachelannone zu beobachten waren.

 

Bereits für Nahrungsergänzungsmittel auf Basis der Stachelannone existieren gemäß einer Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) erhebliche Unsicherheiten bezüglich der sicheren Verwendung angesichts des neurotoxischen Potentials [3].

 

Ein bedenkenloser Verzehr der Indianerbanane erscheint in Anbetracht des im Vergleich zur Stachelannone noch deutlich höheren Acetogeningehaltes und der damit einhergehenden Indizien für eine neurotoxische Wirkung (siehe Infokasten) trotz des leckeren Geschmacks damit nicht empfehlenswert. Dies gilt insbesondere für den Verzehr durch Kinder, deren sich noch entwickelndes Nervensystem sich als besonders empfindlich gegenüber den Auswirkungen von Neurotoxinen erweisen dürfte.

 

Bildernachweis

Pawpaw im weißen Hintergrund, hawk111, istockphoto.com, Image-ID = 601948048

 

Quellen

[1]: Höllerhage M, Matusch A, Champy P, Lombès A, Ruberg M, Oertel WH, Höglinger GU (2009): "Natural lipophilic inhibitors of mitochondrial complex I are candidate toxins for sporadic neurodegenerative tau pathologies", Experimental Neurology 220:133–142; doi:10.1016/j.expneurol.2009.08.004.

[2]: Potts LF, Luzzio FA, Smith SC, Hetman M, Champy P, Litvan I (2012): "Annonacin in Asimina triloba fruit: Implication for neurotoxicity", Neurotoxicology 33:53–58; doi:10.1016/j.neuro.2011.10.009.

[3]: German Federal Institute for Risk Assessment (BfR), Department of Food Safety, Berlin, Germany; Raclariu-Manolica AC, Bakhiya N, Hirsch-Ernst KI (2020): „Risk assessment regarding the use of Annona muricata in food supplements“, EFSA Journal 18:e181112; doi:10.2903/j.efsa.2020.e181112.

 

Artikel erstmals erschienen am 30.11.2023