Schmallenbergvirus bei einem erwachsenen Reh nachgewiesen

Dr. Ingo Schwabe, Dr. Birgitta Polley

 

Zusammenfassung

Nachdem  im Herbst 2011 in Deutschland das Schmallenbergvirus erstmals nachgewiesen wurde, hat das Virus innerhalb eines Jahres bei Rindern, Schafen und Ziegen eine weite Verbreitung gefunden.  Es wurde bisher  nur bei Hauswiederkäuern  nachgewiesen und verursacht bei trächtigen Tieren Aborte, Totgeburten und missgebildete Nachkommen.  Im CVUA Stuttgart gelang nun erstmals der Nachweis von Schmallenbergvirus bei einem wildlebenden Wiederkäuer. Das bereits erwachsene Reh war Spaziergängern aufgefallen, da es keinen Fluchtreflex zeigte. Es wurde deshalb erlegt und  im CVUA Stuttgart untersucht. Mittels Polymerase-Kettenraktion (PCR) gelang der Nachweis von Schmallenbergvirusgenom in der Milz des Tieres.

 

Was ist das Schmallenbergvirus?

Schmuckelement.Das Schmallenbergvirus (SBV) wurde in Deutschland erstmals im November 2011 bei Rindern, Schafen und Ziegen durch das Friedrich-Löffler-Institut (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, nachgewiesen. Es gehört zur Gruppe der Orthobunyaviren und wird von  Gnitzen und Stechmücken übertragen. Wird ein trächtiges Muttertier infiziert, verursacht das Virus Aborte, Totgeburten und die Geburt missgebildeter, oft nicht lebensfähiger Kälber und Lämmer (Informationen des FLI, Stand 30.01. 2012).

 

Wie sehen durch Schmallenbergvirus geschädigte Jungtiere aus?

Foto.Durch Schmallenbergvirus-Infektion missgebildete Kälber und Lämmer zeigen typische pathologische Veränderungen des Gehirns und von Muskulatur und Skelett (sog. Arthrogrypose-Hydranencephalie-Syndrom). So kommt es häufig zu einer Unterentwicklung des Kleinhirns (Kleinhirnhypoplasie) und zur Ausbildung eines inneren Wasserkopfes (Hydrocephalus internus bzw. Hydranencephalie). Besonders problematisch sind die Verkrümmung von Gliedmaßen (Arthrogrypose) und Wirbelsäule (Skoliose) sowie eine Seitwärtsbiegung des Halses (Tortikollis), da sie ein Geburtshindernis darstellen und so auch die Gesundheit und oft sogar das Leben des Muttertieres gefährden.

Abbildung 1: Torticollis bei einem SBV-infizierten Lamm

 

Wie weit ist das Schmallenbergvirus im Raum Stuttgart verbreitet?

Bereits im Januar 2012 wurde in der Pathologie des CVUA Stuttgart erstmals ein totgeborenes Ziegenlamm untersucht, das die für Schmallenbergvirus typischen Missbildungen aufwies. Das FLI wies im Gehirn des Lamms Schmallenbergvirusgenom nach (s. Internetbeitrag CVUAS, 2012). Seit Februar 2012 wurden im CVUA Stuttgart 177 Proben mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) untersucht, in 16 Fällen konnte Schmallenbergvirusgenom in abortierten Feten von Rindern, Schafen und Ziegen nachgewiesen werden.


Seit Mai 2012 ist der serologische Nachweis von Antikörpern gegen das SBV mittels eines zugelassen ELISA-Test möglich. Bisher wurden 788 Proben aus 132 Rinderbeständen untersucht, 333 Proben reagierten serologisch positiv, 73 der Bestände wiesen wenigstens einen, meistens aber mehrere Reagenten auf. Damit zeigte über die Hälfte aller untersuchten Rinderbestände Antikörper gegen das Schmallenbergvirus. Dies dokumentiert eindrucksvoll, wie weit sich das Virus innerhalb eines knappen Jahres im Regierungsbezirk Stuttgart ausbreiten konnte. Bei fünf Schafbetrieben, die ebenfalls untersucht wurden, wurde sogar in jedem Betrieb mindestens ein antikörperpositives Tier nachgewiesen. Das Schmallenbergvirus hat also eine weite Verbreitung in der Hauswiederkäuerpopulation gefunden.

 

Foto.

 

Unklar ist zur Zeit noch, in wie weit auch Wildwiederkäuer wie Rehe und Hirsche von dem neuen Virus betroffen sind. Das Probenaufkommen ist hier nur gering, da nur vereinzelt Tierkörper von Rehen und Hirschen zur Untersuchung kommen und ein SBV-Monitoring bei Wildwiederkäuern, vergleichbar mit dem Schweinepest-Monitoring bei Wildschweinen, in Baden-Württemberg noch nicht existiert. Um also einen Überblick über die SBV-Seuchensituation bei Wildtieren zu erhalten, ist das CVUA Stuttgart auf die wenigen Einzelproben angewiesen, die im Rahmen der Sektion von gefallenen Rehen und Hirschen zur Verfügung stehen.

 

Nachweis von Schmallenbergvirus bei einem Reh

Im September 2012 wurde der Tierkörper eines adulten Rehs aus dem Rems-Murr-Kreis in der Pathologie des CVUA S untersucht. Das Tier war Spaziergängern aufgefallen, da es eine fehlende Fluchtreaktion zeigte. Der zuständige Jagdausübungsberechtigte wurde hinzugezogen, erlegte das offensichtlich kranke Reh und sandte es zur Abklärung der Krankheitsursache zum CVUAS.


Bei der Sektion fiel zunächst vor allem die starke parasitologische Belastung des Rehs mit Hirschlausfliegen, Haarlingen und Zecken auf. Die weiteren Untersuchungen ergaben zusätzlich eine starke Lungenentzündung in Folge einer Lungenwurminfektion. Routinemäßig wurden Gehirn und Milz auch auf das Vorliegen einer Schmallenberginfektion untersucht. Während das Gehirn negativ war, konnte in der Milz Schmallenbergvirusgenom nachgewiesen werden. Das Ergebnis wurde vom FLI bestätigt.


Nach Aussage des FLI ist es der erste virologieche Nachweis bei einem Reh in Deutschland überhaupt.
Der Befund ist auch insofern ungewöhnlich, dass es sich um ein erwachsenes Reh handelt. Sein Alter wurde auf drei bis vier Jahre geschätzt. Bisher wurde im CVUA S Schmallenbergvirus ausschließlich in Abortmaterial bzw. nicht lebensfähigen Jungtieren nachgewiesen. Bei adulten Rindern, Schafen und Ziegen verläuft die Infektion oft ohne erkennbare Symptome und wird nur selten diagnostiziert. Die Virämie, das Vorhandensein von Virus im Blut der infizierten Tiere, ist in der Regel mit fünf bis sechs Tagen nur kurz. Hinweis für die Erkrankung geben oft erst gehäufte Aborte im Bestand in Folge der Infektion. Zu diesem Zeitpunkt ist das Virus selbst oder dessen Genom dann nicht mehr nachzuweisen. Virologische Untersuchungen an erwachsenen Haustieren verliefen daher bisher fast immer negativ, lediglich durch den Antikörpernachweis war bei diesen Tieren eine zurückliegende Schmallenbergvirusinfektion nachzuweisen. Das durch die parasitologische Belastung geschwächte Reh ist somit der erste Fall eines Virusnachweises bei einem erwachsenen Tier.


Das CVUA Stuttgart wird auch weiterhin Wild- und Hauswiederkäuer serologisch und virologisch auf dieses neuartige Virus untersuchen, um neue Erkenntnisse über dessen Verbreitung zu gewinnen.

 

Bilder:

Rehbock2, Templermeister, Pixelio.de, Image-ID=139779,

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 30.11.2012